Hamburg. 2017 ist Schluss. Mit ihm verlässt ein kreativer wie streitbarer Geist die Stadtentwicklungsbehörde.

Im Sommer 2017 geht eine Ära zu Ende: Oberbaudirektor Jörn Walter wird nach 18 Jahren aus seinem Amt ausscheiden – der genaue Zeitpunkt hängt von seiner Nachfolge ab. Er habe die Stadt „maßgeblich geprägt und mitgestaltet“, lobte gestern Senatorin Dorothee Stapelfeldt. „Wir haben Prof. Walter sehr viel zu verdanken und hätten die fachlich und menschlich hervorragende Zusammenarbeit mit ihm sehr gerne fortgesetzt.“ Auch wenn bei Abschieden die Wahrheit mitunter etwas kurz kommt – dieses Bedauern ist echt. 18 Jahre hatten vor ihm nur wenige geschafft: Egbert Kossak kam auf dieselbe Zahl an Jahren, der legendäre Fritz Schumacher leitete sogar 24 Jahre bis zur Machtergreifung der Nazis die Behörde.

Bald nach seiner Wahl im Dezember 1998 musste sich Walter der Kritik erwehren. Mal waren es Bürger, die sich am zeitgeistigen Ritter-Sport-Baustil „quadratisch, praktisch, gut“ oder an Glaspalästen rieben, mal Politiker, die seine Ideen bezweifelten, mal Architekturkritiker, die Extravaganz vermissten. Auch Egbert Kossak moserte öffentlich über seinen Nachfolger, die vermeintliche Zerstörung des Stadtbilds, die HafenCity, die Elbphilharmonie.

Der 59-Jährige hat sich der Kritik stets gestellt und leidenschaftlich diskutiert. Dabei half dem gebürtigen Bremer, dass er Hamburg, dieses Gesamtkunstwerk aus rotem Backstein und weißem Putz, bis in die letzten Gassen und Twieten durchdrungen hat und perfekt erklären kann. Bei Podiumsdiskussionen ist er eine Rampensau – bekommt er das Wort, gibt er es so schnell nicht wieder her.

Er redet mit Händen und Füßen, zündet rhetorische Feuerwerke – und vermag Stimmungen zu drehen – in kleinen Bürgersprechstunden wie in großen Zeitläuften. Tatsächlich ist die Kritik an der Hamburger Stadtentwicklung nicht verstummt, aber leiser und sachlicher geworden. Großprojekte wie die Internationale Bauausstellung in Wilhelmsburg oder die Neue Mitte Altona brachte er auf den Weg, leidenschaftlich kämpfte er für Olympia.

Walter stand schnell im Fokus der Kritik

Vor allem die HafenCity, diese 157 Hektar große Brache inmitten der Stadt, wurde zum Herzstück seiner Arbeit. Als er sein Amt in der Stadtentwicklungsbehörde 1999 antrat, war noch kein städtebaulicher Wettbewerb entschieden, kein Spatenstich erfolgt, kein Grundstein gelegt. Bis dahin gab es nur die Vision, eine Machbarkeitsstudie und viele Ideen.

Walter prägte die Entwicklung des Stadtteils wie kein Zweiter. Und stand schnell im Fokus der Kritik: „Würfelhusten am Wasser“, spotteten Architekten, weil Walter überall in der HafenCity die einmaligen Wasserlagen für Besucher wie Bewohner erschließen wollte. Viele Hamburger haderten in den ersten Jahren mit dem neuen Stadtteil, Architekturkritiker schüttelten sich: „Überall trifft man auf unsägliche Scheußlichkeiten.“ Schneller als der Stadtteil wuchs die Liste der Kritiker; die HafenCity war noch nicht zu einem Drittel vollendet, da galt sie schon als komplett gescheitert.

Heute ist der Stadtteil belebt und beliebt bei Touristen wie Hamburgern. Und wenn im Januar die Elbphilharmonie eröffnet wird, das Schlüsselbauwerk, bekommt der Stadtteil seine „Kathedrale“, wie Walter einmal sagte. „Bei der letzten großen Stadterweiterung von der Altstadt zur Neustadt haben die Hamburger den Michel gebaut, heute bauen sie ein Konzerthaus.“

„Auf Walter kommen sportliche Aufgaben zu"

In seinen 18 Jahren bewies Walter politische Geschmeidigkeit – berufen wurde er von einem rot-grünen Senat. Er blieb unter der Koalition der CDU mit der FDP und der Schill-Partei genauso im Amt wie unter der CDU- und der SPD-Alleinregierung. Nie unumstritten, aber über die Parteigrenzen hinweg geschätzt.

„Auf Jörn Walter kommen sehr sportliche Aufgaben zu: Er muss den Spagat schaffen zwischen der sozialen Stadtentwicklung und den ambitionierten Projekten wie HafenCity und Arena, zwischen den Wünschen der Bürger einerseits und der Investoren andererseits“, sagte zur Amtseinführung Heike Sudmann, damals für die GAL im Stadtentwicklungsausschuss, heute für die Linke in der Bürgerschaft. Die soziale Stadtteilentwicklung mag gerade im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends zu kurz gekommen sein – insgesamt aber dürfte die Wertung überwiegen: Jörn Walter hat den Spagat geschafft. Wer daran zweifelt, sollte sich noch einmal Bilder aus dem Jahr 1999 vergegenwärtigen – Hamburg ist größer, bunter, schöner geworden.

Walter selbst gab sich am Dienstag bescheiden: Für seine Nachfolger stünden mit den Aufgaben „im Wohnungsbau und mit den Stadterweiterungen große Herausforderungen“ an. „Deswegen bietet sich ein Wechsel im kommenden Jahr an.“