Hamburg . Überraschend hat die Altonaer Bühne die Zusammenarbeit mit Intendantin Birgit Scherzer beendet. Neuer Leiter ist Marius Adam.
Am Allee Theater hängt der Himmel derzeit nicht voller Geigen. Die ehrwürdige Altonaer Bühne, die das Theater für Kinder und die Hamburger Kammeroper umfasst, schien auf einem guten Weg. Doch Spannungen zwischen der gerade mal sechs Monate amtierenden Intendantin Birgit Scherzer und dem Gründer, ehemaligen Leiter und Vorsitzenden der Allee Theater Stiftung gGmbH, Uwe Deeken, gab es wohl schon länger.
Zum Ende der Spielzeit reichte Scherzer die Kündigung ein, die erst in eineinhalb Jahren wirksam geworden wäre. Doch das Vertrauensverhältnis war da bereits zerrüttet. Am vergangenen Sonnabend musste Scherzer nach einer Freistellung sofort ihren Schreibtisch räumen. Was ist passiert?
Das Publikum blieb weg
Die Kulturbehörde hatte, als Uwe Deeken selbst noch Intendant war, einen Führungswechsel am Allee Theater angemahnt und die Fortsetzung der Subventionszahlungen damit verbunden. Uwe Deeken und seine Frau Barbara Hass gaben also im vergangenen Sommer nach 48 Jahren die Theaterleitung ab an ihre Wunschkandidatin, die renommierte Regisseurin und Choreografin Birgit Scherzer. Die Kritik hat Scherzer mit den von ihr verantworteten Aufführungen künstlerisch überzeugt.
Allein, das Publikum blieb immer häufiger weg. „Wir haben ein Haus mit 48 Prozent Auslastung übergeben. Natürlich in der Hoffnung, dass es besser wird. Zum Ende der Spielzeit liegen wir aber bei 30 Prozent“, so Uwe Deeken. Als Vorsitzender der Allee Theater Stiftung gGmbH und damit haftender Gesellschafter habe er die Reißleine ziehen müssen. „Die geschäftlichen Dinge sind nicht so geführt worden, wie sie hätten geführt werden müssen.“ So seien auch Vorstellungen vor teilweise nur 20 Personen nicht abgesagt worden.
Häufige Einmischungen
Birgit Scherzer beklagt dagegen eine von Anfang an mangelnde Unterstützung am Haus. „Der wirtschaftliche Erfolg war vorher schon nicht so, dass man da große Sprünge hätte machen können“, sagt sie. „Und wenn das Publikum, das ja nicht das jüngste ist, Neuerungen sehr konservativ bis ablehnend gegenübersteht, ist es schwierig.“ Es habe ständig Einmischungen und Störfeuer seitens der vorherigen Leitung gegeben. „Man muss einer neuen Intendanz auch eine Chance geben. Die Kulturbehörde hat einen über insgesamt drei Jahre gestreckten Übergang garantiert, und ich bin voller Enthusiasmus da hineingegangen, um den zu schaffen.“ Das Theater für Kinder laufe weiterhin gut mit einer Auslastung von durchschnittlich 75 Prozent.
„Die Kammeroper hat seit Jahren ein Imageproblem“, so Scherzer. Das Haus locke kaum junge Leute an, was unter anderem an seinem eher plüschigen Charme liege. Auch finanziell, so Scherzer, habe sie chaotische Zustände vorgefunden. Den Spielplan für die nächste Saison hatte sie bereits vorgelegt. „Der wäre so aufwendig gewesen, dass er uns weiter in die Tiefe gerissen hätte“, sagt Uwe Deeken.
Nach dem plötzlichen Weggang Scherzers verschafft sich derzeit Marius Adam, Scherzers Stellvertreter, langjährig als Bariton am Haus engagiert und in allen organisatorischen Dingen bewandert, einen Überblick. Mit einem modifizierten Spielplan, der in den kommenden Wochen präsentiert wird, soll er auch auf lange Sicht als neuer Intendant das Haus wieder zum Erfolg führen.
Fehlender Kontakt zur Basis
Gewinner gibt es bei einem solchen Vorgang naturgemäß nicht. Die Mitarbeiter und die künstlerische Arbeit leiden. „Künstlerisch gab es kein Problem. Frau Scherzer ist eine gute Regisseurin, aber sie ist keine Intendantin“, so Uwe Deeken. „Wir dachten, die ist so knackig, das macht sie locker, aber so war es nicht.“ Er bemängelt bei der renommierten Professorin von der Berliner Hochschule für Schauspiel „Ernst Busch“ fehlenden Kontakt zur Basis, zu Publikum und Freundeskreis. Auch neue Werbemaßnahmen hätten etabliert werden müssen. Birgit Scherzer sagt: „Wenn die Kunst nicht das Wichtigste ist an einem Haus, sondern andere Dinge, dann habe ich da nichts zu suchen.“ Scherzer will jetzt bereits verabredete Regie-Arbeiten wahrnehmen und sich wieder ganz der Kunst widmen.
Marius Adam wünscht sich jetzt nichts mehr, als dass am Theater wieder Ruhe einkehrt und inhaltlich gearbeitet werden kann. Er steht vor einer gewaltigen Aufgabe. „Ich würde alles dafür tun, dass das Haus wieder den Stand kriegt, den es schon einmal hatte.“ Im nächsten Jahr steht unter anderem ein Jubiläum an: 50 Jahre Theater für Kinder.
Auch Uwe Deeken hat große Pläne. So soll schon zum Herbst ein modernerer Eingangsbereich dem Allee Theater äußerlich zu besserem Zugang und neuem Glanz verhelfen, dem bald auch der innere folgen soll.
Alles auf Anfang am Allee Theater.