Hamburg. ICE-Strecken bis zum Morgen gesperrt. Gabalier-Konzert abgesagt. Auftritt von Guns N'Roses unterbrochen. Polizei bestätigt zwei Tote.
Ein schweres Unwetter hat am Donnerstag mit orkanartigen Sturmböen, Gewittern, Hagel und einem Tornado über dem Norden und Osten Deutschlands gewütet. In der Nacht rechnen Meteorologen mit weiteren Unwettern. Erst in den frühen Morgenstunden werde das Unwetter voraussichtlich abklingen.
Alle Ereignisse des Tages im Überblick:
Zahlreiche Einsätze auch am späten Abend
Blitz, Donner und starker Regen führten auch am Abend zu vermehrten Einsätzen der Feuerwehr. Wegen Wassers in Kellern und umgestürzten Bäumen rückte die Einsatzkräfte allein in Hamburg 30 Mal aus. Auch in Hannover sorgte Starkregen für erhebliche Behinderungen. Die Feuerwehr in Hannover teilte am Abend mit, es gebe zahlreiche Einsätze wegen umgestürzter Bäume und vollgelaufener Keller. „Wir haben 250 Einsätze laufen und weitere 250, um die wir noch kümmern müssen“, sagte ein Feuerwehrsprecher. Im Hauptbahnhof standen Teile des Gebäudes unter Wasser. Es gab auch Wassereinbrüche in Kliniken und im Opernhaus.
Gabalier-Konzert abgesagt
Wegen des schweren Unwetters ist das Konzert von Schlagersänger Andreas Gabalier am Donnerstag auf der Trabrennbahn abgesagt worden. Nach Rücksprache mit der Polizei und Feuerwehr entschied der Veranstalter Semmel Concerts GmbH, das Konzert voraussichtlich auf den 30. August zu verlegen. „Wir wollen die Konzertbesucher nicht der Gefahr aussetzten, verletzt zu werden“, hieß es in einer Mitteilung des Veranstalters.
Gabalier unterstrich diese Entscheidung: „Ich habe mich so sehr auf meine Fans hier im Norden gefreut. Aber die Sicherheit geht in solchen Momenten einfach vor. Wir werden es voraussichtlich im August nachholen.“
In Hannover ist am Abend das Konzert von Guns N'Roses wegen eines Unwetters für mehr als eine Stunde unterbrochen worden. Die Gäste wurden in die benachbarten Messehallen gebeten, twitterte die Polizei Hannover.
Hockeyturnier unterbrochen
Das Hamburg Masters in Hummelsbüttel war von dem Unwetter ebenfalls betroffen. Am Abend musste das Viernationenturnier für Hockeyherren für etwa 70 Minuten unterbrochen werden, ehe es gegen 20.20 Uhr weiterging.
Die Unwetter haben auch die Regatten der Kieler Woche durcheinandergewirbelt. Die Mittelstrecken-Regatta um den Senatspreis nahmen nur drei Yachten in Angriff - gemeldet waren 22 Crews. Angesichts einer Gewitterfront mit bis zu 40 Knoten Wind zogen aber zahlreiche Starter zurück.
Mann wird von Baum erschlagen
Bei dem schweren Unwetter über Norddeutschland ist in der Nähe von Uelzen ein 50 Jahre alter Mann gestorben. Er wartete am Donnerstag während des Sturms in einem Auto auf einem Parkplatz in Holdenstedt, als ein Baum auf den Wagen stürzte. Seine Frau überlebte leicht verletzt, für den Mann kam jede Hilfe zu spät, sagte ein Polizeisprecher in Lüneburg. Unweit davon wurde eine Radfahrerin auf einer Hauptstraße ebenfalls von einem umstürzenden Baum getroffen und schwer verletzt.
In Niedersachsen ist noch ein zweiter Mensch ums Leben gekommen. Im Kreis Gifhorn starb eine 83 Jahre alte Frau, nachdem sie mit ihrem Auto durch das Geäst eines umgestürzten Baumes gefahren war. Der Baum müsse unmittelbar vor der Frau in Alt Isenbüttel auf die Bundesstraße 244 gekippt sein, teilte die Polizei am Abend mit. Die gesamte Dachpartie des Autos sei eingedrückt worden, der Wagen kam aber erst später zum Stehen.
Verwüstungen und tote Tiere in Harburg
Im Landkreis Harburg hat ein Tornado nach Angaben der Feuerwehr große Verwüstung hinterlassen. Verletzte habe es aber nach bisherigem Stand nicht gegeben, sagte Feuerwehrsprecher Matthias Köhlbrandt. Dächer seien abgedeckt worden, Bäume umgeknickt.
In der Gemeinde Fliegenberg sei eine Schafherde mit 20 bis 30 Tieren unter umgestürzten Bäumen begraben worden, zahlreiche Tiere seien verendet. „Die Spuren sprechen ein deutliches Bild hier. Das war ein Tornado-Ereignis“, sagte der Feuerwehrmann. Die Helfer seien zu 250 Einsätzen ausgerückt.
Umgestürzte Bäume legen S-Bahn lahm
In Hamburg wurde der S-Bahn-Verkehr stark beeinträchtigt. Zwischen Blankenese und Othmarschen war die S-Bahn-Linie S1 betroffen. Am späten Abend wurde der Betrieb wieder aufgenommen. Zwischen Neugraben und Stade verkehrt ein Ersatzverkehr. Die S3 bleibe dort noch bis Betriebsschluss unterbrochen, teilte die Bahn mit.
Am späten Abend war auch die U1 zwischen Schmalenbach und Großhansdorf weiter unterbrochen. Die Sperrung soll erst am Freitagmorgen wieder aufgehoben werden.
Fast alle ICE-Strecken im Norden betroffen
Auch für viele Bahnreisende ging nichts mehr: Bei der Deutschen Bahn wurden durch umgestürzte Bäume zeitweise zahlreiche ICE-Strecken im Norden lahmgelegt. Am Abend teilte die Bahn mit, dass der Zugverkehr zwischen Hamburg-Lübeck/Westerland und Hamburg-Hannover/Bremen eingestellt sei. Die Beseitigung der Schäden werde voraussichtlich bis in die Morgenstunden andauern, teilte die Bahn mit. Immerhin: Die Strecke Hamburg-Berlin wurde inzwischen wieder freigegeben.
Am Hamburger Hauptbahnhof kam es zu chaotischen Szenen. Zahlreiche Reisende saßen fest, vor den Schaltern bildeten sich lange Warteschlangen. Die Bahn will nun in den Bahnhöfen von Hamburg, Bremen, Hannover und Kassel leere Eisenbahnwaggons zur Verfügung stellen, in denen gestrandete Reisende die Nacht verbringen können. Alle Tickets könnten auch am Freitag ohne weitere Bescheinigung genutzt werden.
"Wir wollten in Hamburg eigentlich nur umsteigen, waren auf dem Weg zum Hurricane Festival", sagt Daniel Schulz (26) aus Berlin. "Das Ganze ist sehr ärgerlich, da heute Abend bereits die ersten Bands spielen. Ich hoffe, dass es morgen früh weiter geht. Solange machen wir es uns hier erstmal gemütlich – so gut das eben geht."
Auch am Bremer Hauptbahnhof strandeten nach Angaben der Feuerwehr rund 600 Reisende, darunter vier Schulklassen aus Hamburg.
Das regionale Bahnunternehmen Metronom teilte mit, durch umgestürzte Bäume seien Strecken kaum oder nur mit großen Einschränkungen zu befahren. Die Strecken Uelzen-Lüneburg, Hamburg-Buchholz-Scheeßel und Hamburg-Cuxhaven bleiben nach Auskunft der Unternehmens noch bis Betriebsschluss (3 Uhr) gesperrt. Ein Ersatzverkehr mit Bussen sei derzeit nicht möglich. Auch auf den beiden Strecken Lüneburg-Hamburg und Bremen-Scheeßel komme es zu erheblichen Einschränkungen.
Mehr als 200 Einsätze der Feuerwehr
Insgesamt musste die Feuerwehr Hamburg bereits am Nachmittag unwetterbedingt mehr als 200-mal ausrücken. "Wir mussten vor allem helfen, abgeknickte große Äste und umgestürzte Bäume zu entfernen", sagte Feuerwehrsprecher Jan Ole Unger dem Abendblatt. Insgesamt gab es mehr als 170 umgestürzte Bäume und abgebrochene Äste. "In Spitzenzeiten wurde der Notruf 112 über 300-mal in der Stunde gewählt", teilte die Feuerwehr mit.
Im Hamburger Westen seien gleich mehrere große Äste auf S-Bahn-Gleise gefallen. "Dadurch stand der S-Bahn-Verkehr zeitweise still." Die Feuerwehr hatte sich rechtzeitig auf das Unwetter vorbereitet und frühzeitig das Personal in der Rettungsleitstelle verstärkt. Unger: "Um den Notrufen gerecht zu werden." Neben der Berufsfeuerwehr waren auch viele freiwillige Feuerwehren im Einsatz.
Behinderungen auf Autobahnen A1 und A7
In Bahrenfeld wurde die Von-Sauer-Straße, ein Zubringer zur Autobahn A7, durch einen umgekrachten Baum blockiert. Auf der A7 zwischen Hamburg und Hannover warnte die Verkehrsmanagementzentrale Niedersachsen vor Gefahr durch umgestürzte Bäume. Betroffen war der Abschnitt zwischen Evendorf und Bispingen.
Ein umgestürzter Baum bremste auch den Verkehr auf der A1 zwischen Hamburg und Bremen aus. Zwischen Rade und Hollenstedt fiel ein Baum auf den Standstreifen.
Lange Flugpause in Fuhlsbüttel
Auch auf den Airport Hamburg wirkte sich das Unwetter aus. Zwischen 11.30 und 12.10 Uhr konnten die Flugzeuge in Fuhlsbüttel bis auf wenige Ausnahmen weder starten noch landen. Grund: Die Arbeiten auf dem Vorfeld mussten eingestellt werden. "Das ist beim Gewitter zu gefährlich“, sagte eine Flughafensprecherin.
Die Passagiere, die kurz zuvor gelandet waren, durften die Flugzeuge nicht verlassen, auch dies sähen die Sicherheitsvorschriften vor. Die Gefahr eines Blitzeinschlags sei zu hoch gewesen. Ein Flug wurde gestrichen, gut 50 Maschinen verspäteten sich.
Mini-Tornado in Hamburg
In Hamburg gab es am Donnerstagvormittag nach DWD-Angaben sogar einen Tornado. Wetterbeobachter der Luftfahrtberatungszentrale hätten den typischen "Luftschlauch" um 11.37 Uhr etwa zehn Kilometer vom Flughafen entfernt gesichtet, sagte der DWD-Tornadobeauftragte Andreas Friedrich.
Es habe sich allerdings um einen schwachen und nur kurzlebigen Tornado gehandelt, der zudem lediglich drei bis vier Minuten und damit nur kurz „Bodenkontakt“ hatte – daher seien die Auswirkungen wohl nur gering. Die Feuerwehr Hamburg schrieb auf Twitter, man habe keine Erkenntnisse über einen Tornado.
Bundesstraße wegen Hausbrand gesperrt
Am Vormittag krachte es bereits kräftig in Cuxhaven, Brunsbüttel und Umgebung. In Nindorf nahe Heide (Kreis Dithmarschen) setzte ein Blitzeinschlag ein Einfamilienhaus in Brand. Große Teile des Gebäudes wurden zerstört. Nach Angaben der Polizeidirektion Itzehoe musste die Bundesstraße 431 wegen der Löscharbeiten zeitweise gesperrt werden.
Appell an Besucher des Hurricane-Festivals
Ein paar Kilometer weiter wurden die Besucher des Hurricane-Festivals in Scheeßel bei ihrer Anreise ebenfalls vor Unwetter gewarnt. "Bitte begebt euch umgehend in eure Autos zurück", twitterten die Veranstalter des Musikevents, das von Freitag bis Sonntag über die Bühne gehen soll.
Autofahrer wurden außerdem gebeten, Bahnreisende mit aufzunehmen. Diese kamen größtenteils allerdings ohnehin nicht so an wie geplant – unter anderem wurden Metronom-Züge nach Scheeßel aus Hamburg wegen des Unwetters gestrichen. Die Hurricane-Organisatoren appellierten an die Camper, möglichst erst am Freitag anzureisen.
Regen lässt Waldbrandgefahr sinken
Positiver Effekt der Gewitter: Auch wegen der schweren Regenfälle hat der DWD für Freitag und das Wochenende eine erheblich geringere Waldbrandgefahr vorhergesagt. Zunächst hatte das heiße Sommerwetter die Gefahr von Waldbränden in Niedersachsen am Donnerstag weiter steigen lassen.
So wurde in mehreren Orten noch die höchste Warnstufe 5 des Deutschen Wetterdienstes (DWD) erreicht. Betroffen waren Nienburg, Löningen, Friesoythe, Großenkneten, Alfhausen und Belm. Für einen Großteil der anderen Stationen in Niedersachsen zeigte der Waldbrand-Gefahrenindex die zweithöchste Stufe 4 an.
Trübe Aussichten zum Wochenende
In der Nacht zum Freitag sollen die Gewitter vom Westen her nachlassen. Bis zum Wochenende soll der Wind nur noch schwach bis mäßig wehen, an der See frisch und böig.
Schönes Sommerwetter ist leider dennoch nicht in Sicht. „Der Freitag bleibt stark bewölkt mit bis zu 22 Grad“, sagt Peter Schwarz. Erst am Nachmittag zeigt sich die Sonne mal am Himmel.
Der Sonnabend wird vor allem eines: regnerisch. Zahlreiche Schauer und Temperaturen unter 20 Grad vermiesen allen Sommerliebhabern den Start ins Wochenende. Kleiner Trost: Am Sonntag lassen die Schauer etwas nach und die Sonne kommt häufiger zum Vorschein.