Hamburg. Die Debatte in der Hamburgischen Bürgerschaft über den neuen Haushalt der Stadt hatte es in sich. Linke mussten die Sitzung verlassen.

Mehr als 20 Stunden hat die Bürgerschaft in dieser Woche über den neuen Haushalt 2017/2018 debattiert. Als am Donnerstag um 22.30 Uhr die letzte Abstimmung geschafft war und sich die Abgeordneten anschließend in der Lobby zum traditionellen Umtrunk versammelten, war fast allen die Erleichterung anzumerken. Ausgaben über 28 Milliarden Euro hat man ja nicht alle Tage auf dem Tisch. Und die drei Tage im Rathaus hatten es in sich. Ein Rückblick.

Die kürzeste Rede: Am Ende der Debatte über den Verkehrsetat waren noch exakt 13 Sekunden für einen Redebeitrag der FDP übrig. Nutzen oder nicht? Wieland Schinnenburg entschied sich dafür: „Über die Verkehrspolitik in Hamburg könnte ich stundenlang reden, aber dafür ist keine Zeit.“ Daher sage er nur einen Satz: „Die Verkehrspolitik in Hamburg ist grottenschlecht.“ Je nach Standpunkt war damit ja alles gesagt.

Die längste Rede: 35 Minuten nahm sich Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), um in der Generaldebatte am Dienstag die Erfolge seiner Politik anzupreisen. Mit zunehmender Rededauer geriet sein Vortrag allerdings mehr zu einem verbalen Rundumschlag gegen die Opposition. Dass die in den zwei Stunden zuvor die Verdienste des Senats nicht ausreichend gewürdigt hatte, zum Beispiel die Gebührenfreiheit von Kitas und Hochschulen, brachte Scholz geradezu in Rage: „Dieser Fortschritt ist von Ihnen noch nicht gelobt worden“, blaffte er in Richtung CDU, „das müssen Sie noch mal machen, und mindestens so lange müssen Sie noch in der Opposition bleiben.“ Seine Genossen waren ebenso begeistert wie überrascht. „Da musste er wohl mal was loswerden“, meinte einer hinterher.

Debatte ohne Senator: Lange hatte er tapfer durchgehalten, doch kurz vor Beginn der Justiz-Debatte am Mittwoch meldete sich der erkrankte Justizsenator Till Steffen (Grüne) dann doch ab. Sein offizieller Vertreter wäre eigentlich Innensenator Andy Grote (SPD) gewesen. Doch das Plädoyer für den liberalen Rechtsstaat wollten die Grünen dann doch lieber selbst halten – und so musste Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank ran.

Debatte ohne Senatorin: Da die Spitze der Kulturbehörde seit dem Tod von Senatorin Barbara Kisseler am 7. Oktober unbesetzt ist, sprach Finanzsenator Peter Tschentscher als ihr offizieller Vertreter in der Debatte über den Kulturetat. Auch während ihrer langen Krankheit hatte er Kisseler bei offiziellen Terminen häufig vertreten. Beim Abendessen am Donnerstag – Roastbeef, Bratkartoffeln und Rote Grütze – sinnierten Senatsvertreter daher darüber, ob man Finanz- und Kulturbehörde nicht gleich zusammenlegen sollte. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Herren haben sich einen Scherz erlaubt.

Der Autor ist Abendblatt-Reporter des Ressorts Landespolitik
Der Autor ist Abendblatt-Reporter des Ressorts Landespolitik © HA | Klaus Bodig

Versöhnlich: Tatsächlich knabbern sowohl Senat als auch Abgeordnete und Kulturszene immer noch an dem Verlust der extrem anerkannten Senatorin. Dass mit Norbert Hackbusch (Linke) ein Oppositionspolitiker die Gefühlslage am besten auf den Punkt brachte, sagte alles. „Ich vermisse Barbara Kisseler“, leitete er seine Rede ein. Sie sei eine gute Kämpferin für die Kultur gewesen, und er hoffe auf „eine würdige Nachfolgerin“. Dafür gab es Applaus von allen Seiten.

Unversöhnlich: Bemerkenswert waren die versöhnlichen Worte insofern, als die Linkspartei am Tag zuvor für einen Eklat gesorgt und es sich mit weiten Teilen des Parlaments verscherzt hatte. Vor Beginn der Debatte über den Sozialetat hatten acht ihrer zehn Abgeordneten Pappschilder mit der Aufschrift „Stoppt Abschiebung nach Afghanistan“ hochgehalten. Das erschütterte zwar nicht die Grundfesten des Rathauses, es sprach inhaltlich sogar einigen Grünen- und SPD-Abgeordneten aus dem Herzen. Aber gemäß der Hausordnung der Bürgerschaft sind derartige Protestaktionen nun mal verboten.

Das war den Pappkameraden natürlich vorher bekannt. In einer einstündigen Sitzung des Ältestenrates zeigte die Fraktionsführung daher auch keinerlei Einsicht. Alle Angebote, sich zu entschuldigen und das Thema regelkonform zu behandeln, wurden ausgeschlagen. Und so blieb Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) keine andere Möglichkeit, als die acht Abgeordneten von der Sitzung auszuschließen – woraufhin ihre Fraktionskollegen Christiane Schneider und Norbert Hackbusch, die an der Aktion nicht beteiligt waren, aus Solidarität mitgingen.

Der letzte Ausschluss nahezu einer ganzen Fraktion aus der Bürgerschaft ereignete sich 1993, als es neun Grüne traf. Insofern war es nicht überraschend, dass die Linkspartei ihr Ziel erreichte: Ihr gehörten an dem Tag die Schlagzeilen. Ein kalkulierter Tabubruch, um Aufmerksamkeit zu erregen – das war zuletzt vor allem das Stilmittel der AfD. Dass nun auch ausgerechnet die Linke zu solchen Mitteln greift, die sonst gern „moralinsauer eine ernsthafte inhaltliche Debatte einfordert“, sei erschütternd, bemerkte ein Sozialdemokrat.

Melkkuh Elbphilharmonie: Keine Fraktion hat weniger Haushaltsanträge gestellt als die AfD. Fraktionschef Jörn Kruse kompensierte das kurz vor Ende der Beratungen mit einem eigenwilligen Vorschlag: Er regte an, die Eintrittspreise für die Elbphilharmonie zu verdoppeln. „Doppelte Preise bedeuten doppelte Einnahmen“, dozierte der Volkswirtschaftler. 85 Euro für die besten Karten bei Konzerten renommierter Orchester seien doch Verschwendung von Steuergeld. Ein echter Antrag wurde daraus zwar nicht. Aber der Rest des Parlaments hatte seinen Spaß.