Fischbek. Beim Vorlesewettbewerb in Fischbek maßen sich die besten Plattdeutschschüler. Die, die auch zu Hause Platt schnacken waren klar im Vorteil.
„Snip, snip“, liest Sophie Fick vor und macht mit den Fingern eine Schere nach. Es ist nicht so, dass sie keine Zischlaute beherrscht, sie kommen in diesen Worten nur nicht vor, denn Sophie liest auf Platt. So wie 13 andere Schülerinnen und Schüler auch. „Schoolkinners leest op Platt“ heißt die Veranstaltung in der Schule Schnuckendrift. Es ist die Endrunde des Vorlesewettbewerbs. Nachher gibt es die Preise.
13 Schüler haben es in die Finalrunden geschafft. Nicht alle sind gekommen, es ist sehr heiß und die Teilnahme freiwillig.
In Sophies Altersklasse – Grundschule, Klassen 3 und 4 – sind alle vier Finalisten da: Noch zwei Mädchen von der Grundschule Kiefernberg und ein Junge, der wie Sophie am Arp-Schnitger-Stieg zur Schule geht. Als Neuenfelder Appelddeern ist Sophie im Vorteil: „Bi uns to Hus ward ok noch Platt schnackt, dorüm kann ick dat“, sagt sie. Am Ende belegt sie den ersten Platz.
Soviel, wie bei Sophie wird allerdings kaum noch niederdeutsch gesprochen. Um die Sprache am Leben zu halten gibt es Vereine, wie „Plattdüütsch leevt“. 270 Vereinsmitglieder bekennen sich zur niederdeutschen Sprache. Der Verein organisiert Kulturveranstaltungen auf Platt und organisiert alle zwei Jahre den plattdeutschen Vorlesewettbewerb im Hamburger Süden. In den anderen beiden Jahren gibt es den Landesweiten Wettbewerb „Jungs un Deerns leest platt“. „Schoolkinner leest plat mokt wi nu all 36 Johr“, sagt „Plattdüütsch leevt“-Öllermann Ernst Golsch.
„Annere Deele van Hamborch sünd so’n lütt beeten neidisch op uns, datt wi in jeden Johr een Wettbewerb hebbt“, sagt Anja Meier. Die Grundschullehrerin koordiniert den Plattdeutschunterricht an den Schulen im Hamburger Süden. „Man de Vereen seggt, dat de Lüd in annere Stadtdeele sülbens ‘n Wettbewerb maaken möt.“
Von 59 Schulen, die angeschrieben wurden, haben sich 15 beteiligt. Dass nur die Hälfte davon Kandidaten bis in die Endrunde brachten, ist ein Zeichen dafür, wie unterschiedlich das Plattdeutsch-Niveau an den Hamburger Schulen ist. Dabei ist Plattdeutsch Teil des Hamburger Bildungsplans. Jede Schule in der Hansestadt müsste in irgendeiner Form Niederdeutsch unterrichten. Es gibt sogar ein Lehrbuch. Anja Meier hat es verfasst. Was es allerdings viel zu wenig gibt, sind plattkompetente Lehrer: „An veele Scholen gifft dat nich een in Kollegium, de platt schnackt“, sagt Anja Meier.
Die Kompetenz in der niederdeutschen Sprache muss ein Lehrer allerdings selbst mitbringen. Es gibt kein Fachlehrerstudium für Plattdeutsch und das Angebot des Lehrerfortbildungsinstituts für Niederdeutsch erschöpft sich in einem Gesprächsabend, an dem Plattdeutschlehrer ihre Erfahrungen austauschen können. Die Schulbehörde konnte auf Anfrage nicht innerhalb eines Arbeitstages mitteilen, was überhaupt die Mindestanforderungen für einen Niederdeutsch-Lehrer sind.
„Ick bün dorto komen as de Ko to’t Kalf“, sagt Anke Hoyer, Plattdeutschlehrerin am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium. Eigentlich unterrichtet sie Kunst und Religion. Aber dann wurde der Kollege pensioniert, der bis dahin die Plattdeutsch-Lesewettbewerbe betreute. Die Wettbewerbe kannte Anke Hoyer. Ihre Kinder hatten für die Grundschule Kiefernberg schon daran teilgenommen. „Dor hebb ick seggt, dat ick Platt kann und denn harr ick den Job.“
Schlecht scheint sie ihn nicht zu machen: In jeder Altersklasse der weiterbildenden Schulen hat mindestens eine ihrer Schülerinnen das Finale erreicht. Eine, nämlich Jana Böttcher, wird Siegerin in der Mittelstufe.
Nun sind Vorlesewettbewerbe eine Sache. Anregungen, selbst auf Platt zu schreiben, gibt es für junge Hamburger kaum, erst recht keine Gelegenheit, vorzutragen. Fiene Meier vom Gymnasium Finkenwerder nutzte deshalb den Vorlesewettbewerb, um eine selbst verfasste Geschichte vom Papier in den Lautsprecher zu bringen. Die Beschreibung eines Dombummels mit ihrer Mutter brachte ihr den Sieg.
Selbst Plattdeutschlehrerin werden, wie ihre Mutter Anja, möchte Fiene Meier nicht. Es zieht sie in die therapeutischen Berufe. „Man ick wüll geern bi düsse Wettbewerbe mithölpen. De mööt attraktiver warrn för junge Lüd, sonst mokt dor bald keeneen mehr mit.“