Hamburg. Der Markt der Billigflieger kommt in Bewegung. Damit sind auch Chancen für Fuhlsbüttel verbunden – sogar auf der Langstrecke.
Die Ankündigung kam aus heiterem Himmel. Dass der britische Billigflieger EasyJet im Frühjahr 2018 seine Basis in Hamburg schließen und die drei dort stationierten Airbus-Maschinen abziehen wird, hat selbst Branchenkenner wie Gerd Pontius überrascht: „Ein solcher Schritt passt nicht zusammen mit der bisher offensiven Deutschland-Strategie von EasyJet“, sagt der Chef der auf die Luftfahrtbranche spezialisierten Hamburger Unternehmensberatung Prologis.
Noch im Dezember hatte Thomas Haagensen, Geschäftsführer von EasyJet Deutschland, für diesen Markt eine eher überdurchschnittliche Ausweitung des Angebots im aktuellen Geschäftsjahr bis September 2017 in Aussicht gestellt. „Für uns ist es am wichtigsten, dass wir in Berlin und Hamburg mehr investieren und dass wir dort Nummer eins oder Nummer zwei sind“, hatte Haagensen der Nachrichtenagentur Reuters gesagt. Schließlich liege der Marktanteil in Deutschland erst bei vier Prozent, in der Schweiz hingegen seien es 24 Prozent und in den Niederlanden zehn Prozent.
Griechenland-Strecken werden wohl übernommen
Während in diesem Jahr rund 1,5 Millionen Passagiere mit EasyJet von und nach Hamburg fliegen, werden es nach Angaben des Unternehmens 2018 nur noch gut eine halbe Million sein. Allerdings stehen nicht nur nach Einschätzung von Flughafenchef Michael Eggenschwiler die Chancen gut, dass andere Airlines die von den Briten künftig nicht mehr angebotenen Strecken bedienen. „Routen wie etwa die nach Athen oder Thessaloniki sind attraktiv, da werden sich ganz schnell Fluggesellschaften finden, die solche Strecken übernehmen“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg.
Auch ihn hat die Ankündigung von EasyJet überrascht. Denn gerade vor dem Hintergrund des „Brexit“ müsse sich das Unternehmen stärker in Richtung Kontinentaleuropa orientieren – „und da ist Deutschland der interessanteste Markt“, so Schellenberg.
Easyjet mit überraschender Argumentation
Haagensen hatte den Rückzug aus Hamburg damit begründet, EasyJet wolle sich auf Flughäfen konzentrieren, an denen man bereits eine führende Position einnehme. Das gelte etwa für Berlin-Schönefeld, wo zwölf Jets stationiert sind. „In Hamburg sind wir leider nur die Nummer vier“, hatte Haagensen dem Abendblatt gesagt.
Den Branchenexperten Schellenberg erstaunt diese Argumentation: „EasyJet setzt schon seit langer Zeit auf Metropolflughäfen, und dort stößt man eben auf starken Wettbewerb.“ Doch habe das britische Unternehmen, so vermutet Pontius, womöglich nicht damit gerechnet, dass die Sitzplatzkapazitäten der kriselnden Air Berlin weitgehend am Markt bestehen bleiben, wenn auch teils unter anderer Flagge: Die Lufthansa-Billigtochter Eurowings mietet 38 der 144 Flugzeuge von Air Berlin und beschleunigt damit das Wachstum kräftig – auch in Hamburg. „Die Macht, mit der die Lufthansa in Eurowings investiert, ist als Botschaft angekommen“, sagt Pontius.
Der Markt der Airlines ist in Bewegung
Doch selbst eine Komplettübernahme von Air Berlin durch den Kranich-Konzern wird am Markt nicht mehr ausgeschlossen, zumal die Berliner bei ihren Sanierungsanstrengungen gerade einen herben Rückschlag erlitten haben: Die Verhandlungen über eine Abspaltung des Ferienfluggeschäfts mit der zur Air-Berlin-Gruppe gehörenden österreichischen Airline Niki in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Reisekonzern Tui sind am Donnerstag gescheitert. Unmittelbar darauf wurde bekannt, dass Air Berlin bei den Ländern Berlin und Nordrhein-Westfalen eine „Anfrage auf Prüfung eines Bürgschaftsantrages“ eingereicht hat.
Für Hamburg hat das unmittelbar wenig Bedeutung, denn die angeschlagene Fluggesellschaft ist hier auf eigene Rechnung ohnehin nur noch mit zwei Routen – nach Düsseldorf und nach München – präsent.
Zu der Rückzugsentscheidung von EasyJet dürfte aber auch das Vordringen des Erzrivalen Ryanair beigetragen haben: Im November eröffneten die Iren in Hamburg eine Basis mit zunächst zwei hier stationierten Flugzeugen. Für 2017 plant Ryanair in Fuhlsbüttel mit 1,7 Millionen Passagieren.
Billig-Flieger knüpfen Allianzen
„EasyJet fürchtet offenbar, in diesem Wettbewerbsumfeld den Kürzeren zu ziehen“, sagt Pontius. Nach seiner Einschätzung ist der Billigflugsektor derzeit im Umbruch begriffen: Die Günstig-Airlines haben immer häufiger auch große, zentrale Flughäfen im Programm, sie bieten aktiv Umsteigeverbindungen an und sie knüpfen Allianzen mit anderen Fluggesellschaften, sogar mit Konkurrenten.
Letzteres könnte für Hamburg interessant werden, erklärt Pontius: Der Billigflieger Norwegian, der seit einiger Zeit Transatlantik-Routen unter anderem von Oslo, Kopenhagen und Stockholm aus bedient, verhandelt mit Ryanair über Zubringerflüge dorthin. Auch Eurowings ist in das Geschäft mit Günstig-Langstrecken eingestiegen, Startort ist zunächst ausschließlich Köln-Bonn.
Doch eine neue Generation von kleinen, besonders sparsamen Jets mit großer Reichweite wie dem A321LR von Airbus biete noch ganz andere Perspektiven für den Hamburger Flughafen, sagt Pontius: „Damit könnten direkte Langstreckenrouten, die sich hier bisher nicht gerechnet haben, künftig eben doch rentabel werden.“