Hamburg. Eine neue Erhebung zeigt, dass die Mietpreisbremse nach wie vor nicht greift. Mieterverein geht von zehn Millionen Euro Mietwucher aus.

Mieter in Hamburg zahlen nach einem Wohnungswechsel durchschnittlich 221 Euro zu viel im Monat für ihre neue Bleibe. Das geht aus einer Untersuchung von insgesamt 10.000 Wohnungen hervor, die das Online-Portal wenigermiete.de nun veröffentlich hat. Demnach verstoßen deutschlandweit nach wie vor insgesamt zwei Drittel aller Neuvermietungen gegen die seit 2015 geltende Mietpreisbremse.

In den sechs erfassten deutschen Großstädten wurden mehr als 7200 mutmaßliche Verstöße erfasst. Allein in Berlin seien 2800 Mieter betroffen, in Hamburg, München, Köln, Düsseldorf und Stuttgart würden ebenfalls Tausende Mieter mehr als gesetzlich zulässig zahlen. Die Mietpreisbremse besagt, dass Mieten bei Neuvermietungen nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen.

In München sind Verstöße am häufigsten

Den höchsten Anteil mutmaßlicher Verstöße verzeichnen laut Erhebung München und Köln mit 77 Prozent, in Hamburg betrage der Anteil 66 Prozent. Finanziell gebeutelt sind demnach Mieter in München, wo im Schnitt 239 Euro zu viel im Monat berechnet werden. Dann folgen Stuttgart (238 Euro), Berlin (224 Euro), Hamburg (221 Euro), Köln (210 Euro) und Düsseldorf (171 Euro).

Für Portalbetreiber und Anwalt Daniel Halme steht fest: „Je mehr Fälle uns erreichen, umso deutlicher wird der systematische Verstoß gegen die Mietpreisbremse. Und während die Fallzahlen kontinuierlich steigen, bleiben Höhe und Ausmaß der Verstöße insgesamt relativ konstant.“ Sein Partner Frederik Gärtner sagt: „Kein Mieter muss Angst vor Kündigung haben, wenn er die Mietpreisbremse aktiviert. Die Mieterrechte sind in Deutschland sehr hoch aufgehängt. Wir rufen deshalb alle Mieter dazu auf, gegen Wuchermieten vorzugehen.“

Hamburger zehn Millionen Euro zu viel bezahlt

Damit sind die Anwälte nicht allein. Experten zufolge wird die Mietpreisbremse flächendeckend ignoriert. Sie wirke "bei Weitem nicht so, wie von uns erhofft", sagte etwa jüngst der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten. Die gesetzlichen Regelungen würden von vielen Vermietern offenbar in großem Stil missachtet. Für Hamburg ergaben eigene Untersuchungen das fast deckungsgleiche Ergebnis: 66,5 Prozent der untersuchten Wohnungen lagen oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete, 39 Prozent (7487) lagen sogar oberhalb der im Mietpreisspiegel festgelegten Mietobergrenze.

Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, bestätigt diese Einschätzungen. Seinen Rechnungen zufolge haben Hamburgs Mieter in fast zwei Jahren seit Bestehen der Mietpreisbremse etwa zehn Millionen Euro zu viel bezahlt. Berechnungsgrundlage seien 50.000 Wohnungswechsel pro Jahr bei einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von 70 Quadratmeter und einem zu hohen Mietpreis von 1,50 Euro pro Quadratmeter.

Mieter können erst einziehen, dann klagen

"Das ist noch konservativ gerechnet", sagt Chychla. Probleme bei der Mietpreisbremse seien unverändert die fehlenden Sanktionen bei Verstößen sowie ein zu kompliziertes System. "Keine Ausnahmen bis auf Neubauten und endlich sinnvolle Sanktionen", hält Chychla für angebracht.

Mieter würden in Boom-Städten allerdings nur vereinzelt von ihrem Klagerecht Gebrauch machen. "Dabei ändert eine Klage nichts am Mietverhältnis, sondern nur an der Miethöhe", sagt Chychla. Das heißt: Wohnungssuchende können erst den verlangten Mietvertrag unterschreiben und hinterher rückwirkend versuchen, die Miete in den gesetzlichen Rahmen zu drücken.

Kostenloser Mietpreischeck bietet Orientierung

Als Orientierungshilfe bietet der Mieterverein zu Hamburg (wie auch der Verein "Mieter helfen Mietern") seit dem Bestehen der Mietpreisbremse (Juli 2015) einen kostenlosen Mietpreischeck. Vorab können sich Wohnungsinteressenten dort anhand der Adresse und Quadratmeterzahl über die ortsübliche Miete informieren.

Aktuell beträgt die durchschnittliche Neuvertragsmiete für eine Wohnung in Hamburg 12,68 Euro pro Quadratmeter. Das hatte erst jüngst die jährliche Untersuchung der Schüler des Gymnasiums Ohmoor ergeben. Gegenüber dem Untersuchungszeitpunkt 2016 bedeutet dies einen Anstieg der Mieten um 1,8 Prozent.

Im Zeitraum zwischen 2006 und 2017 haben sich die Neuvermietungsmieten von 8,61 Euro auf 12,68 Euro um rund 50 Prozent erhöht. Die Mieten sind somit drei Mal so schnell gestiegen wie die allgemeinen Lebenshaltungskosten.