Hamburg. Unternehmen ist Deutschlands größte Privatchartergesellschaft. Das 2001 gegründete Unternehmen beschäftigt heute 160 Piloten.
An der Wand des Großraumbüros zeigt der große Bildschirm eine Karte von Europa und dem Nahen Osten. In Larnaka auf Zypern leuchtet ein Flugzeugsymbol. Die Kennung DAJET steht daneben. Am Morgen kam die Maschine aus Baden-Baden. DAHOI parkt derzeit in Moskau. DAFUN ist gerade auf dem Weg nach Kiew, und DAZUR überfliegt Saudi-Arabien, um nach Kuwait zu gelangen. Von dort ist sie am nächsten Morgen für einen Flug nach Rom gebucht. Vier weitere Flugzeugsymbole und ihre Registrierung sind zu sehen. Alle acht haben ein paar Gemeinsamkeiten: Es sind Maschinen vom Typ Embraer Legacy. Die Flüge darin leisten sich nur Prominente und Reiche. Und die mittelgroßen Flieger werden von Air Hamburg verchartert, dem größten Privatjetbetreiber in Deutschland und auch in Europa in den Top Fünf.
Floris Helmers steht im vor knapp einem Jahr bezogenen Großraumbüro an der Leverkusenstraße in Bahrenfeld und schaut der DAZUR hinterher. „Teilweise fliegen wir ein- bis zweimal täglich nach Riad“, sagt der Gründer und Geschäftsführer von Air Hamburg. Dabei tummelte sich das Unternehmen bis 2013 ausschließlich auf dem europäischen Markt. Mit dem Kauf der ersten Legacy wurden Fernziele möglich. Die Reichweite ist mit bis zu 7000 Kilometern fast doppelt so hoch wie bei den anderen Typen der Flotte wie der Embraer Phenom und den Cessna-Citations. „Die Fernziele auszubauen, hat super funktioniert“, sagt Helmers.
Immer größer werdende Flotte
Es ist ein wichtiger Baustein in der Erfolgsgeschichte des Unternehmens. 2001 fingen Helmers und Alexander Lipsky mit der Flugschule Hamburg an, vier Jahre später kam Air Hamburg hinzu. Und der Charterdienst wächst seitdem kräftig. „Das ist eine Entwicklung, von der wir nicht träumen konnten“, sagt Helmers. In den vergangenen beiden Jahren haben sich Umsatz und Mitarbeiterzahl mehr als verdoppelt. Pro Jahr wurden zuletzt zweimal 70 Beschäftigte eingestellt – da wurde die alte Firmenzentrale in Stellingen zu klein. „Wir haben jetzt 250 Mitarbeiter, darunter sind 160 Piloten“, sagt Helmers. Mehr als 90 Millionen Euro Umsatz sollen in diesem Jahr erzielt werden. „2017 wollen wir die 100-Millionen-Euro-Marke knacken.“
Das Wachstum basiert vor allem auf der immer größer werdenden Flotte. 21 Flugzeuge hat die Privatairline derzeit in der Buchung. Die Flaggschiffe sind die acht Legacys, in die bis zu 13 Passagiere passen. 33 Millionen Dollar kostet eines davon laut Preisliste, allerdings sind Rabatte in der Branche üblich. Die bekommt das Unternehmen natürlich, weil es nach Helmers Angaben der größte Legacy-Betreiber mit den meisten Flugstunden ist.
Flugzeuge werden durch Investoren bezahlt
Bezahlt werden die Flugzeuge durch Investoren. Der größte ist der Frankfurter Simon Ebert. Seiner Familie gehörte einst der Kosmetikkonzern Wella. 2012 stieg er als Gesellschafter bei Air Hamburg ein, ihm gehört nun die Hälfte des Unternehmens. Helmers und Lipsky teilen sich die andere Hälfte.
„Unser Ziel ist es, 2019 in der Flotte 30 Flugzeuge zu betreiben“, sagt Helmers. Zwei weitere Jets sind fest bestellt. Eine Legacy 650 soll Embraer im ersten Quartal 2017 ausliefern, eine Phenom 300 im Laufe des Frühjahrs. Drei Maschinen würden pro Jahr eingeflottet. Mit einem Durchschnittsalter von drei Jahren habe man die jüngste Flotte in Europa, sagt Helmers, der gern bald ein neues Flagg(luft)schiff ordern möchte. „Die nächste Flugzeugbestellung soll eine Nummer größer sein als die Legacy.“ Ein kleiner Airbus vom Typ A318 oder A319 kämen ebenso infrage wie eine kleine Boeing. Wahrscheinlich werde auf dem Gebrauchtmarkt zugeschlagen und die Inneneinrichtung bei Bedarf erneuert.
Eigener Flugzeugwerftbetrieb
Auch in ein neues Geschäftsfeld wird Geld gesteckt. Anfang des kommenden Jahres soll in Baden-Baden der eigene Flugzeugwerftbetrieb aufgenommen werden. Der Grund für den Schritt: Die Überholungsbetriebe seien teilweise überlastet. Daher dauere es oft lange, bis man einen Termin bekommt, das treibe die Standzeiten nach oben. Zudem lasse die Sauberkeit der Arbeiten mitunter zu wünschen übrig. Drei Mitarbeiter für die eigene Werft seien bisher eingestellt worden, so schnell wie möglich soll die Zielgröße von 20 Personen erreicht werden. Gute Techniker zu bekommen, sei aber schwierig, sagt Helmers.
Wer groß investieren will, muss auch Geld verdienen. „Unser Gewinn ist stabil und gut“, sagt Helmers, ohne absolute Zahlen zu nennen. Das Geld bleibe in der Firma, viel werde in neue Maschinen gesteckt. Doch der Konkurrenzkampf in der Branche sei hart. Helmers: „Wir verlieren manchmal Flüge, die 54.000 Euro kosten, wegen 100 Euro.“
Die Preisspanne ist groß. Wer mit Air Hamburg beispielsweise die Tagestour Hamburg-Mannheim-Hamburg bucht, muss dafür etwa 4000 Euro berappen. Für einen Oneway-Flug nach Mosambik werden 130.000 Euro fällig. Der Preis für die Reise in das südostafrikanische Land sei deswegen so hoch, weil man davon ausgehe, leer zurückzufliegen. Einen Anschlussauftrag von dort gebe es fast nie. Gerade diese Leerflüge versucht das Unternehmen aber zu vermeiden. Wo das Flugzeug steht, müsse man es vermieten, sagt Helmers.
Durchschnittlich 40 Flüge pro Tag macht Air Hamburg derzeit, in der Hochsaison sind es bis zu 65. Rennstrecken sind die Flüge von Nizza nach London oder Moskau. Russland ist trotz eines Rückgangs um etwa ein Drittel seit der durch die Sanktionen bedingten Wirtschaftskrise ein wichtiger Markt. Das Geschäft im Nahen Osten konnte das auffangen.
Die Crews sind acht Tage am Stück im Einsatz. Sie werden in flughafennahen Hotels untergebracht. Spätestens in 90 Minuten müssen sie abflugbereit sein. Denn das Privatjetfliegen lebt von der Schnelligkeit. Jeder zweite Flug werde maximal zwei Tage vor dem Start gebucht, häufig solle die Maschine am besten sofort starten können.
Der Dalai Lama und Naomi Campbell flogen Air Hamburg
Als vor Kurzem die Formel-1-Saison in Abu Dhabi endete, hagelte es Aufträge. An Bord der Air-Hamburg-Maschine kletterte schließlich Felipe Massa. Die Liste der Prominenten ist lang: Ob Schauspieler Leonardo DiCaprio, George Clooney, Topmodel Naomi Campbell, Sänger und Teenie-Schwarm Justin Bieber, der Dalai Lama oder der britische Ex-Premier Tony Blair – alle flogen bereits mit den Hamburgern. Helmers: „Übers Jahr gesehen haben wir alle deutschen A-, B- oder C-Promis einmal an Bord.“
Häufig würden sie im feinen Zwirn den Jet betreten, nach dem Start den Jogginganzug anziehen und vor der Landung sich wieder in den Anzug werfen. Chief Operating Officer Mike Ulka: „Das ist für unsere Passagiere wie ein Wohnzimmer.“ Damit sie sich wohlfühlen, werde viel Wert auf gutes Catering gelegt. Wer im Geschäftsfliegerzentrum in Fuhlsbüttel startet, erhält Speisen aus dem Café Himmelsschreiber, das auch zu der Unternehmensgruppe gehört. In anderen Städten werde mit lokalen Top-Restaurants zusammengearbeitet. Ulka: „Ein gutes Essen ist das Highlight eines Fluges.“
Über den Wolken wird kräftig gefeiert
Der Großteil der Passagiere verhalte sich übrigens überaus höflich und korrekt, auch wenn über den Wolken durchaus kräftig gefeiert wird. Es gibt allerdings auch Gäste, die deutlich über die Stränge schlagen.
Als Geschenk für den saudi-arabischen Botschafter flog Air Hamburg einst sieben Falken von Tadschikistan nach Kairo. Die beiden Falkner sprachen kein Englisch. In der Luft öffneten sie entgegen der Absprache die Käfigtüren, um die Vögel zu kämmen. Erst saßen die Tiere auf der Couch und schliefen. Plötzlich bekam einem der Falken die Höhenluft nicht mehr. Vogelwild flog er durch das Flugzeug, krallte sich ins Bein einer Stewardess, verletzte sie und beschädigte das Inventar. Helmers: „Der Schaden lag im sechsstelligen Bereich, die Möbel wurden ausgetauscht.“