Hamburg. Beschäftigte des Traditionsunternehmens Buss ziehen vor Gericht. Schwere Vorwürfe gegen ihren Ex-Chef.
Er ist Mitglied der SPD, der Partei, die sich als Vertreterin der kleinen Leute versteht. Zudem ist Johann Killinger ein angesehener Hamburger Hafenunternehmer. Doch jetzt proben eine Reihe von Mitarbeitern den Aufstand gegen den geschäftsführenden Gesellschafter der Buss-Gruppe, die seit 150 Jahren im Hamburger Hafen als Dienstleister wirkt.
Genauer gesagt geht es um ehemalige Mitarbeiter des Buss-Hansa-Terminals (BHT), eines Umschlagbetriebs für Stückgut und Spezialladung, die ihrem Ex-Chef soziale Ungerechtigkeit vorwerfen und ihn dafür vor das Arbeitsgericht bringen. Eine erste Verhandlungsrunde haben die Hafenarbeiter am Donnerstag verloren, aber fest steht schon jetzt: Weitere werden folgen. Dabei gibt es das Unternehmen der Klagenden eigentlich gar nicht mehr.
„Sozialplan verdient seinen Namen nichtl“
Denn das BHT wurde Ende des vergangenen Jahres geschlossen. Nicht auf Betreiben Killingers. Es war die Stadt, welche die Flächen von Buss zurückforderte, weil sie hier neue Hafenunternehmen ansiedeln möchte. Für etwa 60 Buss-Mitarbeiter bedeutete diese Entscheidung das Job-Aus. 36 von ihnen klagen jetzt gegen ihre Kündigung. Und der Betriebsrat geht darüber hinaus gegen den Sozialplan vor.
Dieser war von einer Einigungsstelle aufgelegt worden, nachdem die Arbeitnehmervertreter erfolglos mit der Buss-Führung über die Höhe der Abfindungen gestritten hatten. Die Hafenarbeiter sind dennoch erbost. „Dieser Sozialplan verdient seinen Namen nicht. Er ist unsozial“, sagt Michael Heitmann, stellvertretender Betriebsrat bei Buss. „Ich habe 25 Jahre für Buss gearbeitet und bekomme jetzt eine Abfindung von 30.000 Euro“, sagt er. Noch schlimmer seien die Kollegen dran, die gar keine Abfindung erhalten: „Wer über 60 ist, wird mit zwei Jahren Arbeitslosengeld abgespeist und bekommt dann nur eine gekürzte Rente.“
Bemessungsfaktor für Abfindungen gering
Tatsächlich ist der Bemessungsfaktor für die Abfindungen nicht besonders hoch, wie das Arbeitsgericht Hamburg am Donnerstag feststellte. Maximal 0,32 Bruttogehälter pro Beschäftigungsjahr erhalten langjährige Buss-Mitarbeiter, jüngere sogar nur 0,15 Gehälter. Das Buss-Management sagt, man hätte sich den Gang in die Einigungsstelle gerne erspart: „Wir hatten den betroffenen Mitarbeitern ursprünglich ein Mehrfaches an Abfindungszahlungen angeboten – höher als Faktor 1. Der Betriebsrat hat aber Faktor 2,o gefordert, da mussten wir in die Einigungsstelle gehen“, so eine Unternehmenssprecherin.
Der Vorwurf der Hafenarbeiter lautet: Killinger soll bewusst dem BHT Kapital entzogen haben, sodass für Abfindungen nicht mehr Geld zur Verfügung stand. Denn der Unternehmensboss habe bereits vor Jahren mehr als 100 Millionen Euro von der Stadt für die vorzeitige Auflösung des Pachtvertrags am Hansa-Terminal erhalten.
Gelder seien zweckentfremdet worden
„Wir haben über sieben Jahre hohe Millionensummen in den defizitären BHT investiert, um die Beschäftigung dort zu sichern“, so die Unternehmenssprecherin. Der Anwalt der Kläger, Gerhard Cesarano, hat andere Informationen: „Der Gesellschafter hat dem Geschäftsbericht zufolge 2010 mehr als 41 Millionen Euro aus dem Vermögen des BHT entnommen und 2011 ausweislich des Konzernlageberichts ein Darlehen von 68,8 Millionen Euro vom BHT auf die Schifffahrtssparte übertragen, um neue Schiffe zu bestellen. Die Kreditzinsen in Höhe von 5,4 Millionen Euro, die dem BHT zustanden, wurden nicht gezahlt“, so Cesarano. Fazit: Gelder seien zweckentfremdet und das BHT so künstlich arm gerechnet worden.
Gericht wies die Klage des Betriebsrats ab
Beim Arbeitsgericht setzte er sich damit nicht durch. Dieses interessierte sich am Donnerstag ausschließlich für die Grundlagen des Sozialplans und hatte daran nichts zu beanstanden. Das Gericht wies die Klage des Betriebsrats ab. Auch wenn der Faktor nicht hoch bemessen sei, so federe er die Nachteile der Beschäftigten doch für durchschnittlich 20 Monate ab, urteilten die Richter. „Wir gehen weiter“, sagte Klägervertreter Cesarano danach. Er werde Beschwerde beim Landesarbeitsgericht einlegen. Im Falle eines Scheiterns sei zudem der Gang vor das Bundesarbeitsgericht geplant.
Hinzu kommen die Kündigungsschutzklagen. Vielen Mitarbeitern, wie dem Containerbrückenfahrer Michael Friedrich, wurde nämlich erst Anfang Dezember zum Jahresende gekündigt, also binnen eines Monats – folglich nicht mit Drei-Monatsfrist wie im Tarifvertrag vorgesehen. Buss beruft sich auf eine Klausel, nach der die Kündigungsfrist im Falle eines Sozialplans verkürzt werden kann. Friedrich hält dagegen: „2009 hat Buss mit der Stadt den Vertrag über die vorzeitige Beendigung des Pachtvertrags geschlossen. Da hätte das Unternehmen auch in der normalen Frist kündigen können.“
Verfahrene Situation
Auch der Senat trage Verantwortung an der nun verfahrenen Situation, sagt der hafenpolitische Sprecher der Links-Fraktion in der Bürgerschaft, Norbert Hackbusch: „Der Senat hat auf die vorzeitige Kündigung des Pachtvertrags bestanden. Er hat den Vertrag ausgehandelt, der Killinger jetzt erlaubt, sich aus der Sozialplanverantwortung zu stehlen. Aber der Senat vereinbarte offenbar keine Regelung für die betroffenen Beschäftigten.“