Hamburg. Sie wurde entführt, misshandelt, beinahe ertränkt, immer wieder mit dem Tode bedroht. Richter: „Geschehen wirkt menschenverachtend.“

Äußerste Brutalität, absolut rücksichtsloses Verhalten und Drohkulissen, wie sie Furcht erregender kaum sein können: Liliana S. (alle Namen geändert) hat dieses Martyrium durchleiden müssen. Sie wurde entführt, misshandelt, beinahe ertränkt, immer wieder mit dem Tode bedroht.

Über etliche Stunden dauerten die Qualen für die 37-Jährige an, bis sie sich wie durch ein Wunder aus ihrer Zwangslage befreien konnte. „Es ist ein Trauma, bis an mein Lebensende“ hat die zierliche Frau vor Gericht über ihre Leidenszeit gesagt.

16 Verhandlungstage

„Sie hat quasi lebenslänglich bekommen“, nennt es im Prozess vor dem Landgericht der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung gegen einen der Männer, der nach Überzeugung der Kammer für die grauenhafteste Zeit im Leben der zweifachen Mutter mit verantwortlich ist. Gegen den Angeklagten Milosz R. verhängt das Gericht sieben Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe, unter anderem wegen Geiselnahme. Bei dem Verbrechen handele es sich um ein „geradezu hässliches Tatbild“.

16 Verhandlungstage hat dieser Prozess gedauert, 16 Termine, während derer Milosz R. schweigend und oft kühl lächelnd und mit herausforderndem Blick dagesessen hat. Auch als das Opfer, von Weinkrämpfen übermannt, als Zeugin ihr Martyrium schilderte. Es war der 11. Juni 2015, frühmorgens um 4 Uhr, als die 37-Jährige auf dem Weg zur Arbeit plötzlich von einem ihr unbekannten Mann überwältigt wurde. Der Täter drohte, ihr die Kehle durchzuschneiden.

Opfer sollte an Bordell verkauft werden

Dann kam ein zweiter Mann hinzu, der sich fortan als der Wortführer bei der Geiselnahme betätigte – ein Kerl, den Liliana S. schon fürchten gelernt hatte: ihr früherer Lebensgefährte Adam K. Ihn hatte die 37-Jährige verlassen, weil er sie wiederholt geschlagen hatte. Nun wollte Adam K. sich an seiner Ex-Partnerin rächen, indem er sie entführen und an ein Bordell in den Niederlanden verkaufen wollte. Der Ex-Lebensgefährte von Liliana S. wurde bereits in einem gesonderten Verfahren rechtskräftig zu sieben Jahren Haft verurteilt.

„Er würgte mich, hielt mir ein Messer an den Hals und sagte, wenn ich noch mal schreie, schneidet er mir die Kehle durch“, hatte Liliana S. im Prozess gegen Milosz R. über den Moment erzählt, als sie überwältigt wurde. Ihr Ex-Partner hielt ihr zudem eine Pistole an den Kopf. Anschließend fesselten die Verbrecher sie und verklebten ihren Mund. Dann wickelten sie die Frau in eine Decke und verfrachteten sie in den Kofferraum eines Autos. Eine Zeugin, die diese Szene beobachtet hatte, sagte im Prozess, die Geschundene sei behandelt worden „wie ein Stück Vieh“.

Stunden in Todesangst

Doch das war erst der Auftakt der Leidenszeit von Liliana S. Es folgten Stunden, in denen sie fortwährend unter Todesangst litt. Ihre Peiniger brachten sie in eine Wohnung, bugsierten ihr Opfer in das Badezimmer, ließen die Wanne volllaufen und drückten den Kopf der sich verzweifelt wehrenden Frau mehrfach unter Wasser. Man werde sie ertränken, wurde ihr gedroht, und auch ihre beiden Töchter würden getötet werden.

Später wurde die 37-Jährige erneut ins Auto gedrängt. Man habe sie für 10.000 Euro an ein Bordell verkauft, nun fahre man nach Holland, um sie dort ihren neuen Besitzern zu übergeben, kündigten die Verbrecher gegenüber der gemarterten Frau an. Um diesem Schicksal zu entkommen, startete Liliana S. einen verzweifelten Fluchtversuch: Sie gab vor, dringend auf die Toilette zu müssen, ihre Geiselnehmer hielten daraufhin an einem Autobahnparkplatz, bedrohten sie weiter mit dem Messer. Dennoch rannte sie los und konnte so ihren Peinigern entkommen – mithilfe eines zufällig dort parkenden Autofahrers, der ihre Notlage erkannt hatte. Ihm verdanke sie, sagte die verweinte Liliana S. als Zeugin, „dass ich noch lebe“.

„Mit hoher krimineller Energie geplante Tat“

Durch DNA auf Zigarettenkippen, eine eindeutige Identifizierung durch das Opfer sowie etliche weitere Indizien ist der Angeklagte R. nach Überzeugung des Gerichts eindeutig als Täter überführt. Insgesamt, so der Vorsitzende Richter, handele es sich um eine „mit hoher krimineller Energie geplante Tat. Und das Geschehen wirkt geradezu menschenverachtend.“