Hamburg. Bartels in der Innenstadt gibt auf. Die Kosten steigen, der Umsatz sinkt. Einen stationären Laden zu betreiben rechnet sich nicht mehr.

In dem Geschäft an der Großen Theaterstraße nahe den Colonnaden steht die kanadische Pop-Diva Céline Dion („The Power Of Love“) Rücken an Rücken mit dem russischen Komponisten Modest Petrowitsch Mussorgsky („Bilder einer Ausstellung“) im Karton; neben einer leicht angestoßenen vierbändigen Gesamtausgabe „Bach, Sämtliche Klavierwerke“ im blauen Schuber liegt die Musikfibel „Tina und Tobi“. Über allem hängen Schilder mit der Aufschrift „50 %“. Bei Bartels Noten ist Ausverkauf. Am Tag vor Heiligabend um 18 Uhr schließt Hamburgs größter Notenladen, der letzte in der Innenstadt und das letzte Geschäft in der Stadt, das ausschließlich Musiknoten verkauft. Für immer.

„Der Mietvertrag läuft aus, und die Gesamtkosten sind zu hoch für den Umsatz, den wir im Ladengeschäft machen“, sagt Inhaber Ulrich Jesse über den wesentlichen Grund, sich aus Hamburg zurückzuziehen. 2005 hatte der Bremer Notenhändler das Musikhaus Wagner in der Großen Theaterstraße übernommen. Kurz zuvor hatte der Hamburger Klavierbauer Steinway & Sons verkündet, er werde nach 100 Jahren sein Geschäft an den Colonnaden schließen.

Endpunkt einer „schleichenden Entwicklung“

Auch die umfangreiche Notenabteilung von Steinway – eine der größten Deutschlands – wurde damals im Herbst 2004 an ein Bremer Unternehmen verkauft. Der Notenverkauf sollte ursprünglich in der Innenstadt weitergeführt werden – wurde dann aber doch bald geschlossen. Nun ist auch einen Steinwurf entfernt vom ehemaligen Steinway-Geschäft Schluss mit dem Notenverkauf.

Es ist der Endpunkt einer „schleichenden Entwicklung“, wie Ulrich Jesse sagt. „Im Tagesgeschäft bemerkt man das zunächst gar nicht so, aber die Jahresvergleiche zeigen genau, dass die Umsätze sinken, weil immer weniger Kunden in den Laden kommen. Und gleichzeitig steigen die Kosten – leicht, aber stetig.“ Betriebswirtschaftlich sei das auf Dauer nicht durchzuhalten. Auf eine Verkleinerung der Geschäftsfläche habe er sich mit dem Vermieter nicht verständigen können. Im Frühjahr war noch eine Shop-in-Shop-Lösung im Gespräch, doch sie zerschlug sich.

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Ein knappes Dutzend Spezial­geschäfte, die ausschließlich Noten verkaufen und „allein vom Papier leben“, gibt es in Deutschland noch, schätzt Jesse. „Vor allem in Großstädten“, weiß Daniela Zimmer, Musikalienhändlerin in Stuttgart und Vorsitzende des Fachverbands Noten im Gesamtverband Deutscher Musikfachgeschäfte. Natürlich haben alle längst auch einen Onlineshop. „Der Versand und Bestellungen per Telefon haben im Notenhandel traditionell einen großen Anteil. Vor 40 Jahren haben Kunden per Postkarte aus dem Katalog geordert, vor 25 Jahren per Fax, heute eben im Onlineshop. Und zwei, drei Postkarten pro Monat kommen auch noch“, sagt Jesse.

Beratung im Laden spielt eine große Rolle

Daniela Zimmer schätzt den nega­tiven Effekt der Onlinekonkurrenz auf die stationären Geschäfte trotzdem als hoch ein. „Die Brot-Artikel der Händler wie Instrumentalschulen für Anfänger oder Beethoven-Klaviersonaten-Bände, die unkomplizierten Sachen, über die der Kunde nicht nachdenken muss, laufen zunehmend über Amazon“, sagt sie. „Die Fachgeschäfte werden immer mehr zu Spezialisten, die die komplizierten und seltenen Sachen auftreiben müssen.“

Die Beratung am Telefon oder im Laden spiele eine große Rolle, sagt auch Ulrich Jesse. „Es kommen wie im Buchhandel, auch Kunden nur zum Stöbern und mit einem großen Beratungsbedarf. In den Gesprächen braucht man deshalb viel Einfühlungsvermögen und große Erfahrung.“ Damit die dem Unternehmen nicht verloren geht, habe er allen sieben Mitarbeitern in Hamburg den Wechsel ins Stammhaus nach Bremen angeboten.

Seine Hamburger Kunden hat Jesse per Brief auf die bevorstehende Geschäftsschließung und den Ausverkauf aufmerksam gemacht. „Viele sind traurig, manche geschockt. Sie fragen ,Wo bekomme ich denn jetzt meine Noten her?`“ Der Inhaber verweist dann auf sein Geschäft in Bremen, die Telefonberatung und seinen Online-Shop. Die Noten, die er bis 23. Dezember nicht verkauft hat, wird Jesse ins Bremer Stammhaus mitnehmen.

Doch auch in Hamburg selbst finden Musikliebhaber weiter mehrere Fachgeschäfte mit größerer Notenabteilung – wenn auch nicht so gut und umfangreich sortiert wie Bartels Noten: Secondo in Groß Borstel, Trekel in Langenhorn, Merkl in Bergedorf etwa. Für alle ist der Notenverkauf eines von mehreren Standbeinen, die Geschäfte verkaufen auch Instrumente oder bieten Unterricht an. In Ottensen hat erst vor einem Jahr mit der Musikalienhandlung Melodie ein Geschäft mit größerer Notenabteilung und einem überraschenden weiteren Standbein eröffnet. Der Laden ist gleichzeitig ein Café.