Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold über Szenarien rund um die Krise der HSH Nordbank.
Sie ist eine stille, unauffällige Politikerin – und könnte die Grünen trotzdem (oder gerade deswegen?) zu einem bemerkenswerten Ergebnis bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein führen. Monika Heinold, Spitzenkandidatin und Finanzministerin, über Geld, die HSH Nordbank und Umfragen.
Frau Heinold, welche Frage hören Sie bei Ihren Wahlkampfveranstaltungen am häufigsten?
Monika Heinold: Die erste Frage ist, ob die Qualitätssteigerung in den Kitas Vorrang vor der Beitragsfreiheit hat. Die zweite Frage, die mir gestellt wird, ist, wie ich die Terminflut schaffe.
Und wie schaffen Sie das?
Heinold: Mit einer hohen Disziplin. Das geht stramm durch den Tag, und ich habe ein Team, das mich gut vorbereitet.
Ich hatte gedacht: Wenn die Finanzministerin des Landes Schleswig-Holstein unterwegs ist, fragen alle zuerst, wie es mit der HSH Nordbank weitergeht.
Heinold: Das kommt immer erst in der dritten Runde. Das liegt zum einen daran, dass die Menschen tief frustriert davon sind, dass die Milliardenbelastung für Hamburg und Schleswig-Holstein so hoch sein wird. Und zum zweiten liegt das daran, dass viele Menschen eher ein bisschen Mitleid mit mir haben. Meine Güte, das muss die jetzt alles wuppen, obwohl es eine Altlast ist. Und dass es eine Altlast ist, wird sehr wohl gesehen.
Wie sieht denn der beste und wie der schlimmste Fall in Sachen HSH aus?
Heinold: Das ist schwer zu sagen, weil sie weder beim Verkauf noch bei einer Abwicklung genau wissen, welche Kosten auf Sie zukommen, wann sie auf Sie zukommen, wie die Zinsbelastung ist, wann es von den Anstalten in die Länderhaushalte durchdringt. Die Schätzung geht von fünf bis acht Milliarden Euro je Land aus.
Also wären Sie bei fünf Milliarden Euro Kosten für Schleswig-Holstein schon froh?
Heinold: Da ich weiß, dass es genauso sieben oder acht Milliarden Euro sein könnten, wären fünf Milliarden natürlich besser. Das ist alles sehr belastend, das will ich auch in der Deutlichkeit sagen. Weil wir ja auf der anderen Seite sehr sparsam wirtschaften und uns wirklich darum bemühen, die Altschulden zu tilgen. Zum ersten Mal haben wir in dieser Legislaturperiode nach fünf Jahren weniger Schulden, als wir am Anfang der Legislaturperiode hatten. Eine völlig einmalige Situation. Gleichzeitig wissen wir aber, dass Milliarden an zusätzlicher Verschuldung durch die HSH Nordbank dazukommen. Das drückt.
Auch die Zukunft der Sparkassen hängt von der HSH ab. Für sie stehen 500 Millionen Euro auf dem Spiel. Was würde denn passieren, wenn die verloren gingen?
Heinold: Die Sparkassen sind zum einen Mitbesitzer der Bank. Das Gravierendere ist aber die alte Gewährträgerhaftung. Die ist inzwischen weit runtergelaufen, sie betrug ja mal über 160 Milliarden Euro, jetzt ist sie noch bei zweieinhalb Milliarden Euro. Den Sparkassen gehören davon rund 20 Prozent.
Das sind diese 500 Millionen.
Heinold: Genau. Wenn wir die HSH Nordbank abwickeln würden und es zu Ausfällen bei Verbindlichkeiten der HSH käme, dann müssten die Sparkassen in Schleswig-Holstein im Rahmen der Gewährträgerhaftung dafür im Zweifel zahlen. Die Sparkassen sind zudem in einem Haftungsverbund mit der HSH. Wie genau sich das auswirkt, kann man jetzt nicht sagen. Aber die Mitverantwortung der Sparkassen war für uns 2015 mit ein Grund dafür, dass wir nicht in die sofortige Abwicklung gegangen sind.
Können die schleswig-holsteinischen Sparkassen diese 500 Millionen Euro allein tragen?
Heinold: Dies ist schwer einzuschätzen. Der Sparkassen- und Giroverband sagt, er bekommt das alles hin. Das ist erst einmal beruhigend. Und sicher ist, dass die Situation jetzt besser ist, als sie 2015 gewesen wäre. Da waren es noch mehr als zwölf Milliarden Gewährträgerhaftung, jetzt sind es zweieinhalb.
Muss man sich sorgen, wenn man ein Konto bei der Sparkasse hat?
Heinold: Nein .
Schleswig-Holstein schreibt schwarze Zahlen. Die Opposition kritisiert trotzdem, dass Sie zu wenig sparen. Was sagen Sie dazu?
Heinold: Die Opposition ist natürlich ein bisschen neidisch. Gerade die CDU, der die schwarze Null ja besonders wichtig ist. Die haben Jahrzehnte Finanzverantwortung getragen. Da kann ich verstehen, dass es die gerade etwas drückt und quält, wenn es eine grüne Finanzministerin ist, die schwarze Nullen schreibt, eine nach der anderen. Das liegt natürlich auch an der guten Konjunktur.
Ganz ehrlich: Wie hoch ist der Anteil der niedrigen Zinsen am erfreulichen Zustand des Haushaltes in Schleswig-Holstein?
Heinold: Wir haben die gute Konjunktur und die günstigen Zinsen genutzt, um die hohen Flüchtlingskosten zu finanzieren. Und wir haben ansonsten die Budgets eng gestrickt und innerhalb der Verwaltung Personal abgebaut. Wir liegen in Schleswig-Holstein in fast allen Ausgabenbereichen im unteren Drittel im Vergleich zu den anderen Bundesländern.
Als Privatperson würden Sie sich sicher auch über höhere Zinsen freuen. Und als Finanzministerin?
Heinold: Ich wünsche mir nicht, dass es lange so weiter geht, weil ich die gesamtgesellschaftliche Situation natürlich sehe sowie die Versicherungen, die Banken und die Sparkassen. Aber für uns als Staat waren die Jahre extrem hilfreich, um die Haushaltskonsolidierung hinzubekommen und die Flüchtlingskosten zu finanzieren.
Kann sich Schleswig-Holstein nicht Dinge sparen, die es in Hamburg im Überfluss gibt? Also zum Beispiel Theater oder Krankenhäuser?
Heinold: Wir brauchen auch in Schleswig-Holstein Kulturangebote und eine gute Krankenversorgung. Es wäre keine Lösung für Schleswig-Holstein zu sagen, fahrt doch nach Hamburg, um Kultur zu erleben. Es ist eher andersrum. Wir wollen die Hamburger mit unserem besonderen Angebot locken.
Welche Rolle spielt überhaupt Hamburg für jemanden, der in Schleswig-Holstein Politik macht?
Heinold: Ich habe immer sehr dafür geworben, über den Nordstaat zu diskutieren. Ich bin Anhängerin eines Nordstaates.
Leben wir nicht gefühlt schon in einem Schleswig-Holstein mit der Hauptstadt Hamburg?
Heinold: Nein. Nicht, wenn Sie Schleswig-Holsteinerin sind.
Die Hamburger hätten gar nicht so ein großes Problem damit.
Heinold: Wenn alles Hamburg heißt und die ein bisschen mehr Fläche hätten, wären die Hamburger vielleicht alle zufrieden. Nein, wir erkennen in Schleswig-Holstein, dass unser Flughafen in Hamburg ist …
… Ihr Bundesligaclub ist in Hamburg, Ihre Elbphilharmonie ist in Hamburg …
Heinold: Wir sanieren gerade das Kieler Schloss, weil wir unsere eigene Kultur fördern wollen. Schleswig-Holstein ist Schleswig-Holstein. Unsere Herangehensweise ist sehr norddeutsch geprägt. Der echte Norden eben. Alles etwas entschleunigt. Und das ist auch gut so.
Finden Sie wirklich, dass der Mentalitätsunterschied noch so groß ist?
Heinold: Das kommt drauf an, wo Sie sind. Schleswig-Holstein lebt sehr stark von seiner Natur, Wind, Wasser, Sonne, regenerativer Energie, Tourismus …
Das lieben die Hamburger alles.
Heinold: Ist ja auch schön, ihr könnt ja auch gern zu uns kommen. Aber wir sind nicht einfach nur ein Teil Hamburgs. Ich glaube, dass wir die Kooperation zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein stetig ausbauen müssen. Dabei werden die Schleswig-Holsteiner immer ihre eigene Identität wahren.
Kommen wir zurück zum Wahlkampf, den Sie ursprünglich ohne Ihren Umweltminister Robert Habeck planen mussten, weil man davon ausgehen musste, dass er nach Berlin geht. Was bedeutet es jetzt, dass er doch da ist? Ist seine Niederlage in Berlin für die Grünen in Schleswig-Holstein ein großes Glück?
Heinold: Ich finde es schade, dass er den Sprung nach Berlin nicht geschafft hat. Ich habe sofort, als das Ergebnis bekannt geworden ist, ihn gebeten, sich stark im Wahlkampf zu engagieren. Da die Partei entschieden hat, dass ich alleinige Spitzenkandidatin bin, ist Platz an meiner Seite für kräftige Unterstützung.
Was machen Sie denn anders als die Kollegen in Berlin? Die Grünen auf Bundesebene liegen so zwischen sieben, acht Prozent, die Grünen in Schleswig-Holstein zwischen zwölf und 14 Prozent. Wie kann das sein?
Heinold: Wir kommen aus der Regierungserfahrung und haben fünf Jahre sehr bürgernah und sehr dialogorientiert Politik gemacht. Wir machen überhaupt keine Negativgeschichten, keinen Negativwahlkampf. Ich halte mich auch nicht damit auf, über meine Konkurrenz zu reden. Es ist mir relativ egal, was die machen. Wir Grüne reden hier in Schleswig-Holstein darüber, was wir geschafft haben und was wir zukünftig erreichen wollen. Wir reden darüber, wie wir unser Land mit grüner Politik positiv nach vorn bringen wollen. Das wird anscheinend honoriert.
Da schwingt eine leichte Kritik an den Grünen auf Bundesebene mit, denen ja oft vorgeworfen wird, zu schnell den Zeigefinger zu heben und Besserwisser zu sein.
Heinold: Zeigefinger und Besserwisser würde ich nicht sagen, das habe ich jetzt auch lange nicht erlebt. Aber mir wird sehr oft zu schnell etwas schlechtgeredet, was andere vorlegen. Genauso gut könnte man sagen, 60 Prozent davon ist gut, und 40 Prozent wollen wir anders haben. Ich glaube, dass die Menschen eher wissen wollen, welche Ideen wir haben und weniger wissen wollen, was die Mitbewerber schlecht machen.
Richten Sie Ihre Politik eigentlich noch an Umfragen aus?
Heinold: Es ist natürlich besser, wenn die Umfragewerte nach oben als nach unten gehen. Aber ich richte meine Politik nicht danach aus. Die Gefahr, das zu tun, ist allerdings groß. Auf der einen Seite dürfen Sie ja nicht blind und taub sein, wenn Sie merken, dass etwas erkennbar falsch läuft. Das können Umfragen ja auch ausdrücken. Auf der anderen Seite wäre es falsch, sich von Umfragen so wuschig machen zu lassen, dass man mal eben den Spitzenkandidaten austauscht.