Hamburg. Manchmal sind es auch die kleinen, gar nicht teuren Dinge, die außerordentlich begehrenswert sind.

Es muss nicht immer kostbar sein. Manchmal sind es auch die kleinen, gar nicht teuren Dinge, die außerordentlich begehrenswert sind – weil sie wegweisend für die Zukunft sein können – und sogar für den Rest des Lebens. So wie ein Schwangerschaftstest. Besser, man beschafft sich einen, um auf Nummer sicher zu gehen, was das Leben so bereithält. Und abhängig vom jeweiligen Betrachter kann da ein positives Testergebnis durchaus auch als negativ empfunden werden. Und umgekehrt.

Sina E. (Name geändert) wollte es jedenfalls genau wissen. Zwei Schwangerschaftstests für je 5,99 Euro hatte die 19-Jährige bereits in einem Drogeriemarkt erstanden, als in einem anderen Laden ein weiterer im Wert von 4,95 Euro auch noch ihr Interesse weckte. Aber gestohlen, wie der Hamburgerin jetzt vor Gericht vorgeworfen wird, habe sie ihn mitnichten, beteuert die zierliche junge Frau und schüttelt ihre dunkle Lockenmähne. „Ich hatte nur vergessen, dass ich ihn noch in der Hand hatte“, sagt sie über den Vorfall vom 29. Dezember vergangenen Jahres. Es ist eine ungewöhnliche Sicht der Dinge. Immerhin wurde die Hamburgerin jenseits der Kasse erwischt, ohne dass sie bezahlt hatte.

„Ich war zwei Wochen überfällig“

„Ich war zwei Wochen überfällig“, begründet die Angeklagte ihr Interesse an Schwangerschaftstests. Im zweiten Drogeriemarkt habe sie deren Wirkung vergleichen wollen. „Es gibt Frühtests“, die vor der erwarteten Blutung angewendet werden können, „und Spättests“, erklärt sie. Der Amtsrichter ist im Bilde: „Ich war extra vergangene Woche in der Apotheke, um mich zu informieren“, betont er. Ob sie nun in freudiger Erwartung sei, möchte der Vorsitzende weiter wissen. „Nein“, versetzt Sina E. spitz.

Trotzdem reiste sie mit ihrem Freund kurzfristig nach Dänemark, um ihn dort zu heiraten. Nun hat ihr frischgebackener Ehemann hinter ihr im Saal Platz genommen. Doch der Richter bittet den Gatten, kurz draußen Platz zu nehmen.

Bereits eine dicke Strafakte

Schließlich will er mit der Angeklagten deren Vita erörtern – und die ist alles andere als makellos. Vielleicht möchte Sina E. ja vor ihrem Gatten auch weiterhin im allerbesten Licht dastehen. Und nun erzählt die 19-Jährige, sie habe keinen Schulabschluss und „viel Scheiße gebaut, getrunken und geklaut“, bringt sie es auf den Punkt. Dabei war sie meist mit einer Freundin zusammen, und die hat bereits eine dicke Strafakte. Die junge Frau habe sie in einer Jugendwohnung kennengelernt – sehr zum Leidwesen ihrer Eltern. Seit diese viel Zeit mit ihrer Freundin verbringe, seufzten Vater und Mutter gegenüber der Staatsanwaltschaft, „ist sie abgerutscht“.

Mehrfach ist Sina E. seitdem mit Diebstählen aufgefallen. Außerdem haben Polizisten sie wiederholt aufgegriffen, als sie schwer alkoholisiert war. Einmal randalierte sie im Streifenwagen und später auf der Wache so sehr, dass die damals noch Jugendliche fixiert werden musste, damit sie sich oder andere nicht verletzt. Und auf ein Ermahnungsgespräch reagierte sie „gleichgültig“, so die Staatsanwältin. „Es hat mich schon interessiert“, behauptet dagegen Sina E. Und natürlich sei sie keine Diebin. „Ich hatte den Schwangerschaftstest doch noch in der Hand!“, insistiert sie.

Ladendetektiv als Zeuge

Doch es gibt ein Video, wie sie gestohlen hat, und einen Ladendetektiv als Zeugen. Dieser erinnert sich, wie die beiden jungen Frauen interessiert die Regale mit Kondomen, Schwangerschaftstest und Kosmetika betrachtet haben. „Eine nahm den Test in die Hand, die andere steckte ein Gesichtswasser ein.“ Ohne zu bezahlen, gingen sie vor die Tür. „Ich bat sie ins Büro, da holten sie die Produkte aus den Taschen.“ „Ich habe aber nicht geklaut“, beharrt die Angeklagte.

Was die junge Frau partout nicht einsehen will, ist indes juristisch ein klarer Fall von Diebstahl. Deshalb, entscheidet der Amtsrichter, muss Sina E. nun dreimal sechs Stunden ohne Lohn arbeiten und zudem drei Termine bei der Jugendgerichtshilfe wahrnehmen. „Damit Sie erfahren, wo Sie überall Unterstützung brauchen. Wenn Sie den Weisungen nicht folgen, dann sehen wir uns hier wieder, und dann kann es sehr gut sein, dass Sie Jugendarrest kriegen.

Sie kann jeden Halt gebrauchen

Das heißt, Sie kommen in eine Zelle“, erläutert der Vorsitzende. „Das ist unfair“, meutert die 19-Jährige. Und überhaupt sei es überflüssig, dass der Amtsrichter ihren Ehemann rausgeschickt habe. „Der weiß sowieso alles über mich!“ Spricht’s und läuft heulend raus zu ihrem Gatten. Der kommt noch einmal in den Saal und lauscht mit ernster Miene den Ansagen des Richters. Dann nickt der junge Mann nachdenklich – und geht schließlich von dannen, einen Arm fest um seine Frau gelegt. Mahner und Beschützer? Sina E. kann wohl jeden Halt gebrauchen.