Peter Schmachthagen führt launig und lehrreich durch Höhen und Niederungen der uralten Sprache, die leider vom Aussterben bedroht ist.

Anfang der 1960er-Jahre, als jede Übertragung aus dem Ohnsorg-Theater in der ARD bundesweit ein Straßenfeger war, machte ich Station bei einer Holzfällerfamilie in einem abgelegenen Berchtesgadener Alpental. Ich nächtigte auf einem Strohsack in der Abseite, bekam aber reichlich und kräftig zu essen – das Ganze für nur 3,50 D-Mark pro Tag. Einen komfortablen Urlaub konnte ich mir als Student nicht leisten, sondern ich war mit meiner schrottreifen Isetta lediglich einer Kommilitonin nachgefahren. Von meiner Gastfamilie wurde ich bestaunt wie ein Wesen aus einer anderen Welt und mit einem Schwall von Fragen eingedeckt. In deren Vorstellung schien Hamburg kurz vor dem Nordpol zu liegen.

Das Dumme nur: Auf Anhieb verstand ich ihren Dialekt nicht. Als ich bat, doch deutsch zu sprechen, verfinsterten sich die Mienen der Wirtsleute, und der Wortschwall nahm zu. Soweit ich verstehen konnte, wiesen sie mich verärgert darauf hin, dass sie schließlich im Fernsehen auch jedes Wort von Heidi Kabel und Henry Vahl im Hamburger Dialekt verständen.

„Göös, junge
„Göös, junge © Christoffer Suhr/Sammlung MeyerChristoffer Suhr/Sammlung Meyer | Christoffer Suhr/Sammlung Meyer

Eben das war der große Irrtum: Die Ohnsorg-Aufführungen wurden wegen einer möglichst hohen bundesweiten Einschaltquote auf Hochdeutsch aufgezeichnet. Wenn die Touristen dann im Theater saßen, damals noch in den Großen Bleichen, stellten sie verblüfft fest, dass die Heimatsprache in der Hansestadt das Plattdeutsche war. Eine entfernte Großtante von mir reiste aus Biberach an, weil sie Heidi Kabel unbedingt auf der Bühne sehen wollte. Ich besorgte Karten, und dann saß die alte Dame neben mir im Parkett und verstand kein Wort, während sich alle Umsitzenden bei der „Kortenleggersch“ vor Vergnügen auf die Schenkel schlugen. In der Pause wollte die Tante gehen: „Ein schrecklicher Dialekt!“, resümierte sie und lud mich zum Essen ein. Ich überredete sie zu Labskaus. Das fand sie noch schrecklicher.

An dieser Stelle müssen wir innehalten und mit Nachdruck etwas richtigstellen: Das Plattdeutsche ist kein Dialekt, sondern eine eigenständige Sprache, die ihrerseits wiederum zahlreiche niederdeutsche Dialekte umfasst, sich aber grundlegend vom Hochdeutschen und den hochdeutschen Dialekten wie Sächsisch, Bairisch oder Alemannisch unterscheidet. „Plattdeutsch“ oder „Plattdüütsch“, wie Plattdeutsch auf Plattdeutsch heißt, ist der Eigenname für das nordwestliche Niederdeutsch. Da Plattdeutsch die Muttersprache in der flachen norddeutschen Tiefebene war, in der der Hügel eines Hünengrabs schon als Hochgebirge gilt, wird häufig angenommen, der Namen „Plattdeutsch“ habe etwas mit dem platten Land zu tun und vielleicht mit seinen leicht dösigen Bewohnern, die zwischen Swienschiet und Dill den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.

Das ist falsch! Der Name „Plattdeutsch“ kommt aus den Niederlanden. 1524 erschien in Delft ein Neues Testament, verfasst in goede platten duytsche, also in guter klarer Volkssprache – nicht in den Gelehrtensprachen Griechisch und Latein. Die gute klare Volkssprache war das Plattdeutsche. Das niederländische Adjektiv plat bedeutet „klar, deutlich, jedermann verständlich“.

„Dor gah ik nich wedder hen, de snackt so gediegen!

Plattdeutsch war nicht nur Muttersprache, sondern blieb bis in die Neuzeit offizielle Amtssprache Hamburgs (neben Latein) und die Sprache des Senats. Noch 1844 wurde der Bürgereid in niederdeutscher Sprache abgelegt. Hochdeutsch war die Sprache der Lutherbibel, des Kleinen Katechismus, des Gottesdienstes und auch der Schule, um Lesen und Schreiben zu lehren. Pastoren, Lehrer und Väter lasen aus Bibel und Katechismus, damals häufig die einzigen Bücher des Haushalts, auf Hochdeutsch vor. Da es sich beim niederdeutschen Gebiet nördlich der Mittelgebirge seit der Reformation (nach 1517) um eine weitgehend evangelische Region handelte, war das lutherische Neuhochdeutsch als eine Art Fremdsprache, die mit dem neuen Glauben verbunden war, in den Norden gekommen. Deshalb bildeten sich hier oben im Gegensatz zum hochdeutschen Süden auch keine neuhochdeutschen Dialekte aus.

Die „Fremdsprache“ Hochdeutsch wurde allerdings nicht von einem Tag zum anderen verstanden, auch Luthers Schriften nicht. Der Reformator Johannes Bugenhagen (1485–1558) sah sich gezwungen, die hochdeutsche Luther-Bibel für seine Missionsarbeit in den norddeutschen Städten ins Mittelniederdeutsche zu übersetzen. So entstand 1533/34 in Lübeck die sogenannte „Bugenhagenbibel“ im spätmittelalterlichen Platt.

„Aal, grön Aal!“, ruft diese Fischersfrau aus Wilhelmsburg, die um 1808 auf dem Hopfenmarkt ihre frische Ware anpreist
„Aal, grön Aal!“, ruft diese Fischersfrau aus Wilhelmsburg, die um 1808 auf dem Hopfenmarkt ihre frische Ware anpreist © Christoffer Suhr/Sammlung Meyer | Christoffer Suhr/Sammlung Meyer

Damals hatte die von Lübeck dominierte Hanse, der einst mächtige Städtebund, ihre Blütezeit bereits überschritten. Nach 1200 war das Mittelniederdeutsche die Handels- und Verkehrssprache an Nord- und Ostsee. Wäre die geschichtliche Entwicklung anders verlaufen, würde die „Tagesschau“ heute vielleicht auf Platt gesprochen werden. Doch mit dem Niedergang der Hanse und der Verlagerung des finanziellen und kulturellen Schwerpunkts nach Süddeutschland, Italien und Spanien ging auch der Niedergang der Hansesprache einher. Als Schriftsprache wurde sie in ganz Norddeutschland immer mehr vom Hochdeutschen verdrängt. Nach den Kanzleien der Fürsten und Städte benutzte auch das gebildete Bürgertum im schriftlichen Sprachgebrauch das Hochdeutsche, wenn die Oberschicht im Umgang mit Gesinde und Bediensteten auch noch Platt sprach, was aber den Prestigeverlust des Niederdeutschen eher unterstrich als aufhielt.

Obwohl die „Buddenbrooks“ in Lübeck spielen, ist der sprachliche Hintergrund mit dem Hamburgs vergleichbar. Thomas Mann lässt den Konsul Buddenbrook nicht nur mit seinen Arbeitern plattdeutsch reden, sondern häufig auch die Kaufleute unter sich. Schließlich sank die alte Sprache der Region zur Alltagssprache der unteren Gesellschaftsschichten, der „kleinen Leute“, ab – in den Städten in den Arbeitervierteln und auf dem Lande bei der bäuerlichen Bevölkerung.

No Fierobend in de lütt Döns, in der Altenteiler-Stube eines Neuenfelder Bauernhauses.
No Fierobend in de lütt Döns, in der Altenteiler-Stube eines Neuenfelder Bauernhauses. © Ernst Juhl | Ernst Juhl

Bis zu den Weltkriegen gab es allerdings noch Kinder, die bis zur Einschulung kaum Hochdeutsch verstanden. Eine Leserin schildert, wie eine Sechsjährige nach dem ersten Schultag, von der „fremdsprachlichen“ Umgebung verschreckt, heulend nach Hause zurückkam: „Dor gah ik nich wedder hen, de snackt so gediegen!“ Sie snackten (redeten) hochdeutsch in der Klasse. Ich bewunderte stets meine Großmutter, die noch als 95-Jährige fließend alle hochdeutschen Präpositionen mit zugehörigem Kasus aufsagen konnte. Als gebürtige „Plattdeutsche“ hatte sie sie in der Dorfschule auswendig lernen müssen ähnlich wie wir später die lateinische oder französische Grammatik.

Die sozialen Prozesse des 19. und 20. Jahrhunderts, die Entwicklung zur modernen Gesellschaft, die Demokratisierung der Bildung, die Zugänglichkeit der Medien und die Bürokratisierung des Lebens drängten das Plattdeutsche im Alltag immer mehr zurück, im 20. Jahrhundert auch in den eingesessenen Familien. Hinzu kam ein massiver, für die Betroffenen natürlich unfreiwilliger Zustrom nach 1945 von Flüchtlingen und Vertriebenen aus anderen Dialekträumen und danach im Zuge des Wirtschaftswunders von Menschen aus fremden Ländern, die kaum Deutsch, auf jeden Fall aber kein Plattdeutsch sprachen. Durch den Zustrom der Flüchtlinge hat sich die Situation noch einmal verschärft. Man kann in einer Klasse, in der die meisten Schüler zu Hause noch nie ein deutsches Wort gehört haben, nicht gut Plattdeutsch unterrichten. Trotzdem gibt es Lehrer, die das versuchen.

Das Plattdeutsche ist von einer Muttersprache, die es jahrhundertelang war, zu einer Minderheitensprache geworden. Es steht jetzt quasi auf der „Roten Liste“ bedrohter Arten wie der Blauwal, der Brillenbär oder die Echte Bärentraube – nur dass die Liste in diesem Fall die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ ist, die seit 1999 auch in Deutschland für das Niederdeutsche, das Friesische, das Saterfriesische (bei Oldenburg), das Sorbische (in der Lausitz) und für die Romasprache Romani gilt. Die Charta legt den Unterzeichnern, wozu für Niederdeutsch auch der Hamburger Senat gehört, gewisse Pflichten auf. Um daran zu erinnern, findet am heutigen Sonnabend der „1. Hamborger Plattdüütsch Dag“ unter der Schirmherrschaft der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) statt. Veranstaltet wird er vom Platt­düütsch­root der Hansestadt (vom Plattdeutschen Rat).

Quartiersleute um 1800
Quartiersleute um 1800 © Friedrich Georg Buek | Friedrich Georg Buek

Rückblickend kann ich sagen, dass ich den Prestigeverlust des Plattdeutschen vor mehr als 70 Jahren am ­eigenen Leibe erfahren habe. Ich wuchs kriegsbedingt in einem Stormarner Dorf zwischen Großeltern, Cousinen, Kätnern, Holzpantoffelmachern und ausgebombten Butenhamburgern auf. Alle sprachen Platt – nur mit mir nicht. Klein Peter sollte als Sohn eines Buchhändlers schließlich später einmal aufs Gymnasium gehen. Das klappte zwar, aber einige Rudimente der nieder­deutschen Muttersprache habe ich bis ­heute nicht aus meinem Wortschatz verdrängen können. Selbst in der ­Abiturprüfung rutschten mir mund­artsprachliche Ausdrücke heraus, wofür ich vom Oberschulrat aus Kiel ­heftig getadelt wurde, sodass ich meine Eins in Deutsch nur mit Mühe halten konnte.

Überhaupt ist es immer gefährlich, wenn Plattdeutsche versuchen, hochdeutsch zu sprechen. Dabei kam meistens ein Mischmasch aus Hochdeutsch und Plattdeutsch heraus. Diesen typisch Hamburger Regionaldialekt (Regiolekt) nannte man Missingsch. Zwar wurde auch in anderen Städten wie zum Beispiel in Kiel, Bremen, Bielefeld und früher sogar in Danzig Missingsch gesprochen, nur wurde es dort nicht unbedingt so genannt. Die Herkunft des Begriffs „Missingsch“ wird volksetymologisch gern als „Mischung“ von Hochdeutsch und Platt erklärt und dabei nicht versäumt, auf die Ähnlichkeit des Ausdrucks zu Messing, einer Mischung (Legierung) von Kupfer und Zink, hinzuweisen. Das trifft nicht zu. Missingsch kommt in Wirklichkeit von Meißnerisch, der Meißner Kanzleisprache, aus der Hochdeutsch hervorgegangen ist.

Die Grammatik und der Satzbau sind beim Hamburger Missingsch vorwiegend niederdeutsch, das Vokabular ist eine Mischung aus Standardhochdeutsch und niederdeutschen Ausdrücken, die ins Hochdeutsche gezwungen worden sind. Kurt Tucholsky erklärt das Hamburgische seiner Freundin im „Schloss Gripsholm“ so: „Der Plattdeutsche krabbelt die Leiter zum Hochdeutschen empor und stolpert alle naslang wieder in sein geliebtes Platt zurück.“ Wie sich das anhört, zeigt ein Witz über die fiktive Göre Klein Erna vom Steindamm:

Meta hüpft auf dem Schulhof mit dem Springtau. Klein Erna wird ungeduldig und ruft: „Lass mir mal!“ Die Lehrerin, die die Pausenaufsicht führt, verbessert mit strengem Blick: „Lass mich mal!“ „Ja“, jubelt Klein Erna, „lass ihr mal!“

Ein Torfbauer
Ein Torfbauer © Christoffer Suhr/ Sammlung Meyer | Christoffer Suhr/ Sammlung Meyer

Da Missingsch das Plattdeutsche als Muttersprache zwingend voraussetzt, ist mit dem Niedergang des Plattdeutschen als Umgangssprache auch Missingsch als Straßenjargon verschwunden. Das Hamburger Abendblatt widmet sich seit 2008 in einer täglichen Rubrik dem Hamburgischen, wobei das Hamburgische für uns nicht nur Sprache ist, sondern vor allem Erinnerung an die Zeit, als Großmutter ’n lütt Deern weer. An die 20.000 Zuschriften habe ich bearbeitet, mehr als 4000 Stichwörter und Snacks (plattdeutsche Redensarten) veröffentlicht und drei Bestseller zur Serie geschrieben, zuletzt den „Hamburger Wortschatz“. Das zeigt, dass Plattdeutsch wenigstens häppchenweise am Leben geblieben ist gemäß dem Motto, das Axel Springer 1948 dieser Zeitung bei der Gründung mit auf den Weg gegeben hat: „Mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen“, einem Spruch des niederdeutschen Dichters Gorch Fock.

In den Augen Alteingesessener kann man kein Hamburger werden. Ein Hamburger ist man, oder man wird es nie. Wer in Hamburg zugezogen ist, wer sich noch nicht als Hamburger fühlt, wer sich als Hamburger fühlen möchte, aber von Hamburgern nicht als Hamburger anerkannt wird (was Generationen dauern kann), wer einen süddeutschen Akzent besitzt oder gar allzu deutlich betont, ursprünglich aus Lübeck oder – schlimmer noch! – aus Bremen zu stammen, der wird an Elbe und Alster als Quiddje (Fremder, Hochdeutschsprechender) bezeichnet, und es gibt Quiddjes, die sind schon deshalb Quiddjes, weil sie gar nicht merken, dass sie Quiddjes sind. Der in Oberschlesien geborene frühere Hamburger Bürgermeister Herbert Weichmann (1896–1983) brachte es zwar bis zum Ehrenbürger der Stadt, blieb hinter vorgehaltener Hand aber immer ein Nicht-Hamburger. Als er beim ersten Rammstoß für den neuen Elbtunnel mit einer Wasserdusche aus dem Fluss überschüttet wurde, hörte man unter den Gästen die hämische Bemerkung: „Nun ist der Quiddje aus Schlesien doch noch mit Elbwasser getauft worden!“

Die Herkunft des Begriffs Quiddje

Der Begriff „Quiddje“ soll erstmals 1865 in einer Hamburger Zeitung erwähnt worden sein. Die genaue Herkunft des Wortes ist unbekannt. Ein Hinweis deutet auf eine Abwandlung des frz. Wortes quitté (Quittung) hin. Quiddjes waren also Fremde und Händler von außerhalb, die als Aufenthaltsgenehmigung eine Quittung bei sich tragen mussten zum Beweis, dass sie die Torsteuer entrichtet hatten.

Wenn heutzutage nicht klar ist, wer von wem abstammt, wenn die Vaterschaft umstritten ist, wenn sie bestritten wird oder wenn die Mutter gar selbst den Überblick über ihre diesbezüglichen Aktivitäten verloren hat, hilft die DNA-Analyse, um die Verwandtschaftsbeziehungen eindeutig festzustellen. Auch bestimmte Sprachgruppen haben eine entsprechende Erbanlage, die ihre Verwandtschaft untereinander belegt.

Verfolgen wir das Deutsche bis tief in die Vergangenheit, so treffen wir zwar nicht auf Adam und Eva oder auf die angebliche Sprachverwirrung beim Turmbau zu Babel, aber auf ein Steppenvolk nördlich und nordöstlich des Schwarzen Meeres. Im Laufe der Jahrhunderte zogen verschiedene Stämme bis nach Indien, Persien, ans Mittelmeer und breiteten sich über ganz Europa aus. Die Sprachen der jeweiligen Völker entwickelten sich fort, ­lassen sich aber unter Beachtung der lautlichen und grammatischen Gesetzmäßigkeiten auf eine Ursprache zurückführen. Diese europäische Ursprache nennen wir nach den am weitesten im Osten (Inder) und im Westen (Germanen) siedelnden Völkern das Indogermanische.

Es gibt keine schriftliche Überlieferung des Indogermanischen, nur etymologische Rückschlüsse auf gewisse Urwörter unserer Sprachen. Eine solche Form wird mit einem Stern gekennzeichnet (*). Das bedeutet, dass sie in keinem Text überliefert, sondern durch Sprachvergleich nachträglich erschlossen worden ist. So finden wir das idg. *neu-jo- als neu (deutsch), náva- (altind.), neós (altgr.), novus (lat.), new (engl.) oder novyj (russ.) wieder.

Eine Eigenart ist es, den Vokal „a“ als „o“ auszusprechen

Das ursprüngliche Siedlungsgebiet der Germanen war Südskandinavien, Dänemark und Norddeutschland zwischen Elbe und Oder, das sich bei der erzwungenen Wanderung der Völker immer mehr nach Süden ausbreitete. Das Urgermanische unterschied sich vor allem durch die erste, die „germanische“ Lautverschiebung vom Indogermanischen. Durch eine zweite, die „hochdeutsche“ Lautverschiebung wurde das Sprachgebiet der alten germanischen Stammessprachen in einen südlichen und einen nördlichen Bereich geteilt. Sie trennte die hochdeutschen von den westgermanischen und altsächsischen Sprachen, wozu auch das Niederdeutsche, das Englische, Isländische und die skandinavischen Sprachen (außer Finnisch) gehören.

Unter einer Lautverschiebung versteht man einen gesetzmäßigen Wandel bestimmter Konsonanten im An-, In- oder Auslaut eines Wortes. Die zweite Lautverschiebung breitete sich zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert von Süden her im deutschen Sprachraum aus, erfasste aber den Norden nicht. Auf diese Weise trennte sich das Hochdeutsche, damals das Althochdeutsche, vom Niederdeutschen, seinerzeit dem Altsächsischen. Im Laufe der Jahre hieß es im Süden etwa Zeit, Wasser, schlafen, machen, das Dorf, im Norden jedoch Tied, Water, slapen, maken, dat Dörp. Als Grenze lässt sich die Isoglosse, die Linie gleichen Sprachverlaufs, festmachen, die machen von maken trennt. Sie verläuft vom Westen bis zur polnischen Grenze. Nach dem Schnittpunkt mit dem Rhein in Benrath wird sie „Benrather Linie“ genannt .

Eine Hamburger Eigenart ist es, den Vokal „a“ als „o“ auszusprechen, also moken statt maken, slopen statt slapen oder gohn statt gahn (gehen). Das ist aber nicht in jedem Stadtteil so. Ein einheitliches Hamburger Platt gibt es nicht, zumal das heutige Staatsgebiet erst 1937 durch das Groß-Hamburg-Gesetz entstanden ist. Ein Ausgleich der Hamburger Mundarten hat (noch) nicht stattgefunden. In Blankenese spricht man anders als in den Vierlanden, auf Finkenwerder anders als in den Walddörfern, zum Beispiel ik weer – weur – wüür, wi söllt – schöllt, Deern – Diern, Bett – Bitt, von – van –vun, soss – söss usw.

Die niederdeutsche Orthografie ist den Kultusministern bisher nicht in die Hände gefallen, und nach dem Ergebnis der Rechtschreibreform kann man nur sagen: glücklicherweise. Deshalb existiert kein amtliches Wörterbuch für Plattdeutsch. Um eine gewisse Einheitlichkeit in die Schreibweise zu bringen, halten wir uns in der „Hamburgisch“-Rubrik möglichst an die Sass‘schen Regeln der Fehrs-Gilde. Dabei ist zu beachten, dass lange Vokale in geschlossenen Silben (die mit einem Konsonanten enden) verdoppelt werden (groot), in offenen Silben aber einfach auftauchen (gro-te). Ein Dehnungs-h wird nur benutzt, wenn eine hochdeutsche Entsprechung vorliegt: geiht (geht), aber sleit (schlägt) oder deit (tut).