Hamburg. Pädagogen arbeiten jedoch lieber in anderen Bereichen. GBS-Jobs müssen attraktiver werden für Fachkräfte, fordern die sozialen Träger.
Dem Deutschen Roten Kreuz fehlen noch neun Erzieher. Der Eimsbütteler Turnverband (ETV) meldet elf unbesetzte Stellen. Die Rudolf-Ballin-Stiftung sucht zehn weitere pädagogische Fachkräfte. So wie ihnen geht es anderen sozialen Trägern in Hamburg vor Beginn des neuen Schuljahres auch: Überall in der Ganztägigen Bildung und Betreuung (GBS) fehlen Erzieher.
„Die Hamburger Fachschulen müssten viel mehr ausbilden“, sagt Harald Clemens. Er ist Vorstand der Rudolf-Ballin-Stiftung, die im kommenden Schuljahr neun Standorte mit rund 1900 Schülern betreut. Die meisten Bewerber besäßen gar keine pädagogische Ausbildung. Deshalb sei man auf Quereinsteiger und Zeitarbeitsfirmen angewiesen. „Fremdfirmen nutzen wir nur im Notfall.“ Der Grund: Bei einer begrenzten Beschäftigungsdauer entstehe nicht die notwendige Bindung zu den Schülern.
Die Nachfrage nach Ganztagsbetreuung in Hamburg ist groß: Nur eines von zehn Kindern nimmt nicht daran teil. Insgesamt bieten im kommenden Schuljahr 125 Grundschulen GBS an. Im Bundesdurchschnitt besuchen lediglich 37 Prozent aller Kinder eine Nachmittagsbetreuung. Das geht aus dem jüngsten Bildungsbericht aus Berlin hervor.
Träger wollen Jobs attraktiver machen
Während die Ganztagsbetreuung bei Eltern und Schülern gut ankommt, sind GBS-Stellen bei Fachkräften wenig beliebt. „Der Job ist für viele Erzieher wahnsinnig unattraktiv“, sagt Manja Scheibner von der Elterninitiative „Guter Ganztag“. GBS-Betreuer arbeiteten vor allem nachmittags, zudem gebe es häufig nur Teilzeitverträge mit 15 oder 20 Wochenstunden. „Das ist nur für wenige ein Lebensmodell“, sagt Scheibner.
In Vollzeit verdienen Erzieher beim Berufseinstieg rund 2200 Euro, auf der letzten Stufe sind es bis zu 3120 Euro. In Teilzeit ist es entsprechend weniger. Deshalb, so Scheibner, arbeiteten Erzieher lieber in Krippen und Kitas, aktuell vermehrt auch mit Flüchtlingen.
Die Träger kennen das Problem, versuchen, die Jobs attraktiver zu machen: Der Eimsbütteler Turnverband etwa, der derzeit intensiv nach guten Pädagogen sucht, bietet jetzt Stellen mit mehr Wochenstunden an. Er lässt die Erzieher auch einen Teil der Ferien arbeiten und die dann angebotenen Ferienprogramme betreuen. So könne man ein attraktiverer Arbeitgeber werden, sagt der Vorsitzende Frank Fechner. Gesucht werden hier vor allem Erzieher, die sportliche Aktivitäten leiten können – die nämlich sind Hauptbestandteil des Nachmittagsangebots.
Der ETV geht direkt auf potenzielle Bewerber zu und spricht sie an sozialpädagogischen Fachschulen oder den Universitäten an. „Auch werben wir auf unserer Internetseite“, so Fechner. Der Konkurrenzdruck ist groß. „Elbkinder“ lässt Spots im Kino laufen, um für eine Karriere bei dem Träger zu werben, stellt sich ebenfalls bei den Absolventen der Fachschulen vor. Die Rudolf-Ballin-Stiftung wirbt auf riesigen Plakaten an U- und S-Bahnhöfen, beim Onlineauftritt der Stiftung kommen Besucher nicht an dem Gesuch vorbei, müssen es erst wegklicken.
„Kampf um Kräfte und Köpfe“
„Es ist ein Kampf um Kräfte und Köpfe“, wie es Sabine Kümmerle vom Alternativen Wohlfahrtsverband Soal ausdrückt. Auszubildende würden von vielen Trägern noch während der Ausbildung angeworben, viele nutzten gerade GBS-Jobs, um erste Berufserfahrung zu sammeln. Entsprechend hoch sei dadurch aber auch die Fluktuation bei diesen Stellen. Und die wiederum erschwere es, eine Bindung zwischen Grundschülern und Betreuern herstellen zu können, beklagen mehrere Trägervertreter.
„Freie Stellen mit geeigneten Mitarbeitern zu besetzen, ist aufgrund des Fachkräftemangels schwierig”, sagt Rainer Barthel, Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Das DRK muss zusätzliche Fachkräfte einstellen, weil die Anmeldezahlen für den Ganztag steigen. Die Bewerberzahlen hingegen sinken. Höchstens vier bis fünf Bewerbungen kämen auf eine Stelle. Dabei gibt es nicht weniger Erzieher und Pädagogen als früher. Im Gegenteil: Die Zahl von Auszubildenden an sozialpädagogischen Fachschulen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Vor sechs Jahren waren es rund 2000, jetzt sind es über 3100.
Auch die Zahl der Absolventen hat sich stark erhöht: Vor sechs Jahren schlossen rund 1000 Erzieher die Ausbildung ab, im vergangenen Schuljahr waren es 1500. Die Ausgebildeten jedoch treibt es in andere Betreuungsbereiche. Man müsse den GBS-Beruf aufwerten – durch mehr Wochenstunden und eine bessere Bezahlung. Darin sind sich die sozialen Träger einig.