Hamburg. Rund 700 Teilnehmer kommen heute – auch die Bundeskanzlerin. Das Abendblatt erklärt, was die Branche bewegt.
Wenn die 10. Nationale Maritime Konferenz (NMK) am Dienstag in der Handelskammer eingeläutet wird, kommen nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und zwei Bundesminister nach Hamburg, es geht auch um wichtige Themen. Schifffahrt ist zwar ein globales Geschäft, für Deutschland aber ein elementarer Wirtschaftszweig.
Die maritime Branche steht hierzulande für 400.000 Arbeitsplätze und eine Wirtschaftsleistung von 50 Milliarden Euro. Da steht viel auf dem Spiel, zumal Schifffahrtskrise, Werftinsolvenzen und der Konsolidierungsdruck im internationalen Markt der mittelständisch geprägten Industrie schwer zu schaffen machen. Das Abendblatt zeigt die größten Probleme der Branche auf und erklärt, worüber auf der Konferenz gesprochen wird.
Werften: Heute großer Protestzug
Die Lage der deutschen Werften ist ähnlich unterschiedlich, wie das soziale Gefüge zwischen Arbeitslosen und Konzernmanagern. Während sich die einst insolventen Ostseewerften Nordic Yards unter dem Namen MV Werften durch Großaufträge ihres neuen Eigentümers, der malayischen Genting Gruppe, wieder berappeln, und die Meyer Werft in Papenburg volle Auftragsbücher bis 2023 meldet, geht es bei anderen darum, den Kahlschlag zu verhindern.
Ein Beispiel ist die Hamburger Traditionswerft Blohm + Voss. Nach der Übernahme durch die Bremer Lürssen Gruppe, der es wirtschaftlich gut geht, sollen 300 von 980 Mitarbeitern gehen. Mehr noch: Lürssen will an den Tariflohn für die verbleibenden Mitarbeiter ran. Auch bei der Lloyd-Werft in Bremerhaven soll jede dritte Stelle wegfallen. Die Gewerkschaften fordern, dass diese Probleme auf der Konferenz besprochen werden und wollen im Vorfeld der Tagung demonstrieren: Sie laden für heute zu einem großen Protestzug von Blohm + Voss durch den alten Elbtunnel vor das Rathaus ein. Es werden 1000 Demonstranten erwartet.
Schifffahrt: Neubauten ein Problem
Die langanhaltende Schifffahrtskrise hat ihre Spuren hinterlassen. Die deutsche Handelsflotte ist seit 2013 um mehr als 20 Prozent geschrumpft. Zahlreiche Unternehmen sind vom Markt verschwunden. Andere namhafte Charterreedereien stehen am Abgrund und können nur durch Schuldenerlasse von den Banken am Leben gehalten werden.
Auch die Anzahl der Schiffe, die unter deutscher Flagge fahren, ist stark gesunken. Auf der letzten NMK 2015 in Bremerhaven versprach die Bundesregierung intensive Hilfen: Sie ermöglichte den Reedereien den Lohnsteuereinbehalt für Seeleute, stellte Fördermittel zur Senkung der Lohnnebenkosten zur Verfügung und erließ eine kostengünstigere Vorschrift zur Besetzung von Schiffen. Das Ergebnis lässt auf sich warten: Viele Rückflaggungen von Schiffen unter Schwarz-Rot-Gold hat es noch nicht gegeben. Auch die Finanzierung von Neubauten ist ein Problem.
Häfen: Erleichterung für die deutschen Seehäfen
Ein Schwerpunkt der NMK in Hamburg werden mögliche finanzielle Erleichterungen für die deutschen Seehäfen sein. Sie stehen unter einem harten Wettbewerb mit den Konkurrenten in Rotterdam, Antwerpen und Le Harvre, die ihre Umschlagskapazitäten deutlich ausgebaut haben. Ein Nachteil der deutschen Häfen ist dabei die Einfuhrumsatzsteuer, die es zum Beispiel in den niederländischen Häfen nicht gibt.
Diese Steuer wird vom Zoll auf Importe aus Drittländern erhoben – auch auf Waren, die nach ihrer Anlandung in den Häfen gleich weiter ins europäische Ausland transportiert werden. Die Unternehmen können sich das Geld zwar im Nachhinein wiederholen, das ist aber ein riesiger bürokratische Aufwand. Auf Initiative der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD hat das Finanzministerium nun zugestimmt, das zu ändern. „Wegen des Liquiditätsverlusts und bürokratischen Aufwands bedeutet die derzeitige Praxis der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für deutsche Seehäfen. Die Reform ist eine Notwendigkeit und wird sich schnell positiv auswirken“, sagt der CDU-Beauftragte für die maritime Wirtschaft und Hamburger Bundestagsabgeordnete, Rüdiger Kruse.
Digitalisierung: Unterstützung für Unternehmen
Zur Verbesserung des Hafenumschlags und zur Beschleunigung logistischer Prozesse unterstützt die Bundesregierung Unternehmen bei der Digitalisierung. „Diese betrifft den gesamten maritimen Bereich: die Logistik, die Hafentechnik, den Schiffbau, die Meerestechnik“, sagt der maritime Koordinator der Bundesregierung, Uwe Beckmeyer (SPD), dem Abendblatt.
Es böten sich vielfältige Chancen, beispielsweise bei der Vernetzung von Verkehrsträgern, bei neuen innovativen Verfahren in Entwicklung, Produktion und Vertrieb. „Diese Chancen müssen wir nutzen, um die Branche für die Zukunft fit zu machen“, so Beckmeyer. Unter seiner Federführung wurde dazu ein Positionspapier erarbeitet, das von allen Partnern der maritimen Branche unterzeichnet werden soll.
Umweltschutz: Weniger Plastikmüll
Ebenfalls unter Beckmeyers Führung ist ein Positionspapier zur maritimen Energiewende entstanden, das auch am Dienstag diskutiert wird. Dabei geht es nicht um Windräder, sondern um alternative Schiffsantriebe. Denn auch hier steht die Branche unter Druck: Seit 2015 dürfen in vielen Fahrtgebieten auf See nur noch Treibstoffe mit einem Schwefelanteil von 0,1 Prozent verbrannt werden.
Diese Zonen werden sukzessive ausgedehnt. Die Bundesregierung unterstützt deshalb die Entwicklung emissionsarmer Kraftstoffe und neuer Antriebstechnologien. Immerhin 130 Millionen Euro stehen dafür bereit. Thema der Konferenz ist auch ein Vorstoß der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD zur Reduzierung des Plastikmülls in den Weltmeeren. Die Bundesregierung wird dazu aufgefordert einen Maßnahmenkatalog mit konkreten Zielvorgaben zur Absenkung der Einträge von Plastikmüll in die Gewässer bis 2030 zu erarbeiten.