Hamburg. Zahl der befristeten Pädagogen in Hamburg, die in den Ferien ohne Job sind, steigt um 40 Prozent. Linken-Fraktion ist empört.
„In Hamburg werden ständig Lehrkräfte für eine befristete Beschäftigung für Vertretungsaufgaben gesucht“. So steht es auf der Website der Schulbehörde, wo sich Interessierte gleich online bewerben können. „Bedarfe bestehen das ganze Jahr über, erfahrungsgemäß ganz besonders viele direkt nach den Sommerferien und in den Monaten November bis Februar.“
Was dort nicht steht, ist der Hinweis darauf, dass die meisten dieser Arbeitsverhältnisse pünktlich mit Beginn der Sommerferien enden und dann möglicherweise zum Beginn des nächsten Schuljahres neu abgeschlossen werden. Während der sechs Ferienwochen müssen sich die befristet beschäftigten Lehrer arbeitslos melden.
1362 Fristverträge von Lehrkräften ausgelaufen
In diesem Jahr ist deren Zahl so hoch wie vermutlich noch nie: Laut der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus sind mit Beginn der Sommerferien 1362 Fristverträge von Lehrkräften ausgelaufen. Im vergangenen Jahr waren es lediglich 968 – eine Steigerung um 40,7 Prozent.
Kommentar: Faire Verträge für alle Lehrer
Die Dimension dieser „Sommerarbeitslosigkeit“ unter Lehrern hat im Laufe der vergangenen Jahre deutlich zugenommen: Im Juli 2011 meldeten sich lediglich 115 Pädagogen arbeitslos, im Juli 2012 waren es 129. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich ein kleinerer Teil auch bei den für ihren Wohnsitz zuständigen Arbeitsagenturen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern arbeitslos gemeldet hat. Allerdings hatten 2013 nach Angaben der Schulbehörde insgesamt 1104 Lehrer befristete Arbeitsverträge – das entsprach einem Anteil von 6,5 Prozent.
Linke: "Unsozial und verantwortungslos"
„Um über die Ferien möglichst wenig Gehalt zahlen zu müssen, stellt der Senat seit Jahren zahlreiche Lehrkräfte extra befristet ein“, kritisiert Linken-Politikerin Boeddinghaus. „Die Lehrer bekommen meist nach den Sommerferien wieder eine Anstellung – wieder befristet bis zu den nächsten Sommerferien.“ Das sei „unsozial und verantwortungslos“ , weil auch die befristet beschäftigten Lehrer das ganze Jahr über „ wertvollen Unterrichtsersatz leisteten, auf den die Schulbehörde angewiesen ist.“ Es sei beschämend, so Boeddinghaus, dass diese Pädagogen im Stich gelassen würden, wenn es darum gehe, „ihre Existenz gerade einmal sechs Wochen über die Ferien hinweg abzusichern“.
Aus Sicht von Inge Hannemann, der Arbeitsmarktexpertin der Links-Fraktion, ist es besonders hart, dass den Lehrern nicht einmal Arbeitslosengeld I zusteht, weil sie nicht ein Jahr durchgehend beschäftigt worden seien. „Es bleibt ihnen nur Arbeitslosengeld II. Nur wenige gehen zur Arbeitsagentur, zum Teil aus Scham“, vermutet Hannemann. „Stattdessen leben sie, so gut es eben geht, von Erspartem, womit sie gleich doppelt belastet sind.“
Schulbehörde widerspricht
In der Schulbehörde wird der Sachverhalt völlig anders gesehen. „Es besteht kein Anlass, die Beschäftigungsverhältnisse über die Zeit der Sommerferien auszudehnen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Behörde. „In den Sommerferien findet kein Unterricht und daher auch keine Vertretung statt“, heißt es weiter. Eine Weiterbeschäftigung während der unterrichtsfreien Zeit wäre „ bezahlter Zusatzurlaub“. Auch Lehrer mit Fristverträgen haben einen Urlaubsanspruch, der aber während der Laufzeit des Vertrages genommen werde.
Die Behörde führt den Anstieg der Zahl der Fristverträge auf zwei Tendenzen zurück: den deutlich angewachsenen Bedarf an Flüchtlingsbeschulung seit Sommer 2015 und die Verjüngung der Kollegien mit der Folge einer höheren Zahl von Lehrkräften, die in Mutterschutz oder Elternzeit gehen. Klassischerweise werden Vertretungslehrer zusätzlich bei Krankheitsfällen sowie Beurlaubung von fest angestellten Lehrern eingesetzt. Fristverträge können für junge Pädagogen ein Sprungbrett in den regulären Schuldienst sein. Zwei Drittel der Vertretungslehrer haben noch kein zweites Staatsexamen und nutzen so die Wartezeit, bis sie einen Referendariatsplatz erhalten. Andererseits sind 265 Vertretungslehrer älter als 65 Jahre, von denen viele Flüchtlinge in den Zentralen Erstaufnahmen unterrichten.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert seit Jahren die Praxis. „Wir lehnen solche Feuerwehrstellen, die auf das Schuljahresende befristet sind, ausdrücklich ab“, sagte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Fredrik Dehnert schon 2013. Sabine Boeddinghaus erneuerte jetzt ihre Forderung an den Senat, „seine unmoralische Einstellungspolitik unverzüglich aufzugeben“. Der Senat müsse allen Lehrkräften eine angemessene finanzielle Überbrückung in den Sommerferien gewährleisten.