Hamburg. Bereits die kleinste atmosphärische Veränderung in seinem Umfeld reicht aus, um den Angeklagten explodieren zu lassen.

Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Es ist schon eine extrem kurze Zündschnur, mit der Lutz R. (Name geändert) ausgestattet ist. Bereits die kleinste atmosphärische Veränderung in seinem Umfeld reicht aus, um den ­28-Jährigen explodieren zu lassen. Immer dieses Misstrauen, diese überschäumende Eifersucht, die den Hamburger umtreiben. Und in dem Maße, in dem mit ihm das Temperament durch die Decke geht, geht es in seiner Beziehung bergab – bis er sich erneut berappelt und Besserung gelobt. Die Verlobte von Lutz R. muss mit einer wahren Engelsgeduld gesegnet sein. Oder was hat der Mann an sich, dass sie ihm seine Ausbrüche immer wieder verzeiht?

Vor Gericht sitzt ein groß gewachsener Typ mit rasierter Glatze und Dreitagebart; die Hände, der Nacken, der Hals sind mit Tattoos verziert. Die Stirn hat der 28-Jährige nachdenklich gerunzelt, in seinem Blick liegt echtes Bedauern. „So war das, leider. Das ist aus einem Affekt heraus passiert“, sagt der seit Jahren auf dem Bau arbeitende Mann über seine jüngste emotionale Eruption, die ihm eine Anklage wegen Sachbeschädigung eingehandelt hat.

Vorstrafenregister hat 21 Eintragungen

Im vergangenen Mai hatte Lutz R. die Wohnungstür seiner Freundin eingetreten, um nachzusehen, ob sie dort womöglich mit einem anderen Kerl sitzt. Ein paar Stunden Funkstille nach einem gemeinsamen harmonischen Urlaub an der Ostsee hatten ausgereicht, um den 28-Jährigen das Schlimmste befürchten und den unbändigen Drang verspüren zu lassen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Und wirklich fand er dort, in der Wohnung seiner Freundin, einen anderen Typen. Beide konnten indes den Eifersüchtigen überzeugen, dass alles ganz harmlos ist. Ein heftigerer Streit blieb aus, am nächsten Tag ließ der 28-Jährige von einem Kumpel die Tür reparieren.

Bedrohung, räuberische Erpressung, Nötigung, Beleidigung, Körperverletzung: Seit Lutz R. strafmündig ist, ist er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten, sein Vorstrafenregister hat 21 Eintragungen, viele bekam er als Jugendlicher. Seit 2010 ist er nun mit seiner Freundin zusammen, sie sind verlobt und haben eine kleine Tochter. Und schon vor dem verflixten siebten Jahr, in dem sich ihre Beziehung jetzt befindet, kam es wiederholt zu massiven Aus­einandersetzungen.

Eifersüchtiger Freund

Einmal beispielsweise nahm der Hamburger seiner Verlobten gewaltsam das Handy weg, um zu eruieren, ob sie dort die Telefonnummer eines anderen Mannes gespeichert hat, von dem er meinte, er könnte ein Nebenbuhler sein. Als er sich bei einer anderen Gelegenheit lautstark mit seiner Freundin in deren Wohnung stritt und eine Nachbarin aus Sorge um die Frau und das gemeinsame Baby des Paares an der Tür klingelte, um gegebenenfalls helfen zu können, titulierte er die Nachbarin als „dicke, fiese Schlampe“.

Und schließlich machte er den Aufenthalt seiner Freundin auf einem Zahnarztstuhl, ohnehin wohl für niemanden ein echter Wohlfühlort, noch deutlich unangenehmer: Ausgerechnet dort wurde sie von ihrem eifersüchtigen Freund heimgesucht, der wieder einmal ihr Handy inspizieren wollte.

Angeklagter geht zum Anti-Aggressionstraining

Dass es so nicht weitergehen kann, habe er längst eingesehen, beteuert Lutz R. zerknirscht. Er gehe regelmäßig zum Anti-Aggressionstraining und sei darüber hinaus in therapeutischer Behandlung. „Es läuft schon besser“, sagt er, „aber ich gehe weiter zu meinen Sitzungen.“

Bettina Mittelacher
schreibt jede
Woche über einen
außergewöhnlichen
Fall
Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall © HA | Andreas Laible

Am Ende verhängt das Gericht wegen der Sachbeschädigung eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu zehn Euro. 21 Vorstrafen, das sei „schon erschreckend“, redet die Vorsitzende dem Angeklagten ins Gewissen. Und auch die jüngsten Aggressionen seien nicht zu tolerieren, „vor allem wenn auch noch Ihr Kind dabei ist“. Allerdings seien die Straftaten mit den Jahren weniger geworden, positiv sei, dass der 28-Jährige sich selber um Hilfe bemüht hat. „Aber Sie müssen dauerhaft lernen, Ihre Aggressivität in den Griff zu bekommen. Sonst droht Ihnen irgendwann eine längere Haft.“ Lutz R.s Verlobte scheint jedenfalls an eine positive Zukunft zu glauben. Im Sommer ziehen die beiden erstmals in eine gemeinsame Wohnung.