Hamburg. Seit mehr als zehn Monaten sind Hamburger Sozial- und Innenbehörde sich uneins. Warum Unternehmen verunsichert sind.
Offenbar haben unterschiedliche Auffassungen zwischen der Sozial- und Innenbehörde in den vergangenen Monaten die Möglichkeit erschwert, dass Flüchtlinge eine Ausbildung beginnen können.
Der Bundestag hatte Anfang Juni vergangenen Jahres die sogenannte 3plus2-Regelung beschlossen, wonach geduldete Asylbewerber, die eine duale Ausbildung beginnen, mindestens fünf Jahre nicht abgeschoben werden. Unternehmen sollen dadurch Sicherheit erhalten, dass Flüchtlinge eine dreijährige Ausbildung abschließen und dann noch zwei Jahren im Unternehmen verbleiben können.
Allerdings hat Hamburg nach auch mehr als zehn Monaten nach dem Beschluss des Bundestages noch keinen Erlass zur Ausbildungsduldung erlassen, der beschreibt, wie diese Regelung angewandt werden kann.
Innenbehörde pocht auf Einzelfallprüfung
Die Innenbehörde hat nach Informationen des Abendblatts die Sorge, dass die 3plus2-Regelung missbraucht werden könnte, und pocht auf eine Einzelfallprüfung, um Flüchtlinge ohne Aufenthaltstitel abschieben zu können. Die Sozialbehörde will die Regelung hingegen weiter auslegen.
In der Wirtschaft ist deshalb Unsicherheit verbreitet, was zur Zurückhaltung bei der Ausbildung von Flüchtlingen führt. Zumal die Unternehmer den fünfjährigen Abschiebestopp gern auf ausbildungsvorbereitende Maßnahmen wie Praktikum oder Einstiegsqualilfizierung ausweiten würden.
Es fehle an Rechtsklarheit
Die Wirtschaft hofft, dass der Senat bald einen Erlass beschließt. So sollen die beiden Behörden sich verständigt haben. Die Innenbehörde behält sich demnach allerdings auch künftig eine Einzelfallprüfung vor, will aber „wohlwollend“ prüfen. Das Fehlen der konkreten Verfahrensanweisung gilt als wichtiger Grund dafür, warum im Rahmen des Senatsprogramms „work and integration for refugees“ (WIR) im vergangenen Jahr lediglich 19 Flüchtlinge eine Ausbildung aufnehmen und 82 Asylbewerber ein Praktikum absolvieren konnten.
Zudem hätten an WIR beteiligte Behörden, Arbeitsagentur und Wirtschaft sich „erst einmal zusammenfinden mussten“, heißt es. Im Kern stößt das Programm aber auf Zustimmung bei der Wirtschaft, weil damit ein behördenübergreifendes Angebot unterbreitet wird. Es gilt trotz „überschaubarer Ergebnisse“ daher als Erfolg.
Die Sozialbehörde bewerte die WIR-Ergebnisse bereits positiv. „Mit den hier gemessenen 1.068 Personen ... wurde eine Zielgruppe zugrunde gelegt, die sich teilweise erst seit wenigen Monaten, maximal ein Jahr in Hamburg aufgehalten hat“, erklärte die Behörde auf Anfrage.
Ohne Sprachkenntnisse und berufsvorbereitende Maßnahmen sei die Aufnahme einer Ausbildung kaum möglich. „Dass so viele Geflüchtete dennoch binnen Kurzem den Sprung in die Ausbildung geschafft haben, sehen wir als Erfolg ... an.“
Die Opposition übt dagegen Kritik am Senat. „Hamburg als Hoffnungsstadt für Flüchtlinge erweist sich in der Praxis an vielen Stellen als leeres Versprechen“, sagte Karin Prien, CDU-Fraktionsvize. Es fehle an Rechtsklarheit. „Streitereien zwischen Innen- und Sozialbehörde erweisen sich als Integrationshemmnis und Grund dafür, dass kaum Flüchtlinge in eine duale Ausbildung kommen“, sagte Prien.
Hamburg verzichtet auf Geld des Bundes
Die FDP-Politikerin Jennyfer Dutschke forderte den Senat auf, Rechtssicherheit rasch zu schaffen, „damit Flüchtlinge im Hamburger Ausbildungsmarkt endlich eine Chance bekommen“. Allerdings müsse Missbrauch verhindert werden. „Darüber hinaus brauchen wir eine Anwerbestrategie für Mangelberufe, die sich gezielt an Flüchtlinge richtet, die für die Aufnahme einer dualen Berufsausbildung infrage kommen“, sagte Dutschke.
Zudem hat Hamburg neben dem Saarland als einziges Bundesland bislang keine Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge vorgeschlagen. Der Bund hatte im Sommer 2016 ein derartiges Programm aufgelegt und die Übernahme der Kosten zugesichert. Bis 2020 stellt Berlin jedes Jahr dafür rund 300 Millionen zur Verfügung. Die Sozialbehörde vertritt den Standpunkt, andere Angebote für Flüchtlinge seien erfolgsorientierter und deckten den Bedarf des Hamburger Arbeitsmarkts besser ab.
Prien warf dem Senat vor, aus ideologischen Gründen Flüchtlingen die Chance auf erste Schritte in unseren Arbeitsmarkt zu verweigern. Dutschke sieht Ein-Euro-Jobs zwar kritisch, sagte aber: „Eine sinnstiftende Beschäftigung mit kleinem Zuverdienst ist allemal integrationsfördernder als Langeweile im Flüchtlingscamp.“