Hamburg. Lübecker kämpft für die niederdeutsche Sprache. Mit einem goldenen Anstecker will er Gleichgesinnte zusammenbringen.

Verpasste Chancen, jeden Tag aufs Neue. Das treibt Mirco Meyer um. Es gäbe so viele Gelegenheiten, Plattdeutsch zu sprechen, ob im Büro, Café oder Sportverein, sagt der 39-Jährige aus Lübeck – „wenn sich Plattsnacker erkennen würden“. Nur sehe man Menschen eben nicht an, dass sie die vor allem in Norddeutschland verbreitete Regionalsprache beherrschen. Der Austausch jenseits des Hochdeutschen beschränke sich deshalb auf kleine Zirkel. Ein Jammer, findet Meyer: „Ich wünsche mir, dass Platt im Alltag wieder öfter hör- und erlebbar wird.“

Dazu beitragen will er mit einem fingernagelgroßen, kreisförmigen Anstecker, den er über das Internet vertreibt. Dieser „Kring“ ist goldfarben lackiert – bis auf einen kleinen grünen Abschnitt. „Der Zwischenraum steht für die Lücke zwischen den wenigen Menschen, die noch Platt sprechen können, und den nachfolgenden Generationen, die das Plattdeutsche bewahren könnten.“ Meyer möchte „de Lück tomaken“. Seine Botschaft: „Zeig, dass dein Herz für Plattdeutsch schlägt und dass du keine Angst hast, auf Platt angesprochen zu werden.“

Er selbst, aufgewachsen in Niedersachsen, stieß erst mit 17 auf Platt. Saß mit seiner Freundin und deren Eltern beim Frühstück, „da snackten die plötzlich los“. Für ihn ein Schlüsselerlebnis: „Die Sprache hat mich sofort verzaubert. Und mir wurde plötzlich klar, wie wenig ich als Nordlicht über Platt gewusst hatte – dabei gehört diese Sprache zu unserer Identität.“ Platt zu sprechen mache nicht nur Spaß. „Es drückt ein Lebensgefühl aus, es verwurzelt.“

Damals begann er, Platt zu lernen, besuchte Volkshochschulkurse, las Bücher „op Platt“. „Doch es gab nur wenige Gelegenheiten, es anzuwenden.“ Eigentlich habe er sich schon damals auch für das Plattdeutsche engagieren wollen, sagt Meyer. „Aber ich verschob es immer wieder.“ Er ging nach dem Lehramtsstudium nach Berlin, seine Freundin zog mit. In der Hauptstadt unterrichtete er acht Jahre lang Englisch, Biologie und Theater. Dann fand seine Freundin einen neuen Job in Lübeck – und er zog mit ihr zurück nach Norddeutschland.

Schon in Berlin hatte sich Meyer mit dem Gedanken getragen, den Beruf zu wechseln. Nun absolviert er per Fernstudium eine Weiterbildung zum Personal Coach. Sein Ziel sei es, Menschen in schwierigen beruflichen oder privaten Lebenssituationen zu beraten, sagt er. In seiner Freizeit snackt Meyer nun wieder mehr, trifft sich mit Gleichgesinnten im Lübecker Hoghehus. Und er setzt nun um, was als Idee schon lange durch seinen Kopf geisterte: ein Plattdeutsch-Projekt. Der Anstecker ist ein Teil davon. Ein weiterer Teil ist die „Plattkort“, die Meyer gerade aufbaut. Auf dieser interaktiven Karte, die über seine Internetseite www.plattreden.de zugänglich ist, trägt er etwa Geschäfte, Restaurants, Institutionen und „vorbildhafte Gemeinden“ ein, in denen Plattdeutsch gesprochen wird. Bisher ist die Zahl der Einträge allerdings überschaubar, auch für die Metropolregion Hamburg.

Dabei können wohl mehr als 100.000 Menschen in der Hansestadt Plattdeutsch sprechen – und noch mehr verstehen Platt, ergab eine Umfrage des Instituts für niederdeutsche Sprache in Bremen. Gepflegt wird die Regionalsprache aber vor allem in Kultur- und Medienformaten. Im Alltag spielt sie eine untergeordnete Rolle.

Etablierte Initiativen hätten nicht viel erreicht, findet Meyer

Das treibt nicht nur Mirco Meyer um. Etliche Einrichtungen wollen, dass Plattdeutsch auch in Zukunft verstanden und gesprochen wird. In der Hansestadt engagiert sich etwa der Plattdeutsche Rat für Hamburg seit 2003 dafür, dass Platt auch in Kindergärten, Schulen und Hochschulen, vor Gericht und in der Wirtschaft wieder gesprochen wird. Er setzt sich zusammen aus Vertretern, die von Bürgervereinen, Fraktionen in der Bürgerschaft, der Evangelischen Kirche, vom Rundfunk, von der Verwaltung und vom Ohnsorg-Theater entsandt werden. Im April dieses Jahres richtete der Plattdeutsche Rat unter der Schirmherrschaft von Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) zum ersten Mal einen Hamburger Plattdeutsch-Tag aus. Mirco Meyer findet allerdings, dass die meisten etablierten Plattdeutsch-Initiativen „bisher nicht viel erreicht“ haben. Deshalb treibt er seine eigene Initiative voran – und hat erst wenige potenzielle Unterstützer von etablierten Platt-In­stitutionen angesprochen. Beim Plattdeutschen Rat für Hamburg stößt das auf Verwunderung. Meyers Idee, dass Plattsnacker einen Anstecker als Erkennungszeichen tragen könnten, sei zwar nicht neu, aber trotzdem „grundsätzlich gut und unterstützenswert“, sagt Hartmut Cyriacks, zweiter Sprecher des Rats. Allerdings habe man bisher nichts von Meyer gehört; auch das Institut für Niederdeutsche Sprache in Bremen kenne ihn nicht. Offenbar sei Meyer wenig vernetzt.

„Wenn man Platt voranbringen möchte, ist es aber wichtig, mit anderen Institutionen ins Gespräch zu kommen und sich an deren Aktivitäten zu beteiligen, um Kräfte zu bündeln“, sagt Cy­riacks. Die Botschaft: Ein selbstbewusstes Auftreten ist gut, doch Einzelgängertum dient der Sache nicht wirklich.

Meyer sagt, das Projekt sei sein Hobby; viel Geld verdienen könne und wolle er damit nicht. Den Preis von 5 Euro für den Anstecker plus Versandkosten habe er so kalkuliert, dass er die Produktionskosten sowie die Kosten für den Aufbau und die Weiterentwicklung der Internetseite wieder reinholen könne. Etwa 300 Anstecker habe er bisher unter die Leute gebracht, dabei etliche „Krings“ verschenkt, die meisten in Lübeck. „Bisher ist es ein Zuschussgeschäft“, sagt Meyer. „Es wäre schön, wenn es sich trägt.“