Hamburg. Selbst in gefragten Berufen wie gibt es wenige Tage vor Beginn des neuen Lehrjahres noch freie Ausbildungsplätze.

Mathias Körner hat sein Ziel nicht erreicht. Zum 1. August hätte der Geschäftsführer der Karl Körner Haustechnik GmbH in Hamburg gern drei Auszubildende zum Anlagenmechaniker für Sanitär- und Heizungstechnik eingestellt. „Doch wir hatten keinen Erfolg mit den Bewerbern“, sagt Körner. „Viele haben bei dem einwöchigen Praktikum schon nach wenigen Stunden erkannt, dass das nicht der richtige Beruf für sie ist.“ Es fehle an Motivation und Zuverlässigkeit.

Auch viele andere Unternehmen in der Hansestadt suchen noch Lehrlinge. „Wir können noch sieben Ausbildungsplätze für Gesundheits- und Krankenpfleger vergeben“, sagt Thorsten Witt, Pflegedirektor des Agaplesion Diakonie Klinikums in Eimsbüttel. „Wir beobachten seit einigen Jahren einen besorgniserregenden Abwärtstrend an Bewerbungen“, sagt er. Denn die Branche werde in der Öffentlichkeit negativ dargestellt. Auch die Zahl der Ausbildungsabbrecher steige.

Wenige Tage vor dem Ausbildungsbeginn am 1. August sind in Hamburg noch 3300 Lehrstellen unbesetzt. Allein bei Handels- und Handwerkskammer gibt es noch 1150 freie Ausbildungsplätze, wie die beiden Institutionen dem Abendblatt auf Nachfrage mitteilten. Weitere freie Ausbildungsplätze gibt es in Bereichen wie dem Gesundheits­wesen, dem öffentlichen Dienst und der Landwirtschaft, die nicht von den beiden Kammern abgedeckt werden. 3500 Jugendliche suchen nach Angaben der Arbeitsagentur Hamburg derzeit noch einen Ausbildungsplatz.

Auch Spätzünder haben jetzt noch gute Chancen

„Wir haben in diesem Jahr in Hamburg eine besondere Situation: Schuljahresende und Ausbildungsstart fallen fast zusammen“, sagt Fin Mohaupt, Leiter der Aus- und Weiterbildungsberatung der Handelskammer. Manchen werde aber jetzt erst klar, dass sie nicht wieder in die Schule zurückkehren. „Doch die Chancen, jetzt noch einen Ausbildungsplatz zu bekommen, sind ausgesprochen gut“, sagt Mohaupt.

Bis zum 1. Oktober könne man noch in eine Ausbildung einsteigen. Bei der Handelskammer gibt es noch 650 freie Ausbildungsplätze, bei der Handwerkskammer sind es etwa 500. Darunter sind auch gefragte Berufe wie Kfz-Mechatroniker, Fachinformatiker, Kaufmann für Büromanagement oder Groß- und Außenhandel sowie Elektroniker. Allein in den jeweils zehn Berufen mit den meisten noch unbesetzten Ausbildungsplätzen (s. Tabelle) gibt es noch mehr als 700 Lehrstellen. „Für die Schulabgänger ist die Lage sehr komfortabel, sie können sich noch ihren Beruf aussuchen“, sagt Mohaupt. „Selbst wenn es kurzfristig nicht mehr klappt, muss niemand ein Jahr warten. In fast allen Berufen ist auch ein Ausbildungsbeginn zum 1. Februar möglich.“

Die drei noch freien Lehrstellen für Anlagenmechaniker bei Körner Haustechnik sind nur ein Bruchteil dessen, was das Gewerk noch zu bieten hat – rund 50 freie Ausbildungsplätze. 133 Ausbildungsverträge hat die Innung Heizung und Sanitär in diesem Jahr bereits abgeschlossen.

Für die Unternehmen wird es immer schwieriger, Lehrstellen zu besetzen. „Es ist nicht das erste Mal, dass wir bei unseren Ausbildungsplätzen unterbesetzt sind“, sagt Körner. „Insgesamt haben wir nur vier statt zwölf in Ausbildung.“ Er würde auch Hauptschüler einstellen, wenn sie sich bei einem Praktikum bewähren.

Schlechte Karten haben weiterhin Hauptschüler

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erklärt jedoch, dass sich die Ausbildungschancen für Schüler mit Hauptschulabschluss in den letzten Jahren verschlechtert haben. Mehr als 60 Prozent der angebotenen Stellen, richten sich nicht an Hauptschüler, geht aus einer Studie hervor. „Die Firmen klagen über Fachkräftemangel, geben aber Jugendlichen mit Hauptschulabschluss zu wenige Chancen – selbst einfache Ausbildungen bleiben unerreichbar“, sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack.

In Hamburg will man sich diesen Schuh nicht anziehen. „Das Handwerk ist so vielfältig, dass junge Menschen mit sehr unterschiedlichen Talenten und Interessen hier ihre Berufung finden“, sagt Josef Katzer, Präsident der Handwerkskammer Hamburg. Die Ausbildungsbetriebe seien unabhängig von der Art des Schulabschlusses offen für leistungsbereiten Nachwuchs. Zumindest kommt auch die DGB-Studie zu dem Ergebnis: „Im Handwerk dominieren bei sinkenden Quoten noch die Jugendlichen mit einem Hauptschulabschluss (46 Prozent). Industrie und Handel sowie der öffentliche Dienst und die freien Berufe setzen hingegen vorwiegend auf Jugendliche mit mittlerem Schulabschluss oder Abitur.“

In Hamburg liegt der Anteil der Schulabgänger mit Hauptschulabschluss bei 16,6 Prozent. „Wir haben im vergangenen Jahr rund 15 Prozent der rund 9000 Ausbildungsplätze an Hauptschulabsolventen vermittelt“, sagt Mohaupt. Man könne mit diesem Abschluss sicher nicht Bank- oder Groß- und Außenhandelskaufmann werden, aber viele andere Berufe stünden Hauptschülern offen. Allein im Handel wurden im vergangenen Jahr 365 Ausbildungsverträge mit Hauptschülern geschlossen, geht aus der Statistik der Handelskammer hervor. Mohaupt räumt aber ein, dass bei der Ausschreibung mitunter höhere Anforderungen gesetzt werden als dann bei der Auswahl der Bewerber zum Tragen kommen.

Im Bereich der Handelskammer wurden 2016 bereits 5931 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum eine Steigerung um drei Prozent. Bei der Handwerkskammer sieht die Zwischenbilanz noch besser aus: Aktuell wurden bisher 1094 Lehrverträge für das Ausbildungsjahr 2016 registriert, was ein Zuwachs von 13,9 Prozent ist. Das Handwerk profitiert auch von einer besonders guten Konjunktur. Kammer-Präsident Katzer: „Die Aussichten auf eine langfristige Beschäftigung sind im Handwerk ausgesprochen gut.“ Ob das aber der Körner Haustechnik noch kurzfristig drei Auszubildende bringt, ist ungewiss.