Hamburg . 20.000 Fans sehen sieben Tore beim Benefizspiel für den Verein Nestwerk am Millerntor. Die Altfußballer legen sich mächtig ins Zeug.
Als das Konfetti auf das Team Deutschland regnete, und Trainer Otto Rehhagel nach dem 4:3-Sieg den Pokal in die Höhe stemmte, atmete ein Mann am Spielfeldrand tief durch. Reinhold Beckmann freute sich über ein gelungenes Fußballfest: „Ich bin den Hamburgern dankbar für ihre Treue.“ 20.000 Zuschauer kamen zum „Tag der Legenden“, dem Benefizspiel für den Verein „Nestwerk“, der Jugendliche in sozialen Brennpunkten unterstützt.
Fünf Stunden zuvor hatte der TV-Moderator außerordentlich angespannt gewirkt. Da prasselte der Regen auf das Vordach des Spielerhotels Le Méridien an der Alster. „Ausgerechnet heute schlägt das Wetter um“, sorgte sich Beckmann. Zudem verhagelten ihm die kurzfristigen Absagen mehrerer erkrankter oder verletzter Spieler die Laune – unter ihnen die ehemaligen Nationalspieler David Odonkor und Tim Wiese. Keiner weiß schließlich wie Beckmann, wie wichtig der „Tag der Legenden“ als Einnahmequelle für Nestwerk ist, um Sport- und Musikkurse für benachteiligte Jugendliche anbieten zu können. Zudem war der „Tag der Legenden“ 2015 ausgefallen, der Wust an Organisationsarbeit war von dem kleinen Team einfach nicht mehr zu stemmen gewesen.
Und so recht wusste niemand aus der Nestwerk-Crew einzuschätzen, ob die Pause der Traditionsveranstaltung schaden würde. Doch schon beim Anpfiff um 14.45 Uhr war Beckmann aller Sorgen ledig. Anna Loos hatte mit ihrer Band Silly das Millerntor eingeheizt. Und die Regenwolken hatten sich verzogen. „Wir brauchen Sonnencreme mit Faktor 50“, witzelte Moderator Lou Richter beim Einlauf der Legenden.
Hrubesch würde alle Olympiaspieler adoptieren
Die Ovationen galten indes einem Mann, der gar nicht mitspielte, sondern in Zivil auf den Rasen des Millertorstadions schritt: Horst Hrubesch (65). Beim HSV hatte er durch seine Kopfballtore schon immer Legendenstatus. Doch seit dem Auftritt mit der Olympiaauswahl in Brasilien liebt ganz Fußball-Deutschland den Mann mit dem kantigen Schädel. Wer ihn vor dem Spiel im Hotel beobachtete, weiß auch warum. Als der Organisationsstab zur Abfahrt zum Stadion drängte, sagte Hrubesch nur: „Ich komme nach, ich habe den Fans vor dem Hotel versprochen, dass ich noch Autogramme schreibe.“ Ein Reporter wollte wissen, welchen seiner Olympiaspieler er adoptieren würde. „Am liebsten alle“, brummte Hrubesch, seit 1. September offiziell Rentner. Und wie er denn die Bundesliga verfolge? „Meistens bin ich irgendwo im Stadion. Und wenn nicht, höre ich Radio.“ Im Radio, in der Sky-Zeit der Liga kaum zu glauben.
Es sind Momente wie diese, die den Tag wirklich legendär machen. Mit Gesprächen unter Fußballern, die auch nach ihrer aktiven Zeit so viel erlebt haben. Thomas Doll etwa, einst Trainer vom HSV und jetzt bei Ferencváros Budapest, erzählte, wie er jüngst einen Stuhl quer durch die Kabine warf – aus Wut über das Ausscheiden seiner Mannschaft gegen Tirana im Elfmeterschießen im Kampf um das internationale Geschäft. „Der gegnerische Torwart verlädt meinen Keeper. Und die beiden klatschen sich danach ab. Das musst du dir vorstellen“, schimpfte Doll. Markus Babbel, auch einst beim HSV aktiv, berichtete über sein Traineramt in Luzern: „Die Schweizer sind sehr auf Harmonie bedacht. Du darfst in der Kabine nicht laut werden, dann verlieren die jedes Selbstbewusstsein.“
„Es ist ein wunderbares Klassentreffen“, sagte Olaf Thon, Dauergast beim „Tag der Legenden“. Thon ist mit 50 Jahren mittendrin im Club der Fußballgenerationen, 13 Jahre jünger als Manfred Kaltz, am Sonntag wieder als Flankengeber unterwegs, und 20 Jahre älter als Marcell Jansen, am Sonntag der Benjamin. Und wer Mladen Petric (35) sah, fragte sich nicht nur angesichts seines Fallrückziehers, der an der Torlatte landete, warum der Kroate seine Karriere in diesem Sommer beendet hat. Den Pokal für das schönste Tor bekam indes Mauricio Gaudino, der mit einem schönen Hackentrick traf.
Legenden mit Hüftgold
Zugegeben: Nicht alle Legenden haben noch das sportliche Gardemaß. Torsten Frings, Gerald Asamoah und auch der einstige Schalker Youri Mulders etwa haben deutlich Hüftgold angesetzt. Egal, Ewald Lienen, Trainer des FC St. Pauli und Helmut Schulte, einst Manager beim Kiezclub und jetzt in gleicher Funktion bei Union Berlin, die am Sonntag das „Team Hamburg“ gemeinsam coachten, hoffen auf eine Revanche. Und eine erneute Pause wird es nicht geben. „Dieses positive Erlebnis ist für uns auch eine Verpflichtung.“ sagt Beckmann.
Tore für das „Team Hamburg“: Fabian Boll, Mladen Petric, Marius Ebbers
Tore für das „Team Deutschland“: Tim Borowski, Jörg Butt, Simon Rolfes, Mauricio Gaudino.