Hamburg. Hamburger Unternehmen Eos kämpft gegen das Bild gewalttätiger Geldeintreiber und schafft mehr als neue 100 Arbeitsplätze.

Zwei Männer in Lederjacken, einer vollbärtig, der andere mit Dreitagebart, sitzen auf einer Parkbank. „Hier gibt’s keine Regeln“, sagt der eine. „Es zählt nur das Gesetz des Stärkeren. Genau genommen läuft’s immer aufs Gleiche raus. Nur wer ständig seine Macht demonstriert, genießt Respekt.“ Plötzlich springt er alarmiert auf, und die Kamera zeigt, was er sieht: spielende Kinder in einem Sandkasten. „Lukas! Das ist Julians Schaufel.“ Nun hört man eine Frauenstimme aus dem Off: „Glaubst du wirklich, dass wir unsere Ziele mit Gewalt durchsetzen? Entdecke, wie Inkasso wirklich ist.“

In diesem auf YouTube veröffentlichten Video sowie zwei weiteren nach ähnlichem Schema spielt der Hamburger Finanzdienstleister Eos bewusst mit bekannten Klischees zum Thema Inkasso: finstere Gestalten in dunklen Ecken, Drohkulissen und verängstigte Menschen. „Wir wollen an diesem Image etwas ändern und Vorurteile ausräumen“, sagt Klaus Engberding, seit November 2016 Chef des zum Otto-Konzern gehörenden Unternehmens, das bis zum Jahr 2000 Deutscher Inkasso-Dienst hieß.

70 Prozent Außendienstler sind Frauen

So spiele etwa der Besuch eines Außendienstlers bei einem Schuldner eine „absolut untergeordnete Rolle“ in der Geschäftstätigkeit, so Engberding, schon weil dies vergleichsweise aufwendig und teuer sei: „Zum Außendienst gehören nur 200 unserer bundesweit 2300 Beschäftigten.“

Zudem hätten die Außendienst-Mitarbeiter noch andere Aufgaben als das Gespräch mit den Schuldnern vor Ort: „Es geht auch darum, den Zustand von Immobilien, die als Sicherheit für Hypothekenkredite dienen, von außen abzuschätzen“, erklärt der Eos-Chef. „Ein weiteres bedeutendes Aufgabenfeld ist die Bestandsüberprüfung in Autohäusern“ – denn die Hersteller wollen wissen, ob ihre Händler die ihnen für die Ausstellung überlassenen Wagen korrekt verbuchen. Für Außenstehende überraschend dürfte sein, dass bei Eos fast 70 Prozent der Außendienstler Frauen sind. Aus Sicht von Engberding ist das jedoch leicht nachvollziehbar – schließlich komme es darauf an, „mit Verständnis und Empathie“ einen Plan für die Bezahlung der offenen Rechnung gemeinsam mit den Schuldnern zu erarbeiten: „Die weitaus meisten von ihnen haben großes Interesse an einer konstruktiven Lösung.“

Dabei erfüllt ein Unternehmen wie Eos nach Auffassung des Vorsitzenden der Geschäftsführung auch eine volkswirtschaftlich wichtige Funktion. So wird in Deutschland fast jede fünfte Rechnung nicht innerhalb der gesetzten Zahlungsfrist beglichen, europaweit fallen je nach Land zwei bis sechs Prozent der Forderungen aus. „Die Kosten, die den Unternehmen dadurch entstehen, werden auf die Preise umgelegt, also wird die Allgemeinheit belastet“, sagt Engberding. Nach seinen Angaben stehen die YouTube-Videos, produziert unter Federführung der Hamburger Kreativagentur La Red, in einem Zusammenhang mit dem Kulturwandel-Projekt der Otto-Gruppe.

Eines der Ziele des Projekts ist es, alle Otto-Konzernteile zeitgemäßer aufzustellen. Es gibt aber noch eine weitere Parallele zwischen den Strategien von Eos und dem Mutterunternehmen – die konsequente Digitalisierung der Geschäftsprozesse. „Wir haben vor zwölf Monaten begonnen, gewissermaßen ein Start-up innerhalb von Eos aufzubauen, um die gesamte IT zu erneuern“, sagt Engberding. Dafür werde ein „annähernd dreistelliger Millionenbetrag“ investiert, bisher seien knapp 70 neue Mitarbeiter eingestellt worden.

Mehr als 1000 Mitarbeiter hat Eos in Hamburg

Damit ist die Belegschaft von Eos in Hamburg auf mehr als 1000 Personen gewachsen. „Wir suchen dringend weitere Beschäftigte für das IT-Vorhaben, insgesamt benötigen wir deutlich über 100 Experten“, so Engberding. „Wir waren etwas in Sorge, ob wir genügend Softwareentwickler finden, denn sie werden überall gesucht“, berichtet der Eos-Chef. Aber hier habe sich das Kulturwandel-Projekt der Otto-Gruppe positiv ausgewirkt: „Dadurch können wir die Rahmenbedingungen eines Konzerns verbinden mit modernen Arbeitsmethoden, wie man sie aus Start-ups kennt.“

Die Aufgabe der neuen Computerspezialisten ist es, eine durchgängige IT-Landschaft für alle Geschäftsprozesse einzurichten. Das reicht von Scoring-Modellen, die die Kreditwürdigkeit von Privatpersonen anhand bestimmter Kriterien schon vorab einstufen, über ein Schuldnerportal für den unkomplizierten Kontakt mit säumigen Zahlern bis hin zu Schnittstellen zu den Unternehmenskunden – die wollen jederzeit sehen können, wie viel von ihren ausstehenden Forderungen voraussichtlich doch noch hereinkommen werden.

Zu diesen Kunden gehören vor allem der Versand- und der Onlinehandel, Banken, Telekommunikationsfirmen, Versorger, die Immobilienwirtschaft und öffentliche Betriebe, für die man zum Beispiel die sogenannten erhöhten Beförderungsentgelte von Schwarzfahrern in Bussen und Bahnen eintreibt.

Deutschland wichtigster Markt

Zwar ist Deutschland mit rund 45 Prozent des Umsatzes von knapp 600 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2015/2016) noch immer der wichtigste Einzelmarkt. Der weit überwiegende Teil der insgesamt knapp 8000 Mitarbeiter ist aber im Ausland beschäftigt, unter anderem in Osteuropa und in den USA. „Wir waren zeitweise auch in China und in Brasilien tätig, haben dann aber beschlossen, uns auf den europä­ischen Kulturraum einschließlich Nordamerika zu konzentrieren“, sagt Engberding.

Nach seiner Beobachtung erhöht sich die Wettbewerbsintensität auf den mitteleuropäischen Kernmärkten derzeit massiv, weil Konkurrenten aus Skandinavien und aus den USA ihre Präsenz verstärken. In der Brutto-Umsatzrendite von Eos drückt sich das aber noch nicht aus: Sie lag zuletzt bei gut 30 Prozent.