Hamburg/Haifa. Model United Nations: Spannnender Dialog mit Studierenden der Universität Haifa. Für Deutschland hatten sie eine besondere Botschaft.
Wer niemals in Israel war, verbindet das Leben dort mit ständig präsenter Angst vor Terror und Tod. „Es ist eine Stereotype, dass wir aufgesaugt werden vom israelisch-palästinensischen Konflikt“, sagt Daniel Torban. „Natürlich sind wir davon betroffen, aber es gibt keine permanente Beeinträchtigung unseres alltäglichen Lebens“, so der 25 Jahre alte Student der Universität Haifa. „Ja“, sagt seine Kommilitonin Mor Beer. „In Tel Aviv und Jerusalem muss ich in Gebäuden wissen, wo die Ausgänge sind, damit ich schnell rauskomme, wenn etwas passiert. Und ich fühle mich sicherer, wenn ich bewaffnete Soldaten auf den Straßen sehe. Aber ich habe nicht ständig Angst. Das ist eben unser Alltag.“
Daniel Torban und Mor Beer sind zwei von acht jüdischen und arabischen Studierenden der Universität Haifa, die zurzeit in Hamburg zu Gast sind. 18.000 junge Menschen lernen an dieser Hochschule in Haifa. Die Universität gilt als eine der liberalsten in ganz Israel und ist ein Symbol für Toleranz im Nahen Osten. „In Hafia sitzen Araber und Juden tagtäglich an einem Tisch. Das gemeinsame Lernen von Juden, Muslimen, Drusen und Christen findet hier weitgehend konfliktfrei statt“, sagt Sonja Lahnstein-Kandel, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Förderkreises und Vizepräsidentin des Board of Governors der Universität Haifa. „Die Verständigung zwischen Arabern und Juden wird mit einem Besuch in Hamburg auf eine weitere Ebene gehoben.“
Derzeit nehmen die acht jungen Leute an der Konferenz „Hamburg Model United Nations“ – kurz HamMUN – an der Universität Hamburg teil. Dort spielen sie Konferenzen der Vereinten Nationen nach, ein Rollenspiel der hohen Diplomatie. Die Studenten mimen Politiker, Diplomaten, sogar Dikatoren.
Juan Najjar ist 25 Jahre alt und kommt aus Nazareth Stadt. Sie hat bei Model United Nations schon mal die Rolle eines Verhandlungsführers eines mexikanischen Drogenkartells übernommen. Das bedeutet: Sie muss die Position der Drogenbosse einnehmen, ihre Interessen genau kennen. „Die Recherche, um so eine Rolle spielen zu können, bedeutet sehr viel Arbeit“, sagt sie.
Arbeit, die sich lohnt: „Unser Wissen über die Weltpolitik kommt nicht nur aus den Büchern. Wir erleben fast so etwas wie reale Politik“, sagt Daniel Torban. „Wir lernen enorm viel“, sagt Mor Beer. Sie hat Politikwissenschaften und Ost-Asien-Wissenschaften in Haifa studiert. „Das klingt jetzt sehr flach", sagt sie. "Aber Wissen ist Macht. Je mehr wir über Politik lernen, desto besser verstehen wir die Welt. Desto größer die Macht, die Welt zum Besseren zu verändern.“
„Die Studenten nehmen aber nicht nur an der Konferenz teil“, sagt Sonja Lahnstein-Kandel. Sie verbringen viel Zeit miteinander und erkunden gemeinsam Hamburg. Dazu zählte auch der Besuch des Hamburger Abendblatts, bei dem sie sich über die Arbeit in der Redaktion informierten und sich den Fragen von Journalisten stellten.
Gegründet wurde der Fördererkreis der Universität Haifa e.V. vor 40 Jahren vom Bankier Eric Warburg, dessen Sohn, Max Warburg, auch Schatzmeister des gemeinnützigen Vereins ist. Sonja Lahnstein-Kandel sitzt dem Verein vor. Die Mitglieder unterstützen die interkulturellen Bemühungen der Universität und fördern mit der Universität erfolgreiche arabisch-jüdische Stipendienprogramme. Viele Prominente engagieren sich hier, darunter in der Vergangenheit die Schauspielerin Iris Berben, der amtierende Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie der Außenminister a. D. Joschka Fischer.
Noch bis Sonntag sind die Studenten zu Gast in Hamburg. In einem Deutschland, das nach den Terroranschlägen von Paris und einer konkreten Terrorwarnung im eigenen Land ansatzweise den Alltag in Tel Aviv und Jerusalem nachvollziehen kann. Doch die Studenten haben für ihre Gastgeber eine sehr positive Botschaft mitgebracht. Sie sagen unisono: „Wie Deutschland mit den Flüchtlingen umgeht – das ist vorbildlich für ganz Europa.“