Hamburg. Kostensteigerung für staatliche Maßnahmen für Eltern mit Erziehungsproblemen sollen gebremst werden. Doch wie soll das geschehen?
Seit vielen Jahren steigen die Kosten für Familienhilfen rapide an. Alle Familienministerien sind sich einig, dass die Ausgaben dafür dringend gesenkt werden müssen. Allen voran hat Hamburg bereits vor fünf Jahren Impulse auf Bundesebene gesetzt, um die ausufernden Kosten in den Griff zu bekommen. Doch nun droht das Vorhaben in der Großen Koalition zu scheitern.
Ein Arbeitsentwurf des SPD-geführten Bundesfamilienministeriums findet in der Union keine Zustimmung. Und auch hier kommt der Impuls aus der Hansestadt. Der Hamburger Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg, familienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, sagt: „Wir tragen den Entwurf nicht mit.“ Das hat er sowohl dem Ministerium als auch dem Kanzleramt mitgeteilt.
Hilfsmaßnahmen schwierig zu steuern
Im Kern geht es um die sogenannten Hilfen zur Erziehung, welche Familien in Problemlagen erhalten. Bundesweit betrugen die Ausgaben dafür im Jahr 2014 etwa 9,3 Milliarden Euro. In Hamburg stiegen die Kosten allein von 2012 bis 2015 um zehn Millionen Euro auf knapp 220 Millionen Euro. Darin eingerechnet sind noch nicht einmal die Kosten für minderjährige Flüchtlinge in Höhe von 33 Millionen Euro.
Hilfen für Familien in Problemlagen sind damit ein großer Posten im Budget der Sozialbehörde. Noch Anfang des Jahrhunderts betrugen die Kosten etwa die Hälfte. Im Jahr 2001 etwa waren es 133 Millionen Euro. Fälle von schwersten Kindesvernachlässigungen mit tödlichem Ausgang wie die von Jessica (2005) und Lara-Mia (2009) haben schließlich zu dem immensen Anstieg geführt. Um vergleichbare Schicksale zu vermeiden, werden Sozialarbeiter in die hilfebedürftigen Familien entsendet, damit diese dort individuelle Hilfs- und Unterstützungsprogramme entwickeln.
Die Ausgaben für diese Hilfsmaßnahmen sind schwierig zu steuern. Betroffene Eltern haben einen gesetzlichen Anspruch darauf. Den sieht Weinberg allerdings in Gefahr. Denn der Entwurf sieht vor, die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu stärken. „Wenn der Rechtsanspruch auf Hilfsmaßnahmen auf die Kinder übergeht, dann sind die Eltern raus.“ Dann dränge der Staat die Eltern zu früh aus ihrer Verantwortung. „Wir brauchen eine kooperative Hilfeplanung von Kindern, Eltern, Trägern und Jugendamt.“
Weinberg kritisiert Art der Hilfsmaßnahmen
Befürworter des Reformentwurfs allerdings führen ins Feld, dass die Hilfsmaßnahmen derzeit nur mit Zustimmung der Eltern auch in die Familien kommen. Dabei gebe es etliche Fälle, in denen sich die Eltern den Angeboten entziehen. Dann kann das Jugendamt wenig machen. Vielfach stimmen Eltern nur dann einer Hilfsmaßnahme zu, wenn die Drohung im Raum steht, die Kinder aus den Familien zu nehmen.
Ein weiterer Kritikpunkt Weinbergs ist die Art der Hilfsmaßnahmen. So soll künftig die individuelle Familienhilfe auf den sogenannten Sozialraum ausgeweitet werden und diese damit einen gesetzlichen Rang erhalten. Das bedeutet: Kinder sollen Hilfsangebote etwa in Kitas oder deren Eltern in Mütter-Cafés bekommen. Welche dieser Maßnahmen besser ist, darüber gibt es heftige Auseinandersetzungen im gesamten Kinder- und Jugendhilfebereich. Sicher aber lässt sich sagen, dass Sozialraumhilfen günstiger sind als individuelle. „Genau das birgt die Gefahr, dass dann ausschließlich das günstigere Angebot ausgewählt wird.“ Wichtig sei die Vernetzung beider Hilfsmaßnahmen.
In der Hamburger Sozialbehörde unterstützt man den Entwurf des Bundesfamilienministeriums. Es heißt, dass die Hilfen zur Erziehung nicht abgeschafft würden. Die zusätzliche Möglichkeit der Sozialraumhilfen würde die Ausgaben zudem auch nicht zurückfahren, sondern den Anstieg lediglich verlangsamen. Dies soll ein Signal an die Träger sein, die Sorge haben, auf dem milliardenschweren Markt Anteile zu verlieren. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) jedenfalls sagt: „Ich fände es sehr schade, wenn die Reform im Bund scheitert.“