Teil 10: Christoph Strenger hat das coole East-Hotel auf St. Pauli zum Erfolg geführt. Privat steht er mehr auf Fußball und Rockmusik.

Die jüngste Tätowierung auf dem linken Arm zeigt die Skyline von Kapstadt mit dem Tafelberg. In Südafrika macht Christoph Strenger schon seit 15 Jahren regelmäßig mit Freunden Urlaub. Dort, sagt er, hat er „eine zweite Heimat gefunden“. Die anderen Tattoos verbirgt das kurzärmelige Hemd, das er an diesem sommerlichen Tag zur Jeans trägt. Auch die linke Brusthälfte zieren Tintenzeichnungen auf der Haut, verrät Strenger. „Alles hat eine persönliche Bedeutung für mich.“ Der Mann, das ist sofort einsichtig, ist ein Hotel-Chef der besonderen Art.

2006 erhielten er und seine damaligen Geschäftspartner Roland Koch sowie Marc Ciunis den Gründerpreis als „Aufsteiger des Jahres“, zwei Jahre nachdem sie auf St. Pauli das East-Hotel eröffnet hatten. Das Design der Herberge wurde seither mehrfach preisgekrönt. Nur wenige Schritte von der Reeperbahn entfernt hat Star-Architekt Jordan Mozer aus Chicago ein Hotel für Hamburg entworfen, das unter anderem in New York bei den Gold Key Awards zum zweitbesten Designerhotel weltweit gekürt wurde.

Seither ist viel passiert. Aus dem East-Hotel mit seinen etwa 60.000 Gästen pro Jahr in den 128 Zimmern sowie 75.000 Restaurant-Besuchern und durchschnittlich 150.000 Gästen in der Bar ist so etwas wie ein East-Kosmos geworden – mit diversen Restaurant- und Bar-Ablegern wie beispielsweise dem Clouds und dem Coast oder auch dem Coast by East auf Mallorca. Die Zahlen und Fakten ruft Strenger, Geschäftsführer der East Group und Konzepte-Entwickler, entspannt aus seinem Handy ab.

"Ich bin als Fels in der Brandung übrig geblieben"

Aber auch in der Gesellschafterstruktur hat sich einiges geändert. Marc Ciunis, neun Jahre lang als selbst ernanntes „Front-Schwein“ kongenialer Partner des innovativen Konzeptgebers, hat seine Anteile verkauft und ist ausgeschieden. In bestem Einvernehmen betont Strenger. „Ich bin als Fels in der Brandung übrig geblieben.“ Denn mit Anne-Marie Bauer hat im gleichen Zeitraum auch die langjährige Direktorin das East verlassen. Aus privaten Gründen, wie es 2013 offiziell hieß. Nachfolger ist inzwischen Rainer Schmidhuber. Das schillernde Trio Strenger, Ciunis, Bauer hatte das Design-Hotel mit ungewöhnlichen Aktionen und Ideen zum gesellschaftlichen Treffpunkt nicht nur der Hamburger gemacht.

Roland Koch, der mit Strenger und Michael Meier auch das Unternehmen Gastro-Consulting SKM führt, ist dagegen immer noch als Anteilseigner über die gemeinsame Firma am Hotel beteiligt. Zusammen mit der East Group erwirtschafteten die 27 Betriebe der Gastro-Consulting mit etwa 1000 Mitarbeitern im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 61,9 Millionen Euro Umsatz.

Strenger, der Mann mit dem scheinbar nie versiegenden Strom von umsetzbaren Visionen, ist natürlich auch in der Elbphilharmonie engagiert, Hamburgs kulturellem Leuchtturmprojekt, das nächstes Jahr im Januar nach vielen Anläufen und immensen Baukosten endlich als Konzerthaus genutzt werden kann. Anfang November öffnet bereits die Plaza, der Bereich für den öffentlichen Publikumsverkehr. Jürgen Nordmann, Inhaber der Störtebeker Brauspezialitäten aus Stralsund, und Strenger werden auf drei Stockwerken ihr Gastro-Konzept vorab präsentieren. „Wie bieten ein Restaurant mit 200 Plätzen, ein Deli mit hochwertigen Snacks für den schnellen Hunger und ein sogenanntes Shop & Taste, in dem Besucher Geschenke oder andere Devotionalien kaufen können“, sagt Christoph Strenger.

42 zusätzliche Zimmer werden angebaut

Auch für das East bastelt er an einer neuen Zukunft. 42 zusätzliche Zimmer werden innerhalb der nächsten zwölf Monate angebaut, der Fitnessbereich muss umziehen und wird exklusiv für die Hotelgäste umgebaut. Und auch ein neues Nightlife-Konzept ist geplant. Das Uppereast im vierten Stock des Hotels, als Nachtclub einer der Hotspots der Stadt, wurde bereits Ende April­ geschlossen und auf Mallorca wieder eröffnet. Wie das neue Konzept aussehen wird, mag Strenger noch nicht verraten. Nur so viel: Der weltweit führende Technikausstatter Prokon ist im Boot. Und: „Wir wollen mainstreamiger und lockerer werden.“ Das Prinzip Türsteher gehört dann nicht mehr dazu.

Die Bauarbeiten persönlich zu überwachen gehört zwar nicht zum Lebens- und Arbeitsprinzip des Hotelgründers, wie er selbst von sich sagt. Doch da sich im Obergeschoss des Hauses seine Wohnung befindet, ist er räumlich immer eng am Geschehen. „Ganz regelfrei kann man kein Unternehmen führen“, erklärt er seine Führungsstrategie. „Dennoch ist Freiheit eines der wichtigsten Attribute für mich.“ Zeit und Kompetenz an andere abzugeben, fügt er hinzu, sei eine seiner Stärken.

Strenger kann sich Zukunft im Fernsehen vorstellen

Schon während des Studiums der Geografie und der Betriebswirtschaftslehre gründete der gebürtige Bielefelder seine ersten Restaurants und Bars. „Mein Professor am Geomatikum fand das nicht immer lustig“, sagt er. Doch eines war dem risikofreudigen Studenten schon früh klar: „Ich will eine Beschäftigung für mein Leben, die mir Spaß macht. Geld verdienen ist dabei maximal das Zweitwichtigste.“ Dazu passen Gastauftritte im Fernsehen, wo Strenger für den Sender Vox in der Sendung „Mein himmlisches Hotel“ ins Duell mit einem Bremer Kollegen trat, und auch eine eigene Kochbuchreihe („Kiezküche“). „Ich könnte mir aber auch gut vorstellen, fürs Fernsehen Clubs und Hotels zu testen, so wie es die Köche mit Restaurants schon lange tun“, sagt er.

Dass er mit 55 Jahren ohne eigene Familie ist, passt ins Bild vom umtriebigen Macher. „Ich habe Ehe und Kinder nie ausgeschlossen“, sagt er. „Aber wenn ich mir ansehe, wie viele Beziehungen in meinem Bekanntenkreis nicht mehr funktionieren, dann glaube ich nicht, dass ich etwas verpasst oder falsch gemacht habe.“

Dennoch macht auch er sich so seine Gedanken zum Älterwerden. „Ich fühle mich zwar frisch, aber man weiß ja nie. Und das ein oder andere Zipperlein stört auch schon“, bekennt er. Eines allerdings möchte er so lange wie möglich hinauszögern. „Gedanken über den Renteneintritt mache ich mir ganz bestimmt nicht. Denn das ist der erste Schritt ins wirkliche Älterwerden.“

Äußerlich kommt ohnehin niemand auf den Gedanken, den zwar grauhaarigen, aber mit vielen Armbändern und einer auffälligen Kette mit Anhänger geschmückten Mann mit dem Begriff Senior in Verbindung zu bringen. Strenger, das ist bekannt, ist nicht nur FC-St.- Pauli-, HSV-Fußball und HSV-Handball-Fan, sondern auch bekennender Wackianer. Auch in diesem Jahr war er beim Heavy-Metal-Open-Air-Festival. Ausnahmsweise allerdings im eigenen Bus. „Ich habe die Tage wie immer genossen“, sagt Strenger. Weil er inzwischen schon am Sonntagmorgen nach Hause fährt, blieb der Sonnabend feiermäßig gesehen im Rahmen. Eine Entscheidung aus Reife.