Hamburg . Im Schnitt braucht jede Frau 16 Minuten, um sich zu entscheiden, was sie anzieht. Eine App soll nun helfen, Zeit zu sparen.

Das Wetter: nass-kalt. Der Anlass: Geschäftstermin. Das ist eine der Situationen, die morgens vor dem Kleiderschrank für Grübeln sorgen können. Jeans mit Jackett, Kostüm oder doch lieber etwas modisch Buntes gegen das Herbstgrau? Laura Karim, Jennifer Schäfer und Marius Murtz haben sich für Schwarz entschieden, alle. Nur eine dezent gemusterte Bluse lockert das Bild ein bisschen auf. „Wenn unsere App ganz fertig wäre, hätte uns das wahrscheinlich nicht passieren können“, sagt Laura Karim und lacht.

Die Frage nach dem passenden Outfit beschäftigt vor allem Frauen. Umfragen zufolge braucht jede an Werktagen im Schnitt 16 Minuten, um sich zu entscheiden, was sie anzieht. Am Wochenende sind es 14 Minuten. Ein Alltagsthema, für das die Hamburger Start-up-Gründer eine Lösung anbieten wollen. Die App DailyDress stellt per Knopfdruck Outfits zusammen, die zu Anlass und Wetter passen. „Das spart Zeit, gibt zudem die Möglichkeit, mal anders auszusehen und lange unbenutzte Stücke zu nutzen“, sagt Jennifer Schäfer.

Wissenschaftliche Verfahren als Basis

Hinter der Fashion-App steckt mehr als ein Luxusproblem. Mitgründerin Laura Karim, promovierte Psychologin, hat sich intensiv mit den Mechanismen beschäftigt, die menschlichem Entscheidungsverhalten zugrunde liegen, und welche Rolle Maschinen dabei spielen können. Ihre wissenschaftliche Verfahren und Erkenntnisse sind die Basis für die Software, die alltägliche Outfit-Entscheidungen optimieren soll. Das Projekt wird von der Fachhochschule Münster und über das Förderprogramm Exist des Bundeswirtschaftsministerium für Existenzgründungen aus der Wirtschaft unterstützt.

„Angefangen hat es damit, dass ich mich schwer entscheiden konnte, was ich anziehen soll“, erinnert sich die 28-Jährige, die unter anderem in London Kognitions- und Entscheidungswissenschaften studiert hat. Während ihrer Promotion am UKE, entwickelte sie mit der Marketingexpertin Jennifer Schäfer die Idee für DailyDress. „Wir haben gemerkt, dass das eine Geschäftsidee werden könnte“, sagt die 25-Jährige mit Erfahrung im Bereich Online-Marketing. Als Designer für den Web-Auftritt kam Marius Murtz ins Team.

Zusammenarbeit mit 16 Online-Shops

Im Prinzip funktioniert die App wie ein virtueller Kleiderschrank. In vier Kategorien von Business bis Party werden Kleidungsvorschläge passend zum aktuellen Wetter präsentiert. Die Nutzerin wählt die Outfits aus, die ihr gefallen und gibt an, welche Teile sie hat. So lassen sich auch neue Kombinationen kreieren. Nach und nach füllt sich der virtuelle Schrank, ohne dass dafür Kleidungsstücke abfotografiert werden müssen. Verwendet werden freigestellte Produktbilder aus Online-Shops. „Zugleich bekommt die Nutzerin Tipps, was ihr fehlt“, sagt Jennifer Schäfer.

Das ist das Geschäftsmodell. DailyDress arbeitet mit 16 Online-Shops zusammen, darunter Otto, Zalando und About you. Über einen Link können die Fashionistas direkt auf den Partnerseiten bestellen. Im Schnitt neun Prozent des Verkaufswerts gehen an DailyDress.

„Das Besondere ist die rückwirkende und Shop-übergreifende Analyse des Kleiderschranks“, sagt Laura Karim, die die grundlegende Logik und Algorithmen für das Empfehlungssystem entwickelte. Ziel ist, dass der Nutzerin nur relevante Produkte für den Neukauf vorgeschlagen werden. Der Vorteil für die Partnerfirmen: Die Streuverluste in der Werbung werden verringert. An Modellen dafür tüfteln zahlreiche Mode-Versender. Als sogenanntes Curated Shopping soll ein maßgeschneidertes Angebot dem Shoppingfrust vorbeugen und Händler vor teuren Retouren schützen.

„Uns geht es auch darum, dass vorhandene Kleidungsstücke besser genutzt werden und weniger weggeworden wird“, sagen die Daily-Dress-Gründer, die als Zielgruppe vor allem junge modebewusste Frauen sehen. Laut einer Umfrage von Greenpeace hat jede Frau zwischen 18 und 69 Jahren 118 Stücke im Schrank, ohne Unterwäsche und Socken. Bei Männern sind es nur 73. Jedes fünfte Teil wird so gut wie nie getragen. 40 Prozent der Frauen sortieren Kleidung aus, wenn sie nicht mehr der Mode oder dem Stil entsprechen.

Interessierte können sich als Testerin anmelden

Das soll sich mit der App ändern, die in Zusammenarbeit mit der Hamburger Software-Schmiede Beemo entsteht. In den nächsten Wochen geht die Beta-Version online. Interessierte können sich unter www.daily-dress.de als Testerin anmelden. Ab Anfang 2017 kann die App kostenlos runtergeladen werden. „Die persönlichen Informationen sind anonymisiert, die Daten verschlüsselt“, betont Marius Murtz.

Gerade sind die App-Entwickler für den Breakthrough 2017 nominiert worden. Bei dem Preis, den der Mobilfunkanbieter Vodafone und das Telekommunikationsmagazin „Connect“ für innovative Technik-Start-ups ausschreiben, entscheiden Nutzer online mit. Ideen für die Weiterentwicklung gibt es auch schon. So soll die App das Kofferpacken erleichtern, ein Social-Media-Kanal ist geplant und eine Männer-Version.

Und welche Geheimnisse warten in den Kleiderschränken der Gründerinnen darauf neu entdeckt zu werden? „Mein Lieblingsteil ist ein Trenchcoat von Burberry“, sagt Laura Karim. Jennifer Schäfer überlegt, dann sagt sie: „Ein neuer weißer Oversized-Blazer, den ich gerade ausprobiere.“ Passt gut zu schwarz.