Hamburg. Schifffahrtskrise macht Unternehmen zu schaffen. Verlust und weniger Umsatz sind die Folgen. Anleger fürchten um ihr Geld.

Als der Hamburger Reeder Bertram Rickmers vor ungefähr fünf Jahren die Idee entwickelte, mit börsennotierten Anleihen der deutschen Schiffsfinanzierung neuen Schwung zu verleihen, galt er als Pionier. Die Schifffahrtskrise schlug damals mit voller Wucht zu. Fracht- und Charterraten stürzten ab, nach ersten Kreditausfällen kündigten heimische Banken an, ihre Schiffsfinanzierungsabteilungen ab­zubauen. Das bis dahin erfolgreiche sogenannte KG-Modell, nämlich die Zusammenfassung des Kapitals von Kleinanlegern in sogenannten Schiffsfonds funktionierte nicht mehr. Die Branche suchte nach einem Ausweg.

Da kam Rickmers mit seinen Anleihen, die feste Zinsen von acht Prozent und mehr versprachen, als Finanzierungsquelle für den Kauf und Betrieb von Schiffen gerade recht. Sogar der Verband Deutscher Reeder lobte das Projekt als „innovativ“. Doch weil die Schifffahrtskrise länger als gedacht dauert und das Schifffahrtsgeschäft seit mittlerweile acht Jahren kaum mehr Gewinne abwirft, zeichnet sich ab: Rickmers wird für seinen damals gezeigten Mut nicht belohnt. Die an die Ertragskraft der Schifffahrtsunternehmen gekoppelten Anleihen sind in Gefahr.

Im September wurde bekannt, dass sich die in Singapur gelistete Schiffseigentumsgesellschaft Rickmers Maritime Trust (RMT) angesichts der angespannten Schifffahrtssituation derzeit weder in der Lage sieht, 179,7 Millionen US-Dollar an Krediten sowie die anstehenden Zinskupons noch die im Mai kommenden Jahres fällige Kapitalrückzahlung für die mit 8,45 Prozent verzinste Anleihe zu bedienen.

Um die drohende Liquidation zu vermeiden, überredete RMT die Anleihe-Gläubiger zu einem Schuldenschnitt und einer Umwandlung ihrer Anleihen mit einem Nominalvolumen von 60 Millionen Singapur-Dollar in Wandelanleihen. In einer zweiten Krisenversammlung am 9. November sollen die Anteilseigner nun entscheiden, ob sie auch einer Verlängerung der Restlaufzeit für weitere 40 Millionen Singapur-Dollar bis November 2023 sowie einem Zinsverzicht zustimmen. Im anderen Falle droht die Abwicklung der Gesellschaft und damit ein Totalausfall für die Gläubiger.

Kursverfall der Rickmers-Anleihe

Vor wenigen Tagen traf dann der Mutterkonzern in Hamburg, die Rickmers Holding, Vorkehrungen, um im Falle des finanziellen GAU in Singapur die Auswirkungen auf den Rest der Gruppe so gering wie möglich zu halten. Sie verkaufte die Managementgesellschaft ihres Trusts an eine andere Firma von Bertram Rickmers. Die Holding hält zwar weiter 34,2 Prozent der Aktien. Die Rickmers Maritime und ihre Schulden werden aber nicht mehr voll in der Konzernbilanz konsolidiert. Mit der Aus­lagerung dieses finanziell brisanten Geschäfts soll die eigene Bilanz verbessert werden, so die Hoffnung.

Das wiederum könnte dann auch der deutschen Anleihe wieder Auftrieb geben, um die es auch nicht gut bestellt ist. Deren Zinszahlungen stehen Mitte 2017 an. Droht auch hier ein Umtausch in Wandelanleihen? „Zukunftsgerichtete Aussagen können und dürfen wir leider nicht abgeben“, heißt es aus dem Unternehmen auf Abendblatt-Anfrage. Die Ratingagentur Creditreform hat die Bewertung der Anleihe im Mai von B- auf CCC herabgestuft. Sie begründete den Schritt mit den anhaltend schwierigen Marktbedingungen in der Containerschifffahrt und einer entsprechend schwächeren operativen Ergebnisentwicklung der Rickmers Gruppe.

Im August bestätigte die Ratingagentur ihre negative Prognose: „Wir gehen davon aus, dass zur Stabilisierung des Unternehmens weitere Kapital- oder Restrukturierungsmaßnahmen erforderlich werden“, teilte sie mit. All das blieb nicht ohne Auswirkung: An der Börse hat sich der Kurs der Rickmers-Anleihe Innerhalb eines Jahres von 100 Euro auf zuletzt 22 Euro verbilligt. „Bei einem Kursverfall von 75–80 Prozent ist das aber ein Fall für sehr risikofreudige Anleger, die auf eine Erholung am Containermarkt setzen“, sagt Thomas Wybierek, Schifffahrtsanalyst der NordLB. „Diese Erholung sehe ich aber im Moment nicht.“

Konzernverlust von 135 Millionen Euro

Das belastet auch das Unternehmen insgesamt. Das Geschäftsjahr 2015 hat es mit einem Konzernverlust von 135 Millionen Euro abgeschlossen. Allein im ersten Halbjahr 2016 kam ein Minus von 131,5 Millionen Euro zustande. Alle wichtigen Kennzahlen, Umsatz, Gewinn und Eigenkapitalquote zeigen abwärts. Aufgrund der ausbleibenden Erholung der Fracht- und Charterraten erwartet die Rickmers Holding Umsatz und Gewinn deutlich unter dem Vorjahresniveau, so steht es im Halbjahres­bericht.

Insbesondere die Abnahme des Eigenkapitals ist bedenklich. Sie könnte zu einem Verstoß gegen die Kreditverträge mit den Banken führen. Deshalb hat das Management im vergangenen Jahr einen Plan zur Erweiterung und Stärkung des Eigenkapitals beschlossen. Doch aufgrund der schwachen Entwicklung des allgemeinen Geschäfts ist die Umsetzung dieses Plans in diesem Jahr „unwahrscheinlich“, wie Rickmers selbst zugibt. Aufhorchen ließ zuletzt die Meldung, dass die geplante Zusammenlegung des Schifffahrtsgeschäfts von Bertram Rickmers mit dem seines Bruders Erck geplatzt ist. Nach der gegenseitigen Prüfung der Bücher gab man diesem Unterfangen keine Chance.

Besserung ist nicht in Sicht

Besserung ist nicht in Sicht. Wie alle Charterreeder leidet die Rickmers Gruppe darunter, dass sie in der Schifffahrt in der zweiten Reihe steht. Kommt es zu Überkapazitäten am Transportmarkt, versuchen Linienreeder wie die Hamburger Hapag-Lloyd, MSC und CMA CGM ihre eigenen Schiffe auszulasten – und geben Charterschiffe wieder zurück. Benötigen sie aufgrund von Engpässen bei eigenen Schiffen zusätzliche Frachter, werden diese zu niedrigen Preisen angemietet.

Hinzu kommt, dass die Rickmers Gruppe in ihrer Flotte vor allem kleine Frachter mit einer Kapazität von bis zu 4500 Containern führt. Diese haben in der Schifffahrtskrise besonders gelitten und können mit ihren Einnahmen kaum die Betriebskosten decken. Im Rickmers Maritime Trust befinden sich überwiegend Schiffe der sogenannten Panamax-Klasse mit einer Länge von maximal 294 Metern und einer Breite von 32 Metern. Deren Vorteil war, dass sie in der Vergangenheit gerade noch so durch den Panamakanal passten. Doch seitdem dieser ausgebaut wurde, haben diese Schiffe ihr wichtiges Alleinstellungsmerkmal verloren.

Das alles sind keine guten Nachrichten für die Rickmers Holding. Die Sorge um das alteingesessene Schifffahrtsunternehmen wächst derweil. „Die Reederei nähert sich dem Abgrund“, schrieb zuletzt das Handelsblatt. Die Frage ist, wie sie diesem nun entkommen will. Am 11. November werden die Ergebnisse des dritten Quartals bekannt gegeben.