Hamburg. Im Ernstfall bleiben der Feuerwehr acht Minuten. Am Stadtrand erreichen Retter nicht einmal in jedem zweiten Fall ihr Zeitziel.
Im Ernstfall bleiben genau acht Minuten. Solange stehen die Chancen gut, Menschen lebend aus dem Inferno eines stark brennenden Hauses zu retten. Fünf Minuten mehr bleiben, um mit zusätzlichen Kräften ein „Flashover“, also ein explosives Durchzünden der Flammen, zu verhindern. So weit die Theorie der Feuerwehr.
In der Praxis sind die Beamten oft lange nicht so rasch vor Ort. Nur zu 69,6 Prozent konnte im Jahr 2016 das sogenannte Schutzziel der Feuerwehr erreicht werden – fünf der 17 Feuer- und Rettungswachen schafften es nicht einmal bei der Hälfte aller Einsätze, wie vorgesehen in acht Minuten in ausreichender Stärke am Einsatzort zu sein. Das ergab eine schriftliche Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Dennis Gladiator an den Senat. „Es ist jetzt nicht mehr kurz vor zwölf, sondern Punkt zwölf für ein entschlossenes Gegensteuern“, sagte Gladiator.
Vor allem am Stadtrand kommen Retter oft spät
Nach den Senatsangaben wurden die Ziele vor allem am Rande der Stadt deutlich verfehlt: In den Wachen Harburg, Finkenwerder, Süderelbe und Sasel wurde die vorgegebene Zeit nur in rund 40 bis 45 Prozent der Fälle erfüllt. Auch in Alsterdorf waren die Beamten gemessen an ihren Zielen in weniger als der Hälfte der Fälle rechtzeitig vor Ort – in Veddel, Altona und Osdorf betrug die Quote nur etwas mehr als 50 Prozent. Vergleichsweise schnell waren dagegen die Beamten der Wachen in Bergedorf, Barmbek, Rotherbaum, die die Ziele zu mehr als drei Viertel erfüllten. Die besten Quoten weisen die Wachen in der Innenstadt (90 Prozent) und am Berliner Tor (86 Prozent) auf.
Bis zum Ende des Jahrzehnts soll die Quote der Feuerwehr nach den erklärten Zielen des Senats flächendeckend auf ein solches Niveau steigen – derzeit ist der Trend aber sogar rückläufig. Der durchschnittliche Zielerreichungsgrad im gesamten Stadtgebiet sank von Juni 2016 an rapide. War die Feuerwehr mit zehn Mann von Januar bis Mai 2016 noch in 71,6 bis 77,4 Prozent der Fälle innerhalb der Hilfsfrist am Einsatzort, waren es von Juni bis Dezember 2016 maximal nur noch 67,7 Prozent. Zwar sei die Evaluation für 2016 noch nicht abgeschlossen. „Gleichwohl ist bereits jetzt erkennbar, dass unter anderem aufgrund einer erhöhten Krankenquote im Einsatzdienst ab Juni 2016 die Funktionsbesetzung an den Feuer- und Rettungswachen und somit der Erreichungsgrad für die zweite Jahreshälfte 2016 rückläufig waren“, sagt Feuerwehrsprecher Torsten Wesselly.
CDU-Innenexperte wertet Zahlen als Alarmsignal
In der Wache Süderelbe wurden die Zeitvorgaben im vierten Quartal nur noch zu 30 Prozent erfüllt. Zu Beginn des Jahres waren die Beamten in Finkenwerder sogar nur bei jedem fünften Einsatz rechtzeitig. Der Senat merkt zu seiner Statistik an, dass geringe Fallzahlen die Quote in einigen Fällen verzerrten und kleinste Überschreitungen der Minutenfristen als Mangel ausgewiesen würden.
CDU-Innenexperte Gladiator wertet die Zahlen dagegen als weiteres Alarmsignal: „Es muss der Anspruch sein, dass die Bevölkerung in allen Stadtteilen gleich gut durch die Feuerwehr geschützt wird. Das Problem wird nicht verschwinden, wenn man es nur weiter schönredet“. Er forderte den Senat auf, im Dialog mit allen Parteien eine langfristige Strategie zu entwerfen. Konkret bedeute das einen Plan, um 650 zusätzliche Feuerwehrleute zu gewinnen und die erforderlichen sechs neuen Wachen zu bauen.
200 neue Feuerwehrleute sollen eingestellt werden
Damit die Hilfsfrist besser eingehalten wird, hat die Feuerwehr mehrere Maßnahmen angestoßen. So sollen bis 2021 insgesamt 200 Feuerwehrleute zusätzlich eingestellt werden, zudem rechnet die Feuerwehr mit positiven Effekten durch den Neubau der Portal-Wache Othmarschen und der Feuerwache Schnelsen. Geprüft wird darüber hinaus, wie die Tagesverfügbarkeit der freiwilligen Feuerwehren, die Personalbesetzung bei Krankheitsfällen und die Ausrückzeiten durch bauliche Maßnahmen optimiert werden können. Diskutiert wird bei der Feuerwehr aktuell auch die Einführung einer Bereitschaftsfeuerwehr. Dabei handelt es sich um eine Art schnelle Eingreiftruppe, die flexibel eingesetzt werden kann, um Einsatzspitzen besser abdecken oder personelle Ausfälle (z.B. durch Krankheit) kompensieren zu können. Konkret sind diese Pläne bislang allerdings nicht.
Eine solche Bereitschaftsfeuerwehr, für die zunächst zehn Mann in den Dienst genommen werden könnten, hält auch Daniel Dahlke, Sprecher des Hamburger Berufsverbandes der Feuerwehr, für sinnvoll. Um den Zielerreichungsgrad dauerhaft und entscheidend zu verbessern, führe am Bau zusätzlicher Wachen und der Einstellung von mehr Feuerwehrleuten aber kein Weg vorbei.
„Innerhalb der Feuerwehr wurden wirklich bereits alle Möglichkeiten ergriffen, aus eigenen Mitteln noch effizienter zu werden“, sagt der CDU-Abgeordnete Gladiator. Nun müsse die Politik den Beamten bei der Erfüllung der Ziele helfen.