Er versorgt halb Deutschland mit Pulver für das Lieblingsgetränk. Eine Erfolgsstory, die alles andere als absehbar war.

Jan Beernd Rothfos schenkt den Kaffee selbst ein. Aber nicht einfach nur so. Zu dem starken, tiefbraunen Getränk gibt er erst Akazienhonig, dann einen ordentlichen Schuss Milch. „Das müssen Sie probieren“, sagt der 89-Jährige und lächelt Bedenken einfach weg. „Ich nenne es Wiener Melange.“ Ein vorsichtiger Schluck, dann noch einer. Schmeckt tatsächlich. Weniger süß als erwartet, der Kaffee überraschend ausdrucksvoll. „Der Honig wirkt als feine Geschmacksbereicherung“, erklärt Rothfos, der jeden Morgen mit diesem Muntermacher in den Tag startet. Und die Milch? „Rundet die Sache ab, außerdem ist sie als Kalziumzufuhr gut für die Knochen.“

Der Mann muss es wissen. Jan Beernd Rothfos stammt aus einer alteingesessenen norddeutschen Kaffeedynastie, seit mehr als 60 Jahren ist er im Geschäft. Die Cafea-Gruppe mit Sitz in Hamburg und Produktionsstätten in der ganzen Welt deckt mehr als die Hälfte des Marktes an löslichem Kaffee in Deutschland ab. Trotzdem ist der Name des Unternehmers vielen Kaffeetrinkern unbekannt. Der Grund: Rothfos liefert Kaffeeprodukte, die als Handelsmarken bei Lebensmittelketten wie Aldi oder Edeka in den Regalen stehen. Die aktuelle Jahresproduktion reicht nach Unternehmensangaben für 30 bis 40 Milliarden Tassen.

Eine Erfolgsstory, die bei der Gründung alles andere als absehbar war. Anfang der 1950er-Jahre – in Deutschland kam gerade löslicher Kaffee von Herstellern wie Nestlé (Nescafé) oder General Foods (Maxwell) in Mode – hatten sich einige der führenden Herren der Kaffeeindustrie zusammengetan, um diesen Zukunftsmarkt nicht den ausländischen Herstellern zu überlassen. Darunter Walter Jacobs (Jacobs Kaffee), Max Herz (Tchibo), Rolf Schops (Eduscho) und Bernhard Rothfos. Der Kaffeehandel des Vaters von Jan Beernd Rothfos hatte während des Zweiten Weltkriegs schwere Verluste erlitten, war gerade im Wiederaufbau. Als die Kaffeefürsten aus Hamburg und Bremen 1955 eine gemeinsame Produktion für löslichen Kaffee gründeten, machten sie den damals 29-jährigen Jan Beernd Rothfos zum Geschäftsführer der Deutschen Extrakt Kaffee (DEK), der Keimzelle der heutigen Cafea-Gruppe.

„Ich hatte eine halbe Million Mark Startkapital“, erinnert sich Jan Beernd Rothfos. Das habe nicht gereicht, um die geplante neue Fabrik in Wilhelmsburg aufzubauen. Er verhandelte mit den Banken, bekam von ihnen weitere 200.000 Mark. „Wir wussten, dass wir es schaffen mussten.“

In hellblauem Hemd mit rotem Strickbinder sitzt der agile Senior – inzwischen der Mister Extraktkaffee Deutschlands – in einem Besprechungszimmer des Cafea-Hauses am Sandtorkai in der Speicherstadt. Der Blick aus den großen Scheiben des Backstein-Ensembles mit Lastenkran am Giebel fällt auf Hamburger Kaufmannstradition. Hier betrieb sein Vater von 1925 an seinen – inzwischen an die Neumann-Gruppe verkauften – Kaffeehandel, von hier aus macht sein Sohn bis heute Geschäfte und hier soll Tochter Anne Kathrin Rothfos, genannt Nina, das Familienunternehmen in die Zukunft führen.

Verleihung des Hamburger Gründerpreis 2016

Verleihung des Hamburger Gründerpreis 2016

Die Preisträger, ihre Laudatoren und die Moderatorin (v.l.: Bürgermeister Olaf Scholz, Kaffeeunternehmer Jan Beernd Rothfos, Roccat-Gründer René Korte, Christoph Ahmadi und Till Walz von Jump House, Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider, Haspa-Vorstandssprecher Harald Vogelsang, Handwerkskammer-Präsident Josef Katzer und Vanessa Seifert
Die Preisträger, ihre Laudatoren und die Moderatorin (v.l.: Bürgermeister Olaf Scholz, Kaffeeunternehmer Jan Beernd Rothfos, Roccat-Gründer René Korte, Christoph Ahmadi und Till Walz von Jump House, Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider, Haspa-Vorstandssprecher Harald Vogelsang, Handwerkskammer-Präsident Josef Katzer und Vanessa Seifert © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig
Die Preisträger: René Korte (v.l.), Jan Beernd Rothfoss , Christoph Ahmadi und Till Walz
Die Preisträger: René Korte (v.l.), Jan Beernd Rothfoss , Christoph Ahmadi und Till Walz © Andreas Laible | Andreas Laible
Blumen für die Moderatorin: Vanessa Seifert (Abendblatt) und Handwerkskammer-Präsident Josef Katzer
Blumen für die Moderatorin: Vanessa Seifert (Abendblatt) und Handwerkskammer-Präsident Josef Katzer © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig
Bauunternehmer Otto Wulff kommt mit seiner Frau Birgit zur Gala in der Fischauktionshalle
Bauunternehmer Otto Wulff kommt mit seiner Frau Birgit zur Gala in der Fischauktionshalle © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig
Lars Lunge (l.),, Karin Lunge und Ehemann Ulf Lunge hatten sichtlich Spaß: Die Brüder sind selbst Gewinner des Gründerpreises. 2007 wurden sie für den erfolgreichen Aufbau ihres Laufschuh-Unternehmens ausgezeichnet
Lars Lunge (l.),, Karin Lunge und Ehemann Ulf Lunge hatten sichtlich Spaß: Die Brüder sind selbst Gewinner des Gründerpreises. 2007 wurden sie für den erfolgreichen Aufbau ihres Laufschuh-Unternehmens ausgezeichnet © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig
Hafenchef Jens Meier (l., Hamburg Port Authority) und Entsorgungsunternehmer Horst Dörner
Hafenchef Jens Meier (l., Hamburg Port Authority) und Entsorgungsunternehmer Horst Dörner © Andreas Laible | Andreas Laible
Christoph Strenger, der Gründer des East Hotels, kommt in Begleitung von Lisa Köster
Christoph Strenger, der Gründer des East Hotels, kommt in Begleitung von Lisa Köster © Andreas Laible | Andreas Laible
Friedrich-Wilhelm Werner (Schmuckunternehmen Bijou Brigitte) mit Ehefrau Brigitte
Friedrich-Wilhelm Werner (Schmuckunternehmen Bijou Brigitte) mit Ehefrau Brigitte © Andreas Laible | Andreas Laible
Bauunternehmer Arne Weber (HC Hagemann) und Haspa-Vorstandssprecher Harald Vogelsang
Bauunternehmer Arne Weber (HC Hagemann) und Haspa-Vorstandssprecher Harald Vogelsang © Andreas Laible | Andreas Laible
Hauptgeschäftsführer und TV-Moderatir: Hans-Jörg Schmidt-Trenz (l., Handelskammer) und Yared Dibaba
Hauptgeschäftsführer und TV-Moderatir: Hans-Jörg Schmidt-Trenz (l., Handelskammer) und Yared Dibaba © Andreas Laible | Andreas Laible
Ruth Berckholtz, Unternehmerin und Ältermann des Kontorvorstands der Hamburger Morgensprache
Ruth Berckholtz, Unternehmerin und Ältermann des Kontorvorstands der Hamburger Morgensprache © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig
Hamburgs Messechef Bernd Aufderheide (l.) und Kaffeeunternehmer Albert Darboven
Hamburgs Messechef Bernd Aufderheide (l.) und Kaffeeunternehmer Albert Darboven © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig
Sie organisieren die Gala: Nicole Böcker-Carstens (l., Haspa) und Vivian Hecker (Abendblatt)
Sie organisieren die Gala: Nicole Böcker-Carstens (l., Haspa) und Vivian Hecker (Abendblatt) © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig
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Bei gut bestelltem Haus, und positiver Marktlage: Auch im vergangenen Jahr stieg der Absatz von löslichem Kaffee erneut leicht um ein Prozent – trotz Coffee Shops, Kaffeekapsel-Boom und dem Retro-Trend zum frisch gebrühten Filterkaffee. Knapp jeder vierte deutsche Verbraucher (23 Prozent) kauft laut der GfK-Konsumentenstudie 2015 Pulverkaffee. Immer beliebter werden Einzelportions-Mixe, in denen löslicher Kaffee, Milchpulver und/oder Zucker bereits enthalten sind. Allein 2015 wuchs dieser Bereich um zehn Prozent. „Der Trend begründet sich im steigenden Wunsch der Verbraucher, Kaffee schnell und einfach als Einzelportion zuzubereiten“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbands, Holger Preibisch.

Die Cafea-Gruppe hat daran ihren Anteil. Schritt für Schritt hat Ausnahmeunternehmer Rothfos in den vergangenen sechs Jahrzehnten das Pulverkaffee-Imperium ausgebaut. Ein Coup gelang ihm, als er 1965 den ersten gefriergetrockneten löslichen Kaffee auf den Markt brachte. Der war so beliebt, dass er den Kunden zeitweilig sogar zugeteilt werden musste. 1969 baute Rothfos eine neue Produktionsstätte in Berlin auf, wegen „der großzügigen Förderung“ wie er heute sagt. Einige Jahre später aber wünschten sich die Gesellschafter mehr Einfluss in der Geschäftsleitung des Unternehmens. Jan Beernd Rothfos schied aus ihr aus. Das Zwischenspiel währte nicht lange. Als das Unternehmen in die roten Zahlen rutschte, holten die Gesellschafter den Geschäftsführer zurück, boten ihm ihre Anteile an. Seit 1982 ist die DEK im Familienbesitz.

Chefvisite #38: Beim Gründerpreis platzt der Krawattenknoten

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    Er baute ein Werk in Venezuela auf – es wurde verstaatlicht

    Unter dem Dach der Holding Cafea produzieren heute neun Werke die von der DEK vertriebenen Produkte. Standorte sind unter anderem in Lüttich (Belgien), in Moskau und im brandenburgischen Rathenow. Dort kaufte Rothfos einen ehemaligen DDR-Betrieb, jetzt werden dort bei der Deutschen Milcafe lösliche Kaffeegetränke – unter anderem Cappuccino und Eiskaffee – produziert. „Um das Unternehmen zu erweitern, habe ich immer Betriebe gekauft, die Probleme hatten“, sagt der Cafea-Chef. Das gilt auch für die ehemalige Nestlé-Babynahrungsproduktion in Kappeln. Das Werk heißt heute Cremilk. Wichtig ist ihm, dass die Arbeitsplätze erhalten wurden.

    Es gab auch Rückschläge, etwa mit einem Werk in Venezuela. Im Jahr 2000 hatte die Cafea-Gruppe den ehemaligen Staatsbetrieb übernommen. Die Produktion sei zur Überraschung aller gut zum Laufen gebracht worden, aber die Regierung unter dem Sozialisten Hugo Chávez wollte das Werk nach zehn Jahren Aufbauarbeit wieder verstaatlichen. Dass es trotz aller Versprechen keine Entschädigung dafür gab, schmerzt Unternehmer Rothfos bis heute. Noch mehr allerdings, dass viele der Mitarbeiter ihre Arbeit verloren, dass das Werk nicht mehr produzierte und seine Tore schließen musste.

    „Man muss den Reiz in dem sehen, was schwierig ist“, sagt Jan Beernd Rothfos, wenn man ihn nach seinem Erfolgsrezept fragt. Und: „Ich hatte Fortune und gute Mitarbeiter.“ Sein Credo: Erwirtschaftete Mittel werden wieder investiert. Immer noch kommt der Firmenchef, der im November seinen 90. Geburtstag feiert, jeden Tag mit dem Auto aus dem Hamburger Westen ins Büro in der Speicherstadt, immer noch sitzt er in der Geschäftsführung seiner Unternehmen. „Ich gebe zu, dass ich gern nützlich bin“, sagt der begeisterte Golfer.

    Heute hat das Familienunternehmen 1750 Mitarbeiter und macht 589 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Nach dem Unfalltod seines Sohnes Bernd 1994 war die Nachfolge im Betrieb lange unklar, vor etwa fünf Jahren installierte Rothfos einen Beirat für die Zukunft des Unternehmens mit seiner Tochter als Vorsitzende, die gemeinsam mit einem Partner mit einem Designbüro für Buchcover sehr erfolgreich ist. Und auch um die weitere Nachfolge muss sich der Pa­triarch wohl keine Sorgen machen: Einer der Enkel will im Herbst ein Wirtschaftsstudium beginnen.

    Bleibt eigentlich nur eine Frage. Trinkt der König des löslichen Kaffees gern Pulverkaffee? „In den Urlaub nehme ich immer neue Produkte mit“, sagt der Kanaren-Liebhaber. Ihm gehe es immer darum, Produkte zu machen, die einfach funktionieren und Zeit sparen. „Man hat ja seine Zeit einzuteilen.“