Hamburg. Drei Wochen vor dem G20-Treffen der Staatschefs tagen viele Nichtregierungsorganisationen in Hamburg.

Wenn tiefgefrorene Hähnchenschenkel aus Holland in Ghana billiger verkauft werden als frisches Fleisch aus heimischer Züchtung – und wenn auch viele Milchproduzenten und Tomatenanbauer in ­afrikanischen Ländern im Wettbewerb mit importierten und subventionierten Produkten aus der EU das Nachsehen haben und nicht mehr von ihrer Arbeit leben können, dann läuft etwas gewaltig schief, findet Jürgen Maier. „Wir fordern, die Globalisierung sozial und nachhaltig zu gestalten. Es gibt im internationalen Handel zu viele Verlierer“, sagt der Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung in Berlin.

Die Einrichtung koordiniert die Aktivitäten von 40 deutschen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Und sie organisiert gemeinsam mit dem Verband VENRO das sogenannte Civil20-Treffen am 18. und 19. Juni an der HafenCity Universität in Hamburg – drei Wochen vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der 19 führenden Industrie- und Schwellenländer und der EU (G20) in Hamburg.

Die Chefin kommt selbst

Der G20-Gipfel gilt etlichen Kritikern als ein Treffen der Mächtigen, die sich kaum für Meinungen der Bevölkerung interessieren und die Bürger nicht einbinden. Die Bundesregierung ist da anderer Meinung: Es gebe bereits einen „sehr umfassenden G20-Dialog mit der Zivilgesellschaft“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert kürzlich – und verwies dabei auch auf das von der Bundesregierung finanzierte Civil20-Treffen.

Eine Debatte während des C20-Treffens
2015 im türkischen Antalya
Eine Debatte während des C20-Treffens 2015 im türkischen Antalya © picture alliance

Die Civil20 (C20) sind ein Zusammenschluss nationaler und internationaler zivilgesellschaftlicher Organisationen, die nicht nur aus den G20-Ländern kommen. Ihre Vertreter treffen sich seit 2009 jährlich, um die Arbeit der G20 „inhaltlich reflektierend zu begleiten und der internationalen Zivilgesellschaft zu global relevanten Themen eine gemeinsame Stimme zu verleihen“, wie es auf ihrer Internetseite heißt.

Ihre gemeinsamen Positionen präsentieren sie jeweils zum Abschluss ihrer Treffen kurz vor einem G20-Gipfel, so auch in diesem Jahr. Um diese Erklärung in Hamburg entgegenzunehmen, schickt die Bundesregierung nicht irgendwen – vielmehr kommt die Chefin selbst: Laut Tagungsplan soll Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 19. Juni nachmittags auch eine Rede halten und an einer Podiumsdiskussion zur Gestaltung der Globalisierung teilnehmen. Diese Debatte, vorgesehen zwischen 15.50 und 17 Uhr, soll live auf der offiziellen G20-Internetseite der Bundesregierung übertragen werden (www.g20.org).

Ist die Beteiligung nur ein Feigenblatt?

Schon am 18. Juni wird Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) die etwa 400 C20-Teilnehmer im Rathaus empfangen, unter ihnen 75 Gäste aus dem Ausland und Vertreter etwa der Naturschutzorgani­sa­tion WWF und des Kinderhilfswerks Plan International. Auch wer nicht Mitglied in einer NGO ist, konnte sich als Teilnehmer für das C20-Treffen anmelden. Nun ist die Registrierung allerdings abgeschlossen.

Bringt das C20-Treffen etwas, oder ist es eine Show-Veranstaltung, mit der die Bundesregierung suggeriere, sie höre der Zivilgesellschaft zu, obwohl viele Entscheidungen schon im Vorfeld des G20-Gipfels gefallen seien, wie es ein Sprecher des Hilfswerks World Vision darstellte?

Jürgen Maier, C20-Organisator
Jürgen Maier, C20-Organisator © Jürgen Maier

C20-Organisator Jürgen Maier setzt auf den Druck durch die Öffentlichkeit. „Wir führen diese Veranstaltung natürlich nicht in der naiven Annahme durch, dass die Bundeskanzlerin hinterher erstaunt verkündet: „Oh, das wusste ich alles nicht, aber wir machen es jetzt genau so wie von den C20 vorgeschlagen“, sagt Maier. „Aber die Bürger können sich zum Beispiel durch die Live-Übertragung der Podiumsdiskussion ein Bild von den unterschiedlichen Positionen machen. Und hinterher sagen die Zuschauer hoffentlich: Die NGOs haben mich mehr überzeugt als die Bundesregierung.“

Nicht live übertragen werden zwar Debatten in acht Workshops, in denen es etwa um die Regulierung der Finanzmärkte geht, den Klimawandel und die Stärkung von Frauen und Mädchen. Gleichwohl sollen die Ergebnisse dokumentiert werden.

Die Empfehlungen der C20 an die G20 lassen sich im Internet nachlesen (Englisch) unter www.civil-20.org