Hamburg. Innensenator Andy Grote im Abendblatt-Interview über freie Ausbildungsstellen, Salafisten und die Auswirkungen des G20-Gipfels.

Das OSZE-Außenministertreffen im kommenden Dezember ist das Vorspiel für den G20-Gipfel im Sommer 2017. Für Hamburg bringen die beiden Großveranstaltungen nicht nur internationale Aufmerksamkeit mit sich, sondern vor allem eine angespannte Sicherheitslage. Vor gut einer Woche haben viele Anwohner auf einer Informationsveranstaltung des Senats gegen Hamburg als Veranstaltungsort protestiert. Das Abendblatt sprach mit Innensenator Andy Grote (SPD) über die Auswirkungen für die Hamburger, die Zukunft der Polizei sowie die aktuelle Terrorgefahr.

Herr Grote, können Sie garantieren, dass es bei OSZE-Treffen und G20-Gipfel keine Bilder der Gewalt wie in Genua im Jahr 2001 geben wird?

Andy Grote : Es gibt im Moment keinen Anlass, so etwas zu befürchten. Wir wollen die Einschränkungen für die Bevölkerung so gering wie möglich halten. Es soll ein Höchstmaß an Versammlungsfreiheit und kritischem Austausch möglich sein. Was an möglichen gewalttätigen Aktionen hineingetragen wird, haben wir nicht in der Hand. Wir werden dann aber in der Lage sein, die Gipfelteilnehmer und den Ablauf zuverlässig zu schützen.

Hartmut Dudde, einer Ihrer hochrangigsten Polizisten und der verantwortliche Beamte für die Sicherheit der beiden Treffen, bezeichnet Hamburg als schlechte Ortswahl für die Treffen. Halten Sie persönlich die Stadt für die beiden Treffen als geeignet?

Die Polizei hat sich natürlich nicht um die Austragung beworben. Aber ein G20-Gipfel braucht allein wegen der großen Zahl der Teilnehmer bei den Hotelkapazitäten und den Veranstaltungsorten eine Infrastruktur, die man regelmäßig nur in Großstädten findet. Wenn wir nicht wollen, dass der Austausch von Regierungen nur noch in autoritären Staaten stattfindet, dann ist Hamburg sicherlich geeignet.

Ein Teil der 600 Hamburger hat bei der Infoveranstaltung am Donnerstag vor einer Woche seinem Ärger sehr deutlich Luft gemacht. Es scheint ja eine beachtliche Gegenstimmung zu geben.

Ich habe selber schon viele Veranstaltungen in diesem Stadtteil mitgemacht. Da gibt es nun mal ein erhebliches kritisches Potenzial. Es hätte mich gewundert, wenn es nun bei OSZE und G20 anders gewesen wäre. Ich würde daraus aber nicht auf eine allgemeine Haltung in der Bevölkerung schließen.

Ihr Staatsrat Bernd Krösser hat auf derselben Veranstaltung angekündigt, dass die ohnehin schon geplanten Einschränkungen ausgeweitet werden, wenn es zu Störungen kommt. Was heißt das konkret?

Jedes Konzept steht unter dem Vorbehalt, dass es die aktuelle Einschätzung und Kenntnislage widerspiegelt. Wir wollen, dass der Gipfel ein ziviles Gesicht hat. Und so treten wir dann auch auf. Das heißt, dass die Sicherheits­zonen sehr klein sind. Und der Bereich, in dem man sich ausweisen muss, umschließt nur ein Wohnhaus. Aber die Polizei wird bei Störungen reaktions­fähig sein.

Welche Auswirkungen wird es auf den erhofften Imagegewinn für Hamburg haben, wenn es zu Ausschreitungen kommt?

Solche Spekulationen helfen nicht weiter. In Berlin etwa finden Veranstaltungen mit ausländischen Staatsgästen regelmäßig statt. Ich glaube, man kann damit auch gelassen umgehen.

Weniger gelassen kann man nach den Attentaten von Ansbach und Würzburg die Gefahr durch islamistischen Terror sehen. Wie ist die aktuelle Lage in Hamburg?

Wir haben nach wie vor eine hohe Gefährdung. Wir haben aber keine Hinweise auf eine konkrete Bedrohung für Hamburg.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière fordert die Länder angesichts der Terrorgefahr auf, deutlich mehr Polizisten einzustellen. Reichen Ihre 300 zusätzlichen Beamten aus?

Wir wollen die Präsenz nicht nur um 300 zusätzliche Stellen, sondern um weitere 200 Vollzugskräfte durch interne Umsteuerung verstärken. Das ist das größte und nachhaltigste Personalaufbauprogramm bei der Hamburger Polizei seit sehr langer Zeit. Damit stehen wir im Ländervergleich gut da.

Werden Sie Polizisten aus anderen Bundesländern abwerben?

Uns ist wichtig, dass wir die Hamburger Polizisten auch selber ausbilden. Eine gegenseitige Kannibalisierung der Länder, während alle Personal aufbauen wollen, halte ich für unsinnig. Und die Bewerberlage ist gut.

Muss man nicht trotzdem zusätzliche Anreize schaffen?

Nein. Wir wollen aber noch gezielter auf ausscheidende Zeitsoldaten, insbesondere Feldjäger zugehen.

Wie soll das genau geschehen?

Wir wollen noch in diesem Jahr ein Konzept mit der Bundeswehr abstimmen, die ja bei längerer Verpflichtung Zeitsoldaten eine zivile Ausbildung finanziert. Und das kann auch eine Polizeiausbildung sein.

Sie wollen stärker gegen Koranverteilungsstände vorgehen. Bislang hatten Sie keine Handhabe. Wie ist der Stand?

Es ist uns als erstem Bundesland gelungen, bei den Antragstellern dieser Stände eine ausreichende Nähe zur salafistischen oder dschihadistischen Szene nachzuweisen. Darauf kann eine Untersagung dieser Stände gestützt werden. Das haben wir seit Mai in über 20 Fällen getan – und seitdem gibt es keine Stände mehr.

Hat der Verfassungsschutz neue Erkenntnisse?

Dass wir den verantwortlichen Personen ausreichend extremistische Bezüge nachweisen konnten, hat auch etwas mit verbesserten Erkenntnissen zu tun. Die Aufklärungstiefe hat zugenommen.

Besteht die Gefahr, dass bald andere diese Stände anmelden werden?

Die Verteilung des Koran als solcher ist nicht verboten. Es geht hier immer um die Personen, die hinter den Verteil­aktionen stehen. Im Moment ist dieses Vorgehen effektiv.

Gibt es dagegen Klagen?

Es gibt meines Wissens nur ein Klageverfahren, für das wir aber zuversichtlich sind.

Müssen Sie nach den Terroranschlägen in Deutschland das Risiko, das von Flüchtlingen ausgeht, neu bewerten?

Das Risiko, dass bei dieser großen Zahl auch junge Menschen dabei sein können, die sich zu solchen Anschlägen verleiten lassen, ist nicht neu. Auch ist die abstrakte Gefahr bekannt, dass im Flüchtlingsstrom auch Gefährder zu uns kommen. Das Bild hat sich nicht geändert. Sie können davon ausgehen, dass wir die Situation mit allergrößter Aufmerksamkeit beobachten.

Gibt es Fortschritte bei der Bekämpfung der Einbruchskriminalität?

Die Sonderkommission „Castle“ kann erste Erfolge vorweisen. Bei uns in Hamburg sinken die Fallzahlen, dafür steigen sie aber etwa im Umland. Wir haben als Nordländer vereinbart, uns noch deutlich enger zu vernetzen. Ich hoffe, dass wir noch schneller Informationen austauschen können, wenn sich reisende Täter durch Norddeutschland bewegen. Eine entsprechende Vereinbarung wollen wir noch in diesem Jahr schließen.