Haifa/Hamburg. Die Hamburgerin wurde von der Universität Haifa ausgezeichnet. Sie zeigte sich tief gerührt, äußerte sich aber auch politisch.

Es mutet schon fast befremdlich an, wenn eine kleine, aber energische Hamburgerin plötzlich in einer Reihe genannt wird mit Johannes Rau, Tony Blair, Vaclav Havel und Joschka Fischer. Alles Männer mit Durchsetzungskraft, politische Alphatiere, die eins eint: ein klares Bekenntnis zum Judenstaat, zu Israel. Der frühere Bundespräsident Rau war der erste Deutsche, der vor gut 30 Jahren die Ehrendoktorwürde der Universität Haifa erhielt. Nun wird Sonja Lahnstein-Kandel (67) diese Auszeichnung zuteil.

Die Volkswirtin stand am Dienstag in der nordisraelischen Hochschule neben so illustren neuen Ehrendoktoren wie dem früheren US-Botschafter in Israel, Daniel B. Shapiro, dem Präsidenten des Weltwirtschaftsforums, Prof. Klaus Martin Schwab, und der israelischen Nationalheldin Keren Or Leibovitch (Paralympics-Siegerin). Lahnstein-Kandel war auch deshalb „überglücklich und tief gerührt“, weil sich der weltbekannte Schriftsteller Amos Oz zur Doktorfeier angesagt hatte.

Lahnstein-Kandel eine "wahre Freundin Israels"

Ausgezeichnet wurde die Hamburgerin, die seit Jahren den deutschen Förderkreis der Uni Haifa leitet, für „unermüdlichen Einsatz für Toleranz, interkulturelle Verständigung und Minderheiten in Deutschland und in Israel. Sie ist eine angesehene Förderin der deutsch-israelischen Beziehungen und eine wahre Freundin Israels, wo Sie aktiv für die Koexistenz von Juden und Arabern eintritt.“ Und weil sich die Uni Haifa nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Verständigung von Israelis und Palästinensern verpflichtet sieht, wurden die von Lahnstein-Kandel angeregten Programme zur Verständigung und Frauenförderung (Jewish-Arab Community Leadership und Arab Women Graduate Program) besonders hervorgehoben.

Sonja Lahnstein-Kandel mit ihrem Mann Prof. Dr. Manfred Lahnstein
Sonja Lahnstein-Kandel mit ihrem Mann Prof. Dr. Manfred Lahnstein © Andreas Laible | Andreas Laible

Lahnstein-Kandel bezeichnet sich selbst als jüdische und zugewanderte Deutsche. Ihre Familie stammt ursprünglich aus Kroatien. Nach ihrem Studium arbeitete sie unter anderem beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in den USA. In Hamburg gründete sie Step 21, eine Stiftung für Toleranz. Die Universität Haifa ist für sie ein Ort, an dem „das gemeinsame Lernen von Juden, Muslimen, Drusen und Christen weitestgehend konfliktfrei stattfindet“.

Kritik an Sigmar Gabriels Israel-Besuch

Und im Gespräch mit dem Abendblatt machte sie klar, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel auch schon besser waren. Das liege leider auch am misslungenen Israel-Besuch von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Gabriel sei einen Tag nach dem Holocaust-Gedenken in Jerusalem „als Erzieher mit einem moralischen Zeigefinger“ aufgetreten. Lahnstein-Kandel sagte, das sei nicht passend gewesen. „Ich kann mich nicht an ähnliche Auftritte von ihm in China, Russland, Iran oder Saudi Arabien erinnern, die Gott weiß keine Demokratien sind wie Israel.“ Sie teile die Kritik an der israelischen Siedlungspolitik. Deutschlands Chef-Diplomat habe sich aber einfach nicht diplomatisch verhalten.

Trotz der viel belächelten Reise von US-Präsident Donald Trump in den Nahen Osten sieht sie „in jedem Neuanfang eine Chance“. Barack Obama sei mit vielen klugen Beratern gescheitert. „Ich habe den Glauben an eine neue Initiative nie verloren, auch wenn es oft aussichtslos scheint. Die Mehrheit der Israelis will Frieden – das zeigen immer noch alle Umfragen –, aber die Sicherheit für ihre Kinder soll dabei nicht auf der Strecke bleiben.“

Ein neuer Antisemitismus

Der seit Jahrzehnten schwelende und immer wieder aufflammende Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hat auch in Deutschland für neue Verhältnisse gesorgt. Lahnstein-Kandel sieht bei jungen Muslimen eine antisemitische Haltung. „Es ist eine neue oder weitere Form des Antisemitismus, die es genauso zu bekämpfen gilt wie die anderen auch. Die jungen Muslime – und es ist eine Minderheit – kommen mit vorgefassten Vorurteilen zu uns. Dies gilt es sehr nachdrücklich mit Aufklärung, klaren Standpunkten und Integration zu bekämpfen.“