Hamburg. Innensenator zum Streit über die Verbotszone: Es müsse ein breiter Korridor zwischen Innenstadt und Flughafen freigehalten werden.
Die Behörde hat alles auf 66 Seiten haargenau aufgeschrieben, weil sie den Sturm kommen sieht. Er rechne mit Gerichtsklagen bis hin zum Bundesverfassungsgericht, sagt Innensenator Andy Grote (SPD). Das großflächige Demonstrationsverbot zum G20-Gipfel empört nicht nur die Anmelder von Protestmärschen – die Entscheidung war auch in der rot-grünen Koalition über Monate umkämpft.
Letztlich habe die Lageeinschätzung vor dem Gipfel keine andere Möglichkeit ergeben, sagt Grote: Es müsse ein breiter Korridor zwischen Innenstadt und Flughafen komplett freigehalten werden, da allein 42 Personen mit hohen und höchsten Gefährdungsstufen beschützt werden müssen, darunter US-Präsident Donald Trump.
Vielzahl von sicheren Routen nötig
Man müsse aus einer Vielzahl von sicheren Routen für die Staatsgäste spontan wählen können. „Ich kann den Gipfel sonst nicht sicher durchführen“, sagt Grote. In der Praxis wird eine Kolonne vom Flughafen bis zur Innenstadt gut zehn Minuten unterwegs sein. Ohne ein Verbot müssten die friedfertigen und gewaltbereiten Demonstranten bei einer spontanen Aktion sehr schnell unterschieden werden, so die Argumentation.
In der Realität sei das unmöglich. Wenn eine Kolonne zu einem Stopp gezwungen würde, könnte die Situation eskalieren. Wegen der Protokollstrecken ist auch das geplante G20-Protestcamp im Stadtpark für Grote unvorstellbar. Er kündigte an, die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichts anzufechten, die das Camp als politische Versammlung eingestuft hatte.
Kritik von der linken Szene
Das linke Bündnis „Grenzenlose Solidarität statt G20“ kündigte seinerseits Klage gegen die Verfügung Grotes an. „Juristisch ist diese Aushebelung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit haltlos“, sagte der Sprecher Yavuz Fersoglu. Während CDU und AfD in der Bürgerschaft die Entscheidung als nachvollziehbar lobten, bezeichnete die Innenexpertin der Linkspartei, Christiane Schneider, Grote als „überfordert“ – der Senator wisse sich nur mit einem Ausnahmezustand zu helfen.
Bis zuletzt hatten Vertreter der Polizei abgestritten, dass eine „blaue Zone“ während des Gipfels geplant sei, in denen das Versammlungsrecht ausgehebelt werde – aber zeitgleich betont, dass die Protokollstrecken abgesichert bleiben müssen. Christiane Schneider und weitere Vertreter der linken Szene werfen nun Justizsenator Till Steffen (Grüne) einen Wortbruch vor: Er hatte im April betont, der Senat sei „einig“ darin, keine Verbotszone auszuweisen.
Neues Video von linksextremen G20-Gegnern
Nach Abendblatt-Informationen wurde zum Zeitpunkt dieser Äußerung bereits an dem Dokument zur Verbotsverfügung gearbeitet. „Steffen war offenbar nicht eingeweiht“, heißt es in Polizeikreisen. Vertreter der Grünen versicherten, dass man eine noch größere Verbotszone verhindert habe. Die jetzige Verfügung sei „nachvollziehbar, aber bitter“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Antje Möller.
Unterdessen hat ein neues Video von linksextremen G20-Gegnern den Verfassungsschutz alarmiert. Die Symbole darin zeigen auch einen Schulterschluss der Gruppe „Roter Aufbau Hamburg“ mit anderen anarchistischen Gruppen. Die Polizei kündigte am Freitag an, vor allem auf den Protokollstrecken „sehr, sehr stark“ präsent zu sein – auch mit Spezialeinheiten.