Hamburg. Vor allem in den Nächten zum Montag und Dienstag könnte die Lage eskalieren – Hunderte gewaltbereite Autonome.
Der 1. Mai steht bevor und damit die bange Frage im Raum: Wie schlimm wird es? In den Vorjahren mündeten die Proteste im Bereich rund um die Rote Flora in Ausschreitungen, Gewalttaten gegen Polizisten und Sachbeschädigungen. Dieses Jahr, so die Befürchtung, könnten die Krawalle noch heftiger ausfallen – zumal mit dem G20-Gipfel am 7. und 8. Juli das eigentliche politische Großereignis für die linksradikale Szene noch kommt. Von einem organisierten Gewalt-Marathon im Schanzenviertel, einem „Testlauf“ für G20, geht die Polizei jedoch nicht aus. „Wir erwarten ein Szenario wie in den vergangenen Jahren“, sagt Sprecher Ulf Wundrack.
Wegen G20 könnten die Krawalle heftiger werden
Normale Lage am 1. Mai bedeutet auch immer: Großlage. Über das Wochenende werden die Alarmhundertschaften an den Wachen aufgerufen, außerdem werden dort Zwölf-Stunden-Dienste geschoben. Eingebunden ist auch das Mobile Einsatzkommando (MEK) der Polizei. Außerdem soll die Wohnung von Innensenator Andy Grote (SPD) verstärkt bewacht werden.
G20 spielt thematisch am Wochenende eine große Rolle, das zeigt schon der explizite Gipfel-Bezug in allen Demo-Aufrufen der linksextremistischen Szene. Den Auftakt bildete am Freitagabend eine Anti-G20-Demo nach dem Spiel FC St. Pauli gegen Heidenheim. Während der Anmelder – Rote-Flora-Aktivist Andreas Blechschmidt – mit rund 1000 Teilnehmern rechnete, ging die Polizei von bis zu 2000 Teilnehmern aus. Als gewaltbereit stufte die Polizei nach Abendblatt-Informationen 300 Fußballfans und weitere 300 Linksautonome ein. Ursprünglich wollte der Aufzug den G20-Tagungsort Messehallen passieren – aus Sicherheitsgründen hat die Polizei das untersagt. Die Demo endete jetzt am Tschaikowsky-Platz.
In der Walpurgisnacht rechnet die Polizei mit einem ruhigen Verlauf
Mit einem ruhigen Verlauf rechnet die Polizei in der Nacht von Sonntag auf Montag, der „Walpurgisnacht“. Zwar hat die Szene für Sonntag bisher nicht mobilisiert. Zum Problem könnte allerdings das „erlebnisorientierte Klientel“ – jugendliche Mitläufer – werden, das sich am kommenden langen, milden Wochenende in signifikanter Stärke im Viertel aufhalten dürfte. Außerdem ist der Sonntag der letzte Tag des Aktionsmonats der linken Szene gegen G20.
Am Tag der Arbeit startet um 10.30 Uhr am Rödingsmarkt die zentrale 1. Mai-Demo des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), zu der rund 3500 Menschen erwartet werden. Es sei damit zu rechnen, dass sich mehrere Hundert Linksextremisten unter die gemäßigten mischen werden, heißt es aus Sicherheitskreisen. Im Internet und auf Plakaten wird die Demo vom linksextremistischen Bündnis Rise up bereits massiv beworben. Ein „klassenkämpferischer und antikapitalistischer Block“ will sich unter dem Motto „Kein G20. Keine Sozialpartnerschaft. Kein Kapitalismus“ an der Demo beteiligen.
Dort, wo die zentrale DGB-Demo endet, am Fischmarkt, startet um 12 Uhr ein weiterer Aufzug. Angemeldet sind 350 Teilnehmer. Bis zu 500, davon 300 gewaltbereite Linksextremisten, erwartet die Polizei. Treibende Kraft dieser Demo unter dem Motto „Gegen AfD, Rechtsruck, G20 und die kapitalistischen Verhältnisse“ ist ebenfalls das Bündnis Rise up. Ursprünglich richtete sie sich gegen eine auf dem Gänsemarkt geplante Demo der „Arbeitnehmer in der Afd“ (Aida). Doch der Aufzug wurde kurzfristig abgesagt, der politische Gegner fehlt also. „Die Absage hat schon mal Dampf aus dem Kessel genommen“, so ein Polizeisprecher.
Die zerstrittene Szene müht sich um Einheit
Mit den heftigsten Krawallen ist im Bereich Sternschanze/Rote Flora zu rechnen, dem traditionellen Schauplatz der ritualisierten Randale. Um 18 Uhr startet am Bahnhof Sternschanze die „revolutionäre 1. Mai Demonstration“ unter dem Motto „Krieg und Krise haben System. G20 entern, Kapitalismus versenken.“ Zur Teilnahme ruft die kommunistische Gruppierung Roter Aufbau auf, früher Rote Szene Hamburg. Anmelder ist Halil S., er hatte bereits 2014 die revolutionäre 1.Mai-Demo angemeldet. Damals nahmen 2200 Menschen daran teil – fast 1000 mehr als im Jahr davor.
Größeren Zulauf dürfte die Demo auch deshalb erhalten, weil sich die linksextremistische Szene im G20-Jahr um Einheit bemüht. Erst vor zwei Jahren hatten sich der Rote Aufbau und das linksautonome Zentrum B5 an der Brigittenstraße heillos zerstritten. Auf den Willen zur Eintracht deutet ein Eintrag auf einer linken, radikalen Internet-Seite vom 13. April hin: Zur Teilnahme an der revolutionären Demo seien „ausdrücklich alle Leute aus unterschiedlichen Strömungen“ eingeladen.