Anwohner sollten bei Verkehrsprojekten früh in die Planung einbezogen werden

Wem gehört die Stadt? Die wenigsten Autofahrer werden sich morgens diese Frage stellen, wenn sie auf dem Weg zur Arbeit in ihr Fahrzeug steigen. Möglicherweise kommt die Frage ihnen in den Sinn, wenn sie unterwegs einen neuen Fahrradweg entdecken, der gleichberechtigt neben der eigenen Fahrbahn verläuft, oder die ungewohnte Verkehrsführung an einer Kreuzung sie zu einem längeren Stopp zwingt, während der Bus Vorfahrt bekommt.

Wenn in Hamburg ein Straßenbauprojekt gestartet wird, geht es rasch um Grundsätzliches. Über mehrere Jahrzehnte waren Autofahrer im Vorteil – nicht zuletzt, weil die Stadtoberen in den 60er-Jahren die verkehrsgerechte Stadt planten und teilweise umsetzten. Auch der von den Sozialdemokraten verfügte Verzicht auf die Straßenbahnen zeitigt noch heute seine ärgerlichen Nachwirkungen.

Grundsätzlich ist der Konflikt vor allem deshalb, weil die allermeisten Flächen Hamburgs vergeben sind. Jede Forderung anderer Verkehrsteilnehmer wie Bus- oder Radfahrer nach mehr Platz richtet sich daher zwangsläufig gegen die Autofahrer. Jedes Verkehrsprojekt bedeutet also ein neues Verhandeln darüber, wie und von wem der begrenzte Raum der Hansestadt genutzt werden sollte.

Dazu sind Kompromisse notwendig, die zumeist eines bedeuten: Autofahrer müssen sich in Verzicht üben. Aber nicht nur das. Die Suche nach einem tragfähigen Kompromiss setzt Mitsprache und Mitentscheidung von Anwohnern voraus. Eine echte Bürgerbeteiligung bei Verkehrsprojekten gehört damit zum Standardrepertoire einer sinnvollen Verkehrsplanung.

Dass Hamburgs Behörden die Zeichen der Zeit verstanden haben, lässt sich an aktuellen Projekten erkennen. Für den Bau der Hafenautobahn A 26 ist umfassende Mitsprache organisiert. Ähnliches gibt es bei der Sanierung der Max-Brauer-Allee.

Das Gute an solchen demokratischen Prozessen ist: Sie helfen, Fehlplanungen zu vermeiden, über die das Abendblatt heute berichtet. Abgesehen davon, dass Umbauten unnötig das Geld des Steuerzahlers kosten, sie vergrößern die Distanz zwischen Bürgern und Verwaltung.

Zudem sollte nicht unterschätzt werden, wie wichtig örtliche Kenntnisse sind. Was am Schreibtisch eines Verkehrsplaners wie eine kluge Idee wirken mag, führt bei einem Ortskundigen möglicherweise zu Kopfschütteln. Hier liegt das Potenzial von Bürgerbeteiligung, vorausgesetzt, die Bürger beteiligen sich auch. Nicht nur der Automobilclub ADAC beklagt, dass an den Planungswerkstätten oftmals nur pro­-fessionelle Vertreter von Verbänden und Rentner teilnähmen.

Denn das ist die Kehrseite: Bürger beteiligen sich oftmals nur dann an einer Initiative, wenn es sie unmittelbar betrifft. Es liegt zudem in der Natur der Sache, dass Menschen, die sich für ihr Umfeld engagieren, Gefahr laufen, das Große und Ganze aus dem Blick zu verlieren. Das haben nicht zuletzt die Debatten über die Austragung Olympischer Sommerspiele in Hamburg und über die Verteilung von Flüchtlingsunterkünften gezeigt.

Die Verkehrsinfrastruktur und ihre kluge Planung ist für eine Metropole wie Hamburg überlebenswichtig. Dazu gehört, staatliche Ideen auf den Prüfstand zu stellen, genauso wie die Erkenntnis, dass es möglich sein muss, Partikularinteressen zu artikulieren. Allerdings dürfen diese am Ende nicht bestimmend werden. Auch dafür ist die Beteiligung vieler Bürger gut.