Ammersbek. Das Treffen in Ammersbek ermöglichte Asylbewerbern aus der Region direkten Kontakt und Chancen bei möglichen Arbeitgebern.
Mouneer Ahhammoud nimmt eine Abisolierzange zur Hand und zieht sie über eine hauchdünne Glasfaserleitung. Zum Vorschein kommt eine nur noch haardicke Leitung, die er mit einem feinen, in Alkohol getränkten Tuch reinigt. Zwei dieser Leitungsenden legt er anschließend in ein transportables Spleißgerät, wo sie so miteinander verwoben werden, dass gigabitweise Daten in ein angeschlossenes Haus fließen können. „Ich bin fasziniert, könnte mir das als Einstieg vorstellen“, sagt der Syrer, der in seinem Heimatland als Elektroingenieur mit Gasturbinen gearbeitet hat. Sein Ziel: In Deutschland wieder eine seiner Qualifikation entsprechende Arbeit zu finden, am liebsten im Windkraftbereich.
Viele Flüchtlinge gehen die Arbeitssuche motiviert an
„Netzwerkmonteure, die diese Geräte bedienen können, werden im Moment deutschland- und europaweit gesucht“, sagt Michael Cottel von der Firma Opternus beim „Speed-Dating“ für Arbeitgeber und Flüchtlinge im Ammersbeker Dorfgemeinschaftshaus. Organisiert von Gemeinde, Arbeitsagentur und Jobcenter Stormarn sollen Flüchtlingen aus der Umgebung Jobperspektiven aufgezeigt werden. Für die Netzwerktechnik interessiert sich auch Akwasi Oti. „Ich habe in Ghana als IT-Techniker gearbeitet und könnte das bestimmt“, sagt der 33-Jährige, der seit anderthalb Jahren in Deutschland lebt. Vorteil des Kennenlernens sei die Erdung der Flüchtlinge, sagt Britta Schulze vom Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur. „Elektriker in Afghanistan zu sein, heißt etwas ganz anderes als in Deutschland.“ Viele Flüchtlinge seien zwar sehr motiviert, schätzten ihre Fähigketen am Anfang aber zu optimistisch ein. „Zumindest der Einstieg liegt in Deutschland klar im Hilfsbereich.“
Nach Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung haben knapp 70 Prozent der Flüchtlinge keine abgeschlossene Berufsausbildung. Deren repräsentative Befragung ergab, dass lediglich 13 Prozent einen Hochschulabschluss haben, einen beruflichen Abschluss sogar nur sechs Prozent. Zahlen nur für Stormarn gibt es bisher nicht. Abhilfe könnte bald Monique Mörer schaffen. Die 30-jährige beobachtete die Berufsmesse als Teil ihrer praktischen Ausbildung bei der Arbeitsagentur. Sie sagt: „Ich schreibe meine Bachelor-Arbeit zum Thema Jobperspektiven von Flüchtlingen im Kreis.“
Heike Grote-Seifert, Chefin der Oldesloer Arbeitsvermittler, spricht auf Abendblatt-Anfrage von einer „große Aufgabe“, die Anforderungen Arbeitsmarktes mit der Qualifikation der Flüchtlinge zusammen zu bringen.
Sicherheitsanweisungen müssen verstanden werden
„Nach Ankunft in Deutschland dauert es selbst mit Hochschulreife und vorhandenen Englischkenntnissen mindestens anderthalb Jahre, bis eine Ausbildung oder Arbeit aufgenommen werden kann.“ Selbst wenn Abschlüsse vorhanden sind, seien diese oft nicht mit deutschen Standards vergleichbar und ohne Zeugnisse schwer anzuerkennen. Viele Flüchtlinge wollten auch erst einmal Geld verdienen und schöben eine vergleichsweise schlecht bezahlte Ausbildung auf. Selbst für Helferstellen sei ein ausreichendes Verständnis der Sprache wichtig, um zum Beispiel Sicherheitsanweisungen zu verstehen.
„Das ist auch bei uns essenziell“, ergänzt Gabriele Saegebrecht von der Tangstedter Tiefbaufirma Eggers auf der Messe. Während der Jobs bei ausreichender körperlicher Fitness sonst keine besonderen Kenntnisse voraussetze, müssten die Flüchtlinge viel Disziplin mitbringen. „Morgens um 7 Uhr bei Wind und Wetter auf der Baustelle zu stehen, dazu hat nicht jeder Lust“, sagt die Personalerin. Michael Cottel sieht jedoch auch viel Potenzial, „die sind sehr motiviert“. Im Unterschied zu vielen Deutschen, wie er anfügt. „Wir mussten unsere Kurse für Langzeitarbeitslose einstellen, weil zu viele die Teilnahme abgebrochen haben“, sagt er, dessen Firma Netzwerktechnik vertreibt und Monteure schult.
Fünf Arbeitgeber fehlten wegen Krankheit bei der Jobmesse
Deutschlehrerin Beate Preis, nennt weitere Gründe, die die Integration erschweren: „Traumata von der Flucht und eine unklare Bleibeperspektive erschweren den Lernprozess erheblich.“ Außerdem sollte bei den Kursen mehr Augenmerk auf mathematische Grundlagen gelegt werden. „Bei vielen reichen die Kenntnisse sonst nicht für die Berufsschule“, sagt sie.
„Schade war, dass leider nur sechs von elf angemeldeten Arbeitgebern gekommen sind“, sagt Britta Schulze. Grund seien kurzfristige Krankheitsfälle gewesen. Zufrieden ist sie mit der Veranstaltung trotzdem. 20 Lebensläufe hat sie eingesammelt, die sie an potenzielle Arbeitgeber weiterleiten will. Ingrid Hodiamont, Flüchtlingsbeauftragte der Gemeinde, freut sich über das große Interesse von 120 Flüchtlingen und greift eine Idee von Unternehmer Cottel auf: „Wir wollen gemeinsam einen Workshop anbieten, bei dem die Flüchtlinge ausprobieren können, ob die Netzwerktechnik etwas für sie ist.“