Hamburg. Sierichstraße, Fruchtallee, in der Schanze – wo sich die Hamburger Tempo 30 auf den Straßen wünschen. Behörden prüfen die Anträge.
Fast täglich gibt es weitere Anträge auf neue Tempo-30-Zonen in Hamburg. Die Aktion des Fahrradclubs ADFC, Menschen für mehr Tempolimits zu mobilisieren, ist nach Angaben der Initiatoren erfolgreich angelaufen. "Mehr als 150 Bürger haben sich an unserem Aufruf beteiligt und wünschen sich etwa für die Straßen Braamkamp, in der Sierichstraße und an der Fruchtallee Tempo-30-Zonen", sagte am Freitag Dirk Lau vom ADFC dem Abendblatt.
Weitere Straßen, wo die Behörden nun nach den Anträgen die Einrichtung von Geschwindigkeitsbschränkungen prüfen, sind etwa der Pillauer Weg in Wandsbek-Gartenstadt, der Sonnenweg in Tonndorf oder der Rübenkamp am Stadtpark. Auch etliche Anwohner der Sternschanze hatten sich nach Angaben des Fahrrad-Clubs für ihre Nachbarschaft die Begrenzung auf Tempo 30 gewünscht.
Behörden prüfen Anträge
Der ADFC listet die Anträge in einer Karte für Hamburg auf. Wenn Grenzwerte für Luftschadstoffe und Lärm überschritten werden, sind die Behörden dazu verpflichtet, Maßnahmen zu prüfen und umzusetzen, argumentiert der ADFC bei seiner Kampagne "Läuft". Die Überprüfung der Anträge werde nun aber einige Wochen dauern, hieß es.
Auch im ersten Quartal 2017 hatte die Belastung mit giftigem Stickoxid an allen vier großen Straßenmessstationen (Habichtstraße, Max-Brauer-Allee, Kieler Straße, Stresemannstraße) deutlich über den zulässigen Grenzwerten gelegen. Nur an der Max-Brauer-Allee sinkt die Belastung, an den anderen drei Stationen steigt sie gegenüber den Vorjahren an. Das hatte eine Auswertung der öffentlichen Daten aus dem Luftmessnetz durch den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ergeben.
Weniger Verkehr in Wohngebieten
Auch das Umweltbundesamt setzt sich für Tempolimits ein, und zwar flächendeckend in den Städten. „Tempo 30 bringt bessere Luft, flüssigeren Verkehr und weniger Unfälle – und man ist in der Regel genauso schnell unterwegs“, sagte am Freitag Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes.
Die Wünsche der Tempo-30-Befürworter sind derweil stark umstritten. Der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos), argumentierte mit den Vorteilen des bestehenden Systems mit verschiedenen Tempo-Zonen. „Wer an dieses funktionierende Straßensystem rangeht, sorgt dafür, dass die Wohnquartiere stärker belastet werden.“
Seine Begründung: „Die 50er Straßen ziehen den Verkehr aus den Wohngebieten, weil man da schneller fahren kann.“ Wenn man flächendeckend Tempo 30 einführe, verpuffe diese Wirkung.
Erhöhter Verbrauch der Fahrzeuge
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) brachte technische Einwände vor: Bei Tempo 30 werde meist in einem niedrigeren und damit ungünstigeren Gang gefahren, damit erhöhten sich Verbrauch und CO2-Ausstoß tendenziell. Zielführender seien Maßnahmen zur Verstetigung des Verkehrsflusses, erklärte der Verband am Freitag.
Auch im Bundesverkehrsministerium hält man wenig von einer generellen Tempo 30-Regelung. Dies sei nicht geplant, teilte das Ministerium mit. Sie schränke die Entscheidungsfreiheit der Kommunen ein und bremse den Verkehr auf den Hauptverkehrsstraßen unverhältnismäßig, auf denen zwei Drittel des Verkehrs innerorts abgewickelt werde. Die geltende Regelung sei ausreichend und ermögliche den Behörden, in Wohngebieten Tempo-30-Zonen anzuordnen, vor Schulen und Kitas auch auf Hauptverkehrsstraßen.
Straßenverkehrsordnung geändert
Dafür war erst im vergangenen Dezember die Straßenverkehrsordnung geändert worden. Das Umweltbundesamt (UBA) hatte Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in einem Papier mit dem Titel „Stadt für Morgen“ bei den kurzfristigen Zielen bis 2020 genannt. Neben fachlichen Untersuchungen sei zur Umsetzung eine „ breite gesellschaftliche Diskussion“ notwendig, heißt es in einem weiteren UBA-Papier.
In den 70er und 80er Jahren sei „sehr kontrovers“ über Tempo-30-Zonen in Wohngebieten debattiert worden. Inzwischen seien diese Zonen gesellschaftlicher Konsens. Ein Sprecher des ADAC verwies darauf, dass Autofahrer vor allem zu verkehrsarmen Zeiten wie am Wochenende oder nachts ausgebremst würden.
Erste Zone in Buxtehude
Die erste Tempo-30-Zone in Deutschland war ein Modellversuch im November 1983 im niedersächsischen Buxtehude. Viele weitere Städte folgten. Die Grünen wollen Kommunen die Möglichkeit geben, „eigenständig und unbürokratisch“ über Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsstraßen innerorts zu entscheiden – nicht nur, wenn dort etwa eine Grundschule oder ein Altenheim steht, wie es die Regelung vom Dezember vorsieht.