Die Trump-Welt braucht dringend einen Gegenentwurf.

Als die Freie und Hansestadt Hamburg vor zwei Jahren einwilligte, G20-Gastgeber in 2017 zu werden, mag sie sich der Größe des Gipfels bewusst gewesen sein. Dass er aber solche Dimensionen annehmen würde, damit konnte nicht einmal der in internationalen Fragen versierte Bürgermeister Olaf Scholz rechnen. Wenn in knapp vier Wochen die Staats- und Regierungschefs der 20 größten und/oder wichtigsten Länder zusammenkommen, wird es so spannend wie lange nicht. Was, Sie ahnen es, vor allem am US-Präsidenten liegt.

Nach Donald Trumps bemerkenswerten Auftritten auf seiner ersten Auslandsreise und der Kündigung des Pariser Klimavertrages dürfte insbesondere den Europäern daran gelegen sein, Selbstbewusstsein zu demonstrieren. Man hat Trump im Kreis der Nato und der G7 freundlich, vielleicht zu freundlich, empfangen und dafür Bilder erhalten, die den Rest der Welt neben dem Präsidenten wie Schulkinder aussehen lassen. Das darf sich, das wird sich in Hamburg nicht wiederholen, dafür sorgt allein Angela Merkel. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei“, hat die Kanzlerin gesagt und damit die Richtung vorgegeben.

Lars Haider ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.
Lars Haider ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts. © Andreas Laible

„Die anderen“, das ist vor allem Trump. Der wird beim G20-Gipfel zwar erneut höflich willkommen geheißen werden. Aber aufschauen dürften die Europäer zum US-Präsidenten nicht mehr. Trumps Distanz zu den bisherigen Verbündeten schafft Raum für andere, für neue Konstellationen. Zu sehen, wer mit wem wie lange spricht, wird die G20-Tage so interessant machen. Wie positionieren sich die Chinesen in der fragilen Weltordnung, wie die Russen? Wer versteht sich mit wem, wer lacht mit wem? In Hamburg wird wie selten zuvor diplomatisches Geschick gefragt sein, also etwas, das Donald Trump überhaupt nicht hat. Der US-Delegation dürfte ein nervenaufreibender Gipfel bevorstehen, weil sie nie genau weiß, was ihr Präsident als nächstes tut: Wird er die Saudis und Erdogan herzen und Merkel kühl abblitzen lassen? Wie wird er sich mit Wladimir Putin verstehen? Bilder einer beginnenden – oder schon begonnenen? – Männerfreundschaft wären angesichts der möglichen Verstrickungen der Russen in den US-Wahlkampf fatal. Das Gegenteil aber auch.

Diesmal werden sich die anderen Staats- und Regierungschefs nicht so einfach zur Seite schieben lassen, weder im tatsächlichen noch im übertragenen Wortsinne. Der Vorteil der Bundeskanzlerin ist, dass sie als G20-Gastgeberin ein Heimspiel hat, übrigens in ihrer Geburtsstadt. Sie bestimmt den Ablauf, sie bestimmt die Sitzordnungen: Alle hören auf Merkels Kommando, was angesichts der Themen und der Lage in der Welt nicht das Schlechteste ist. G20 kann ihr Meisterstück werden, wenn es ihr gelingt, Europa und die EU als Inbegriff einer freien, demokratischen Welt zu inszenieren – die auf Werten basiert, die eben nicht verhandelbar sind, weder mit den Russen noch mit den Türken und auch nicht mit den Amerikanern.

Dass am Ende des G20-Gipfels eine gemeinsame Erklärung stehen wird, die den großen Problemen der Welt gerecht werden kann, muss bezweifelt werden. Und trotzdem ist es wichtig und richtig, dass sich die Mächtigen dieser Welt treffen, gerade in einer weltoffenen und freien Stadt wie Hamburg. Sie müssen miteinander statt übereinander sprechen, sie müssen sich besser kennenlernen und verstehen, was der andere wirklich will. Um dann, beim nächsten Gipfel, auf dieser Grundlage wieder zur reinen Sachpolitik zurückkehren zu können. Ob mit Trump – oder ohne.