Hamburg. Eine Ausstellung an der Davidstraße erinnert an Schicksale und Persönlichkeiten. Unter den museumsreifen Frauen ist eine 32-Jährige.

Von wegen nur leichte Mädchen und schwere Jungs. Eine am Freitag startende Sonderausstellung im Sankt Pauli Museum dokumentiert, dass der Stadtteil viel mehr zu bieten hat. Das Motto ist Programm: „Sankt Paulis starke Frauen“.

Bekannte und unbekannte Frauen

An 17 Beispielen, die nach und nach erweitert werden sollen, wird die einflussreiche Rolle der Frauen auf dem Kiez erklärt – damals wie heute. Auf bebilderten Schautafeln und in einem 30-minütigen Dokumentarfilm werden spannende, grausame oder illustre Schicksale geschildert. Vorgestellt werden berühmte und weniger bekannte Frauen. Dazu gehören eine Widerstandskämpferin, eine Zirkusdirektorin, eine Volksschauspielerin und eine Geistliche ebenso wie eine Clubbetreiberin, eine Musikerin oder eine Prostituierte.

St. Paulis Persönlichkeiten

Als Wirtin der Kneipe Zum Silbersack brachte es Erna Thomsen zur dienstältesten Wirtin auf St. Pauli. Nach dem Tod ihres Ehemannes Friedrich im Jahr 1958 führte die gebürtige Hamburgerin die Pinte im Alleingang weiter -- bis zu ihrem Tod am 9. Mai 2012
Als Wirtin der Kneipe Zum Silbersack brachte es Erna Thomsen zur dienstältesten Wirtin auf St. Pauli. Nach dem Tod ihres Ehemannes Friedrich im Jahr 1958 führte die gebürtige Hamburgerin die Pinte im Alleingang weiter -- bis zu ihrem Tod am 9. Mai 2012 © Sankt Pauli Museum
Eve Champagne ist Burlesque-Tänzerin und Tourguide auf dem Kiez
Eve Champagne ist Burlesque-Tänzerin und Tourguide auf dem Kiez
Lotte Mende war plattdeutsche Schauspielerin auf St. Pauli
Lotte Mende war plattdeutsche Schauspielerin auf St. Pauli
1/3

„Unser Stadtteil umfasst gerade einmal 2,3 Quadratkilometer“, sagt Jürgen Henke aus dem Vorstand des Sankt Pauli Museums an der Davidstraße, „doch sind diese randvoll mit Geschichte und Geschichten gerade auch von Frauen.“ Seit November des vergangenen Jahres feilt der Diplom-Pädagoge und hauptberufliche Eventmanager mit eigener Agentur gemeinsam mit vier weiteren ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern am Konzept der Sonderausstellung.

Geilste Rampensau auch dabei

„Die Auswahl fiel uns schwer“, bekennt Henke. „Leider haben wir im Museum nur 160 Quadratmeter Platz.“ Nach und nach soll die Zahl der Schautafeln fast verdoppelt werden. Dabei setzen die Museumsmacher auf Anregungen aus der Nachbarschaft. Ein Vorschlag kam bereits und wird in die Tat umgesetzt. Er betrifft eine Majorin der Heilsarmee.

Denn das rote Licht gehört dazu, ist jedoch nur eine Facette. Präsentiert werden aktive Persönlichkeiten wie Cornelia Schröder, die Chefin der Davidwache, oder die Quartiersmanagerin Julia Staron. Dazu gehört auch die Kauffrau Susan-Renate Lawrence, die auf der Reeperbahn das älteste Schuhgeschäft der Stadt betreibt. Oder Terry Krug als Betreiberin der „Tanzhalle St. Pauli“, die Gastwirtin Bettina Kupsa (Chug Club) oder Kirsten Kleine, bis Anfang dieses Jahres Besitzerin der Kiez­kaschemme Zur Ritze.

Jüngste in der Reihe ist die Bur­lesque-Tänzerin Eve Champagne, die vor 32 Jahren unter dem bürgerlichen Namen Evelyn Szepa in Bremen geboren wurde. Aktuell lässt Frau Champagne, die sich selbst als „geilste Rampensau der Republik“ bezeichnet, in einer Showbar Hüllen fallen und organisiert zudem Touren durch den Stadtteil.

Ein Kloster am Pepermölenbek

Besonders spannend sind die Beschreibungen verstorbener Persönlichkeiten. Die Heilwigstraße in Harvestehude/Eppendorf kennen viele, doch wer weiß um die Gräfin Heilwig von Holstein und Schauenburg? Anno 1246 gründete die Adlige nahe der Einmündung des Pepermölenbek in die Elbe ein Zisterzienserinnen-Kloster. Damit leitete sie die erste urkundlich festgehaltene Besiedlung des heutigen St. Pauli ein.

Rund sechs Jahrhunderte später brachte es die gebürtige Hamburgerin Johanna Dorothea Louise Müller zu Bekanntheit. Als Schauspielerin Lotte Mende trat sie auf allen möglichen Bühnen hierzulande auf, hauptsächlich jedoch im St. Pauli Theater. Ihren Spitznamen Lotte erhielt sie durch eine gleichnamige Rolle im plattdeutschen Stück „Stadtminschen un Buurenlüüd“. Damals bog sich das Publikum vor Lachen.

Vor dem Zweiten Weltkrieg galt Anna Wilhelmine Catharina Veldkamp als Berühmtheit im Viertel. Auf dem Dom betrieb sie eine Bude, die ihre Großmutter als Zuckerwattestand gegründet hatte. Auf einem Grabstein im „Garten der Frauen“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof erinnert ihr Spitzname „Mutter Veldkamp“ an das wohltätige Wirken der Hanseatin.

Einmal wöchentlich versorgte sie obdachlose und verarmte Kinder kostenlos mit Kuchen und Getränken. Während der Bombenangriffe der „Operation Gomorrha“ wurde auch ihr Café auf dem Heiligengeistfeld zerstört. Eineinhalb Jahre vor Wilhelmine Veldkamps Tod im Dezember 1944 wurde die französische Widerstandskämpferin France Bloch-Sérazin zum Tode verurteilt und im Untersuchungsgefängnis St. Pauli mit dem Fallbeil hingerichtet.

Unvergessen: Silbersack-Wirtin Erna Thomsen

Andere Schicksale der neuen Ausstellung sind erfreulicher. Paula Busch war namhafte Zirkusdirektorin und Meisterin der Pantomime. Anna Simon leitete vier Jahrzehnte das St. Pauli Theater. Und Erna Thomsen wurde in ihrem Lokal „Zum Silbersack zu einer Gastronomiegröße auf dem Kiez. Die handfeste, indes gutmütige Wirtin verstarb im Mai 2012, die Frauen Paula Busch und Anna Simon Jahrzehnte zuvor. Dass sie alle keinesfalls vergessen sind, ist von Freitag an zu sehen.

Die Ausstellung

Die Ausstellung „Sankt Paulis starke Frauen“ ist Bestandteil des Sankt Pauli Museums und im Eintritt inbegriffen. Sie läuft vom 31. März bis Ende September. Öffnungszeiten: Mo–Mi 11 bis 18 Uhr, Do 11–21 Uhr, Fr/Sa 11–23 Uhr, So 10–18 Uhr. Eintritt: 5 Euro (St. Paulianer 4 Euro, in Gruppen 3 Euro). Adresse: Davidstraße 17 (Ecke Friedrichstraße), 20359 Hamburg. Tel. 040/439 20 80. Internet: www.sankt-pauli-museum.de