Hamburg. Mehrfach mussten zuletzt Verkehrsprojekte zurückgebaut werden. Das liegt oft daran, dass Bürger zu spät einbezogen werden.

Seit Wochen ist die neue Bushaltebucht an der Einmündung der Unnastraße in die Gärtnerstraße in Eimsbüttel fertig. Das Problem: Bislang hält dort kein Bus. Ein Transparent kündet von der Trauer um zwei Bäume, die hatten gefällt werden müssen. Solange die Rechtmäßigkeit des Anwohnerprotests nicht geklärt ist, darf die Haltestelle nicht genutzt werden.

Möglicherweise droht der Bushaltebucht in Eimsbüttel ein ähnliches Schicksal wie derzeit der Verkehrsinsel zwischen Poelchaukamp und Gertigstraße in Winterhunde. Diese war im Zuge des Busbeschleunigungsprogramms eingerichtet worden und soll nun zurückgebaut werden. Hinzu kommt eine Mittelinsel an der Einmündung von der Gertigstraße in den Mühlenkamp. Seit der vergangenen Woche wird hier wieder umgebaut. Nachdem der Bau der Maßnahme rund 1,07 Millionen Euro verschlungen hat, kostet der Rückbau noch mal rund 45.000 Euro.

Wenig Berücksichtigung der Anwohner

Der Grund für den Rückbau: Autofahrer hatten die Insel auf dem Mühlenkamp nicht – wie geplant – überfahren wollen, um Anlieferer oder Müllabfuhr zu überholen. In der Folge staute sich der Verkehr. Für Radfahrer und Passanten hingegen wurde die Verkehrsinsel beim Überqueren der Straße zur Stolperfalle. Künftig sollen doppelt durchgezogene Linien die Fahrbahnen trennen. Die Anwohnerinitiative „Unser Mühlenkamp“, die sich frühzeitig für einen Umbau eingesetzt hatte, ist zufrieden.

An der Kreuzung Isestraße/Grindelberg
verwirrte die Verkehrsführung
An der Kreuzung Isestraße/Grindelberg verwirrte die Verkehrsführung © HA | Wood

Derartige Rückbauten aufgrund von Planungsfehlern hat es in den vergangenen Jahren gleich mehrere gegeben. Oft lag der Grund darin, dass die Behörden vorher nicht den Kontakt zur Bevölkerung gesucht oder kritische Einwände ignoriert hatten. An der Kreuzung Grindelberg/Isestraße beispielsweise wurde eine neue Radverkehrsführung installiert. Die war jedoch so verwirrend, dass es mehrfach zu Konflikten zwischen Radfahrern und Autos kam. Die Behörde zog die Notbremse und baute zurück.

Leitartikel: Beteiligung an Verkehrsplanung spart Geld

An der Kreuzung Grindelberg/Hallerstraße war im Jahr 2013 eine Verkehrsinsel gebaut worden, die Autofahrer aber offenbar so irritierte, dass nach Freigabe die Zahl der Unfälle sprunghaft stieg. Einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der CDU zufolge lag die Zahl der Unfälle das halbe Jahr vor Baubeginn bei 18, das halbe Jahr nach der Verkehrsfreigabe bei 35. Nachdem die Polizei die Behörde informiert hatte, zeigten die Beamten ein Einsehen. Der Rückbau kostete rund 5000 Euro.

Richtig teuer wurden die nachträglichen Änderungen beim Radweg Shanghaiallee in der HafenCity. Im Jahr 2012 war mit dem Bau dieser Strecke begonnen worden. Im Jahr 2015 entdeckten die Beamten eine aus dem Jahr 2009 stammende gesetzliche Regelung, die den Bau von durch Schutzstreifen markierten Radwegen auf der Fahrbahn erleichterte. Flugs entschied man sich zum Umbau: für 450.000 Euro.

Die Korrektur von Fehlern bei der Fahrradstraße Harvestehuder Weg war zwar nicht ganz so teuer, aber wegen der Prominenz des Ortes hamburgweites Stadtgespräch. Der alte Radweg im Alsterpark soll nun erhalten bleiben, bereits neu geschaffene Parkplätze auf der Fahrbahn werden wieder verschwinden. Die Kosten für neue Markierungen belaufen sich auf bis zu 5000 Euro.

Der Harvestehuder Weg wird Fahrradstraße,
aber anders als geplant
Der Harvestehuder Weg wird Fahrradstraße, aber anders als geplant © HA | Marcelo Hernandez

Angesichts dieser Fälle stellt sich die Frage, ob es eine Qualitätskon­trolle bei Straßenbauprojekten gibt. „Natürlich“, sagt die Sprecherin der Wirtschaftsbehörde, Susanne Mei­necke. „Jede Umgestaltung des Verkehrsraums wird im Nachgang evaluiert und kritisch begleitet.“ Es gebe nach jedem Umbau zudem eine Beobachtung durch die Polizei hinsichtlich des Verkehrsflusses und der Zahl der Unfälle. Üblicherweise würden auch die Schaltungen der Ampeln geprüft.

Verkehrsexperte nimmt Behörden in Schutz

ADAC-Verkehrsexperte Carsten Willms nimmt die Behörden in Schutz. „Bei großen Projekten ist eine umfangreiche Bürgerbeteiligung unverzichtbar“, sagt er. „Aber für jede Dorfstraße kann man das nicht machen.“ Die Herausforderung bestehe darin, herauszufinden, wann problemlos auf eine Beteiligung verzichtet werden könne. Das sei schwierig, weil Bürger sich oft erst äußerten, „wenn die Bagger anrollen“.

Bis zu 30.000 Baumaßnahmen gebe es jedes Jahr auf den rund 8000 Hamburger Straßen, sagt Carsten Willms, Experte des Automobilclubs ADAC. Auf den 550 Kilometern Hauptstraßen sind es noch 3000 Baumaßnahmen. Seit gut fünf Jahren sei es Standard, dass bei Straßenbauprojekten die Bürger frühzeitig in die Planung einbezogen werden, sagt Willms.

Stadtverkehr

Das hänge zum einen damit zusammen, dass die Menschen mitreden wollen, was in ihrer unmittelbaren Umgebung geschehe. Zum anderen bedeutet frühzeitige Einbindung von Bürgern eine Minderung des Risikos, dass nach Abschluss der Baumaßnahme zurückgebaut werden muss. Dadurch könne viel Geld gespart werden.

Allerdings hat Willms entdeckt, dass für manche Bürger das St.-Florians-Prinzip gilt. „Tempo 30 auf Straßen in anderen Stadtteilen lehnen sie ab, um es dann vor der eigenen Haustür vehement zu fordern.“