Hamburg. Holger Brauns fährt mit Gästen nach Blankenese, um die Elbinseln und bis Stade. Überrascht hat ihn, woher die meisten Kunden kommen.

Ob das funktionieren kann? Mancher dürfte gezweifelt haben, als Holger Brauns,(42) vor einem Jahr mit seinem frisch gegründeten Unternehmen Elbsegelei startete. Weil es Barkassentouren, Ausflugsdampfer und Fähren schon so viele gibt, wollte er seinen Gästen Hafen, Strände, Inseln und die Sicht vom Wasser auf die Stadt unter Segeln zeigen. Eine ganz neue Art der Rundfahrt, die bisher nur Hobby-skippern mit eigenem Boot möglich war. Mit anpacken ist dabei möglich, aber nicht Pflicht. Sightseeing der robusten Art sozusagen, man spürt die Wellen und den Wind und ist mittendrin im Geschehen auf dem großen Strom.

Für Brauns war es ein Risiko, ob es genügend Kunden gibt, die sich so etwas als Ausflug von vier, fünf Stunden vorstellen können. Rund 100 Euro zahlt man dabei pro Person – je nach Tourart. Aber nach zwei Hörstürzen wollte der Tontechniker und Musikproduzent mit eigenem Studio etwas Neues wagen – und hat augenscheinlich Erfolg. Im Winter kaufte er sich ein neues, größeres Schiff. Eine 13 Meter lange Bavaria 42-3 Cruiser. Statt vier Passagieren kann er jetzt bis zu acht mitnehmen – von Ostern an startet er nun damit in seine zweite Saison.

Die Yacht musste speziell zugelassen werden

Wieder musste er die Yacht bei der Berufsgenossenschaft Verkehr zulassen, vor einigen Tagen war das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie an Bord, um die nautischen Anlagen abzunehmen. Die behördlichen Auflagen sind hoch für solche Törns. Und im Hafen wird der neue Hafenrundfahrt-Konkurrent wohl auch streng beobachtet.

Die Elbsegelei (www.elbsegelei.de) ist eben keine Segelschule – auch wenn Brauns unterwegs die Segelmanöver natürlich erklärt und Gäste auch selbst aktiv mitsegeln können, wenn sie denn wollen. Aber im Vordergrund steht das Sightseeing. Zwischen Yachthafen in Wedel und dem City Sporthafen im Schatten der Elbphilharmonie bewegen sich die meisten Törns – je nach Tide. Und wenn der Wind zu doll bläst, wird die Tour auch mal verschoben.

Man segelt vorbei an den Elbstränden und Blankenese, den großen Terminals und den Elbinseln Schweinesand und Hanskalbsand. Mal morgens, mal abends und mal mitten am Tag. Die Gezeiten bestimmen den Plan, das Wetter den Erlebnisfaktor. Entspannung pur beim Sundowner und leichtem Abendwind oder eine Rauschefahrt bei frischer Brise? Völlig planbar ist das nicht, und das ist auch der Reiz. Wenn es passt, segelt Brauns auch um die Inseln herum oder die Schwinge hoch bis ins mittelalter­liche Stade.

Rund 400 Gäste hatte er in der vergangenen Saison an Bord. „40 plus, auch 70- und sogar fitte 80-Jährige waren dabei“, sagt er. Zu zwei Dritteln waren es Frauen, die Touren buchten, meist für ihre Männer. Silberhochzeit wurde an Bord gefeiert, auch ein Hochzeitsantrag gemacht. Setzte er zunächst auf die vielen Touristen als mögliche Kunden, kommt die größte Nachfrage aber aus der Region. „Gut 75 Prozent der Gäste sind Hamburger oder wohnen im Umland“, sagt Brauns.

Auch Firmen nutzten seine Törns

Auch Firmen nutzten schon seine Törns, sei es als Mitarbeiterausflug oder als Highlight für Kunden. „Teambuilding“ und „Coaching“ speziell für Unternehmen ist nun ein Zweig, den er auf seinem größeren Schiff ausbauen will. „An Bord funktioniert so etwas besonders gut“, sagt Brauns.

Mittlerweile ist die „Elbsegelei“ für ihn wieder ein Vollzeit-Unternehmen. Und damit schließt sich auch ein Kreis. Musik und Segeln – das waren beides Dinge, die für Brauns schon in der Kindheit und Jugend das Leben prägten. Auf Jollen segelte er im Leistungssport bis hin zur Europameisterschaft. Geige, Klavier und Chor; das lief aber auch parallel, alles von den Eltern gefördert. Mit Anfang 20 entschied er sich aber für die Musik, zog nach Hamburg, produzierte Platten und war als DJ unterwegs. Zuletzt entwickelte er als Sound­designer rechnerbasierte Musikinstrumente. Doch die Dauerbelastung, Stress und Lärm führten dann zu zwei Hörstürzen. Nun pfeift ihm statt der Töne der Wind um die Ohren.

Maritimes Sightseeing

Der Segeltörn ist die nicht einzige ungewöhnliche Art des maritimen Sightseeings in Hamburg:
Auch der Riverbus (https://hafencityriverbus.de) ist erst im vergangenen Jahr gestartet. Das Amphibien-Fahrzeug ist Bus und Barkasse zugleich, rollt durch die HafenCity und tuckert auch durch den Hafen. Eine Stadt- und Hafenrundfahrt, die es bisher noch nicht gab. Start ist in der Speicherstadt. Tickets kosten 28,50 Euro.


Mehr Ausbildung und Skippertraining steht bei der Finkenwerder Yachtschule Eichler (www.yachtschule-eichler.de) im Vordergrund. Mit großen Yachten geht es dabei zu mehrtägigen Törns auf die Hochseeinsel Helgoland. Man kann aber eine ganze Yacht mit Skipper auch für Tagestörns chartern.


Im City Sporthafen nahe der Elbphilharmonie haben auch die Rib Piraten (www.rib-piraten.de) eine Station. Mit hohem Tempo rasen die Festrumpf-Schlauchboote über die Wellen der Elbe. Für Passagiere gibt es Spezialsitze – ein Erlebnis irgendwo zwischen Achterbahnfahrt und Greenpeace-Aktion. Ein Einzelticket kostet 89 Euro.

Holger Brauns’ Törns sind von Tide und Wetter abhängig, also nicht perfekt
planbar – genau das schätzen seine Kunden
Holger Brauns’ Törns sind von Tide und Wetter abhängig, also nicht perfekt planbar – genau das schätzen seine Kunden © HA | Michael Rauhe