Hamburg. Auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Rathaus beklagen die Händler leichte Umsatzrückgänge. Drinnen aßen Außenminister zu Abend.
Seit dem Vormittag steht die Absperrlinie rund um das Rathaus. Ein Panzerwagen blockiert den Zugang zum Alten Wall, Richtung Großer Burstah hat die Polizei die Straße abgeriegelt, für Fußgänger bleibt nur eine durch Absperrgitter stark verengte Passage auf dem Gehweg, am Abend ist auch sie gesperrt.
Hinter der Linie, im prunkvollen Festsaal des Rathauses, dinieren am Abend die OSZE-Außenminister, während sich vor der Linie auf dem Weihnachtsmarkt wie üblich Hunderte Besucher tummeln, die miteinander trinken, schnacken und lachen. Aus den Lautsprechern dudelt an diesem trüben Herbsttag Weihnachtsmusik, die bunten Lichter der Buden funkeln, allenthalben duftet es nach Glühwein. Einige Besucher versuchen an der Absperrung vor der Rathauspforte, einen Blick auf die prominenten Gäste zu erhaschen – vergebens. Die Delegationen werden hintenherum ins Rathaus gebracht.
Der Kontrast könnte kaum größer sein: unbeschwerte Stimmung und Glühweinseligkeit hier, Absperrgitter und Panzerwagen dort, beides nur Meter voneinander entfernt. Es ist ein fast surreales Szenario und ein bekanntes Bild an diesem ersten Gipfeltag: Dort, wo die Außenminister zusammensitzen, ist Sperrgebiet. Schon der Germania Ruder Club, wo sich die Politiker zum Mittagessen trafen, wurde von einer kaum zu überschauenden Zahl von Beamten hermetisch abgeschirmt.
Auch am Rathaus überlässt die Polizei nichts dem Zufall. So ist das direkt am hohen Haus gelegene Restaurant Parlament den ganzen Donnerstag über gesperrt. „Es ist schon komisch, wenn auf einmal so viel Polizei vor dem Fenster steht, da hat man schon ein etwas mulmiges Gefühl“, sagt die Angestellte Janine Radloff, die für die Reservierungen zuständig ist und am Donnerstag im Büro arbeitete.
Das OSZE-Treffen in Hamburg:
Trotz der omnipräsenten Polizei herrscht auf dem Weihnachtsmarkt Normalität. Viele Besucher nehmen am Donnerstagabend nur am Rande Notiz vom enormen Aufgebot an Uniformierten. Oder sie scheren sich schlicht nicht darum. Die Standbetreiber hingegen sprechen von einem etwas geringeren Umsatz und weniger Besuchern im Vergleich zu den Tagen davor. Möglicherweise hänge das mit den Sicherheitsmaßnahmen zusammen, vielleicht handele es sich auch nur um normale Fluktuationen, sagt eine Glühweinverkäuferin.
Angelique Bohnstedt vom Glühweinstand Elbschlösschen, der direkt vor dem Absperrgitter steht, sieht das ähnlich. „Es liegt nahe, dass die Leute nicht in Massen in die City strömen, wenn hier alles dicht ist“, sagt sie. Gut findet sie aber, dass der Markt trotz des OSZE-Gipfels geöffnet bleibt. Eine Schließung, so Bohnstedt wäre für die Gastronomen und Händler bei den horrenden Standmieten eine mittlere Katastrophe gewesen.
Und schließlich Heinrich, ein älterer Händler, der Schmiedeartikel vor dem Rathaus verkauft. Etwas ruhiger sei es am Donnerstag schon. „Aber am Ende zählt, was hier drin ist“, sagt er und schwenkt lächelnd sein Portemonnaie. Grundsätzlich begrüße er, dass das OSZE-Treffen in Hamburg stattfindet, die hohen Sicherheitsmaßnahmen müsse man da eben in Kauf nehmen. „Es ist wichtig, dass die Mächtigen nicht übereinander, sondern miteinander reden“, findet Heinrich.
Bei all der echten oder zur Schau getragenen Entspanntheit bei Marktbeschickern und Besuchern könnte man für einen Moment vergessen, dass sich Hamburg im Ausnahmezustand befindet. Business as usual auf dem Weihnachtsmarkt am Rathaus – nur, dass der OSZE-Gipfel plötzlich ganz nah ist.
US-Außenminister auf dem Weihnachtsmarkt
Noch näher dran am politischen Großereignis war der tunesischstämmige Händler Mouheb Abdmouleh. Am Mittwoch besuchte US-Außenminister John Kerry seinen Stand auf dem Weihnachtsmarkt an der Binnenalster, dieser kaufte ihm sechs handgefertigte Produkte aus Olivenholz ab. Am Tag nach dem prominenten Besuch schwingt in Abdmoulehs Stimme noch immer etwas Stolz mit – sein Stand sei der einzige gewesen, den Kerry besichtigt habe.
Von der Entourage des Spitzenpolitikers sei er über den Besuch zuvor nicht informiert worden. „Er stand plötzlich da, in einem Halbkreis um meinen Stand herum hat die Security alles geräumt“, sagt er. Vier Weinbecher, einen Trinkbecher und eine hölzerne Klingel habe der Top-Diplomat erworben. „Sieben Euro zahlte er in bar, 138 Euro per Kreditkarte“, sagt der 31-Jährige.
Dem Abendblatt erzählt Mouheb Abdmouleh, dass er zunächst gedacht habe, es handele sich bei dem Herren um den Hamburger Bürgermeister. „Ich kenne mich nicht gut mit Politik aus, irgendwie kam mir da gleich der Bürgermeister in den Sinn“, sagt Abdmouleh. Zumal der offensichtlich wichtige Mann auch „sehr gut Deutsch“ gesprochen habe. Pressevertreter im Schlepptau von Kerry hätten ihn darauf hingewiesen, wer ihn tatsächlich mit seiner Anwesenheit beehrt hat. Zahlreiche Printtitel und Onlinemedien berichteten über die Stippvisite an seinem Stand, das Fernsehen interviewte ihn. Eins bleibt Abdmouleh neben der Erinnerung an einen wohl einmaligen Geschäftsabschluss: jede Menge Publicity.
13.000 Polizisten sichern das OSZE-Treffen:
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