Hamburg. Anwohner sind sauer, weil sich vor ihrer Haustür Hunderte treffen, um gemeinsam zu chillen. Jetzt schaltet sich die Politik ein.

Zunächst waren es nur ein paar wenige, die sich mehrmals die Woche an der Straßenecke auf ein Getränk oder einfach nur einem kurzen Klönschnack trafen. Doch inzwischen ist die Kreuzung, an der Neuer Pferdemarkt, Wohlwillstraße, Thadenstraße und Beim Grünen Jäger zusammenlaufen, zum „Szenespot“ geworden. Rund 300 Menschen treffen sich hier zuweilen vor allem an den Wochenenden, um gemeinsam ihr Feierabendbier zu trinken, sich auszutauschen oder auch mal Musik zu hören - manchmal bis in die frühen Morgenstunden. „Cornern“, so nennen sie diese Art der Freizeitbeschäftigung, die viele Anwohner auf die Barrikaden bringt. Sie sind genervt, fühlen sich von Polizei und Behörden im Stich gelassen (wir berichteten).

Grüne wollen Kiosk-Betreiber stärker in die Pflicht nehmen

Jetzt schalten sich die Grünen im Bezirk Mitte in den Konflikt ein. Sie wollen zwischen Anwohnern, Gewerbetreibenden und den Feiernden vermitteln. „Wir wollen das Cornern nicht verteufeln“, sagt Michael Osterburg, Fraktionschef der Grünen in Mitte. An sich sei es ja auch schön, wenn junge Menschen sich gemeinsam im öffentlichen Raum aufhalten. „Aber die Masse der Menschen und die damit verbundenen Auswirkungen wie Vermüllung oder die Lärmbelästigung für die Anwohner sind ein Problem.“

Osterburg und seine Parteifreunde wollen die Gewerbetreibenden, allen voran die Kiosk-Betreiber, stärker in die Pflicht nehmen. „Es geht darum, diejenigen, die am Cornern gut verdienen, an den Kosten zu beteiligen, um die Situation für alle erträglicher zu machen.“ So könnten beispielsweise größere Müllbehälter und zusätzliche Toiletten aufgestellt werden. Zudem soll auch die Stadtreinigung am Wochenende eine Extraschicht einlegen, um die Straßenecke zu säubern.

„Kommunikationsbeauftragte“ sollen für Ruhe sorgen

Um vor allem die Lärmbelästigung zu reduzieren, könnten darüber hinaus sogenannte „Kommunikationsbeauftragte“ eingesetzt werden, die das Gespräch mit besonders lauten und alkoholisierten Feiernden suchen sollen. „Wir wollen keine schwarzen Sherriffs. Vielmehr könnten das Personen sein, die andere darauf hinweisen, dass hier Menschen ab einer gewissen Uhrzeit auch einmal schlafen wollen.“

Der Mitarbeiter eines Kiosks kann die Aufregung um das „Cornern“ hingegen nicht nachvollziehen. Er fühlt sich aufgrund der Berichterstattung an den Pranger gestellt. „Wer nach St. Pauli zieht, muss wissen, worauf er sich einlässt. Wo viel Gastronomie ist, kann es eben in der Nacht auch mal lauter werden.“ Der Betreiber eines anderen Kiosk ergänzt: „Die Menschen, die hier abends auf der Straße sitzen, sind doch selbst Nachbarn.“ Seines Wissens gebe es kaum Beschwerden.

Die Initiative der Grünen begrüßen sie dennoch. „Zusätzliche Toiletten und Mülleimer sind sicherlich sinnvoll, wir würden uns daran beteiligen“, so ein Betreiber. Die Idee eines „Kommunikationsbeauftragten“ sieht er jedoch skeptisch. „Sobald die Leute vier Biere getrunken haben, wird es schwierig mit ihnen zu reden.“ Er selbst habe es oft genug versucht.

Vorschläge werden im Bezirk diskutiert

Unter den Anwohnern sieht man dies ähnlich. „Mehr Mülleimer sind dringend nötig, nicht nur hier vor der Tür, sondern im gesamten Viertel“, sagt eine Anwohnerin, die anonym bleiben will. “Auch Pfandkisten wären mit Sicherheit notwendig.“ Die Idee zusätzliche Toiletten aufzustellen, lehnt sie hingegen ab. „Das würde wohl eher dazu animieren, sich dort länger aufzuhalten. Am Ende werden es noch mehr und nicht weniger Menschen.“

Die Vorschläge der Grünen sollen nun zunächst im Bezirk diskutiert werden. Anschließend werde man das Gespräch mit den Gewerbetreibenden suchen. „Wir sind optimistisch, dass wir durch gemeinsame Gespräche Lösungsansätze entwickeln und so die Möglichkeit eines zeitlich beschränkten Alkoholverkaufs umgehen können“, so Osterburg. Einen entsprechenden Vorschlag hatte der ehemalige Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) im vergangenen Jahr eingebracht. Grote hatte angesichts der wachsenden Zahl von Kiosken auf St. Pauli vorgeschlagen, den Alkoholverkauf auf St. Pauli und St. Georg zeitlich zu beschränken. Dafür müsste jedoch das Hamburgische Ladenschlussgesetz geändert werden. Dies ist jedoch nur mit Zustimmung der Bürgerschaft möglich, die den Vorschlag bislang nicht aufgegriffen hat.