Hamburg. Der neue Vorstandschef des Hamburger Windrad-Herstellers sagt im ersten Interview, wie er den Konzern aus der Krise führen will.

In den ersten drei Monaten dieses Jahres stieg die Kapazität der in Deutschland neu installierten Windkraftanlagen so stark an wie nie zuvor in einem ersten Quartal. Der Hersteller Nordex, dessen Vorstand und Konzernzentrale in Hamburg sitzen, belegte dabei Platz zwei in der Rangliste. Gleichwohl will das Unternehmen jetzt Personal reduzieren.

Vorstandschef Lars Bondo Krogsgaard musste im Frühjahr gehen, weil er die Aktionäre mit einer Umsatz- und Gewinnwarnung überrascht hatte. Sein Nachfolger José Luis Blanco (46) – zuvor Vorstand für das operative Geschäft bei Nordex – ist seit gut 100 Tagen im Amt. In seinem ersten Interview erklärt der Spanier, warum die seit Jahren prosperierenden Hersteller derzeit sehr viel weniger Aufträge erhalten.

Herr Blanco, Sie sind nach dem Zusammenschluss von Nordex und Acciona Windpower im April 2016 aus Madrid nach Hamburg gekommen. Haben Sie sich denn im Norden schon akklimatisiert?

José Luis Blanco: Ja, das war aber auch gar nicht schwer. Ich stamme ursprünglich aus Nordspanien, da kann es genauso regnerisch und stürmisch sein wie hier in Hamburg. Ich kenne die Stadt schon lange, weil ich früher hin und wieder Messen und Dienstleister besucht habe, dafür ist Hamburg ja ein zentraler Standort. Die ganze Familie lebt jetzt seit einem Jahr hier, wir genießen die Stadt und haben eine schöne Wohnung gefunden.

Sehen Sie eine Windkraftanlage, wenn Sie aus der Wohnung schauen?

Blanco: Nicht direkt. Aber in der Nachbarschaft gibt es eine Stelle, von der man einen tollen Blick auf den Hafen hat. Und dann sehe ich auch einige Anlagen von Nordex, die sich meistens wunderschön drehen (lacht).

Es gibt nicht wenige Menschen, die den Anblick von Windkraftanlagen in der Landschaft als ziemlich störend empfinden und die Geräusche als unangenehm wahrnehmen. Was antworten Sie auf solche Kritik?

Blanco: Zunächst einmal akzeptiere ich natürlich andere Meinungen zu diesem Thema. Ich bin aber zugleich zutiefst davon überzeugt, dass ein Unternehmen wie Nordex und die gesamte Branche der erneuerbaren Energien der Gesellschaft angesichts des Klimawandels einen großen Dienst erweisen. Wo soll der Strom denn sonst herkommen, wenn der Kohlendioxidausstoß gesenkt und gleichzeitig die Atomkraftwerke abgeschaltet werden sollen? Und wir unternehmen ja auch große Anstrengungen, um die Anlagen zum Beispiel geräuschärmer zu machen. Nicht zuletzt sind in der Branche Zehntausende Arbeitsplätze entstanden.

Was die Jobs angeht, geht es bei Nordex und anderen Herstellern aber gerade in die andere Richtung. Sie haben kürzlich angekündigt, die Produktionskapazitäten in den Rostocker Werken würden dem sinkenden Auftragseingang angepasst. Das heißt, es werden Jobs abgebaut.

Blanco: Wir stehen kurzfristig vor mehreren großen Herausforderungen in Deutschland und auf dem europäischen Markt, auf die wir schnell reagieren müssen. Zum einen wächst der Preisdruck durch unsere Kunden, über deren Projekte jetzt auch in Deutschland in Auktionen entschieden wird. Da zählt vor allem der niedrigste Preis. Zugleich wird sich der Ausbau der Windkraft an Land in den nächsten Jahren um etwa 40 Prozent reduzieren. Das im Vergleich zu den letzten Jahren, die wegen der erwarteten Änderungen überdurchschnittlich stark waren.

Hinzu kommt, dass in der ersten Ausschreibungsrunde für Onshore-Projekte in Deutschland im Mai dieses Jahres fast ausschließlich sogenannte Bürgerwindparks den Zuschlag erhalten haben, die sich bis zu viereinhalb Jahre Zeit mit der Realisierung lassen können und sich ohne Baugenehmigung beteiligen konnten. Hierin erkennen wir einen Konstruktionsfehler und sehen Nachbesserungsbedarf. Denn das könnte zu einem Rückgang der Investitionen führen. Auf all dies müssen wir unter anderem mit der Reduzierung von Kosten reagieren. Das ist kurzfristig schmerzhaft, aber notwendig, um Schaden für das Unternehmen abzuwenden. Und natürlich wollen wir auf lange Sicht auch die Profitabilität erhöhen.

Werden vom Personalabbau auch die Nordex-Produktionsstandorte in Spanien betroffen sein?

Blanco: In Spanien können wir viel flexibler auf Schwankungen in der Nachfrage reagieren und tun das auch. Derzeit ist die Auslastung dort aber gut, da wir dort vornehmlich Anlagen für Märkte außerhalb Europas fertigen. Die Nachfrage in den USA und Lateinamerika ist weiterhin gut und steigt sogar.

Anders als Ihr Hamburger Mitbewerber Senvion, der im März den Abbau von mehr als 700 Jobs in Deutschland und die Schließung von Produktionsstätten verkündete, hat Nordex bislang keine Zielzahl für den Jobabbau genannt.

Blanco: Wir sind in intensiven Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern und mit der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern. Ich halte es nicht für sinnvoll, in dieser Phase Zahlen zu nennen, die noch gar nicht abschließend feststehen. Das Ausmaß ist ja auch abhängig davon, wie sich der Auftragseingang weiter entwickelt.

Als Nordex und die Windkraftsparte von Acciona fusionierten, hieß es, die internationalen Märkte seien eine große Chance für den Konzern. Doch dann waren es auch Probleme bei großen Projekten in Südafrika und Brasilien, die Ihren Vorgänger zwangen, die Umsatzziele für 2018 deutlich zurückzunehmen, was ihn letztlich den Job kostete. In den USA ist jetzt Donald Trump Präsident, der eher ein Freund der Ölindustrie ist. Ist die Internationalisierung nicht eine Gefahr?

Blanco: Nein, auf keinen Fall. Ich glaube, dass es keine Alternative dazu gibt. Die steigende Nachfrage aus den Schwellenländern hat die zurückgehenden Aufträge aus Deutschland und Europa bislang ausgeglichen. Die Verzögerungen in Südafrika sind Folge von politischen Entscheidungen. An den guten Rahmendaten des Marktes hat sich nichts verändert. In Brasilien gibt es nach der Rezession eine wieder steigende Energienachfrage. Dort könnten die Schwierigkeiten bald überwunden sein. Und aus den USA registrieren wir derzeit sogar ein steigendes Interesse.

Trotz der Ankündigung des Jobabbaus sinkt der Kurs der Nordex-Aktie weiter. Vor einem Jahr lag er noch bei rund 24 Euro, zuletzt nur noch knapp über zehn Euro. Wie wollen Sie das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen?

Blanco: Indem wir unseren Plan jetzt umsetzen. Und der besteht ja nicht allein aus der Anpassung der Kapazitäten in der Produktion an die gesicherte Nachfrage. Wir werden die Effizienz in der gesamten Organisation erhöhen, wir investieren in die Produktion in Indien und in neue Produkte. Im Spätsommer werden wir eine neue Anlage offiziell vorstellen, die wir bereits vermarkten. Der Marktführer in unserer Industrie hat kürzlich ebenfalls neue Anlagen vorgestellt. Wir können da absolut mithalten und müssen keine Angst vor der Konkurrenz haben. All dies wird dazu beitragen, Vertrauen von Anteilseignern und Anlegern zurückzugewinnen, die zuletzt enttäuscht von Nordex waren.

Noch einmal zurück nach Hamburg. Neben der Konzernzentrale an der Langenhorner Chaussee wird gerade gebaut. Die Pläne stammen aus einer Zeit, als Nordex größere Wachstumserwartungen hatte. Müssen jetzt einige der gut 1000 Mitarbeiter dort ebenfalls um ihren Arbeitsplatz fürchten?

Blanco: Wir wollen und müssen die Effizienz in allen Abteilungen des Unternehmens erhöhen. Auch die Verwaltung soll so schlank werden wie möglich. Hier sitzt ja unter anderem die Zentrale für das Europageschäft. Und die Größe der Verwaltung hängt natürlich davon ab, wie groß die Nachfrage nach unseren Produkten ist. Aber klar ist auch: Hamburg bleibt der Sitz der Nordex-Zentrale.