Hamburg. Die AfD hat ein schwieriges Verhältnis zu den klassischen Medien. Deshalb hat die Partei die sozialen Netzwerke für sich entdeckt.
Im Grunde ist die „Lügenpresse“ für die AfD gar nicht so schlimm. Viel schlimmer ist die Schweigepresse. „Was uns die größten Probleme macht, ist nicht negative Berichterstattung“, sagte der Hamburger AfD-Chef Bernd Baumann kürzlich bei einer Veranstaltung der Bürgerschaftsfraktion mit dem Chefredakteur der rechts-konservativen „Jungen Freiheit“, Dieter Stein, im Rathaus. Diese zeige ja, dass man da sei und etwas mache. „Schlimmer ist es, wenn wir totgeschwiegen werden.“ Hamburg sei für die AfD ein besonders schwieriges Pflaster, so Baumann. SPD, Linke und Grüne hätten hier 70 Prozent der Stimmen. „Wir haben hier ,Spiegel‘, ,Stern‘ und ,Zeit‘ und große Teile des NDR, hier ist schon eine große linksliberale Glocke drüber, mehr links als liberal, würde ich mal sagen.“
Nun ist es kein Geheimnis, dass es zum Lebenselixier der AfD gehört, sich immer mal wieder ungerecht behandelt zu fühlen. Das „Außenseitertum“ werde „zu einem kollektiven David-Komplex“ stilisiert, schrieb jüngst die „SZ“-Beilage „jetzt“. Gleichwohl könnte ein Blick in die Berichterstattung den Verdacht erhärten, dass Baumanns Vorwurf nicht per se gänzlich absurd ist – auch wenn eine wissenschaftliche Auswertung aussteht.
Eine These wird dabei gelegentlich verhandelt: Bis heute sehen sich viele Medien mit dem Vorwurf konfrontiert, sie hätten Anfang des Jahrtausends zu distanzlos über den später als Polit-Amokläufer enttarnten Rechtspopulisten Ronald Schill berichtet und ihn so mit auf den Posten des Zweiten Bürgermeisters gehievt. Könnte es sein, fragen manche, dass Journalisten versuchen, sich diesem Vorwurf bei den nächsten Kandidaten nicht erneut auszusetzen, die von rechts die politische Arena betreten?
Partei will die „Bild“ boykottieren
Gegen diese These spricht allerdings die Tatsache, dass der Kampf der AfD gegen die klassischen Medien auch bundesweit läuft. Mittlerweile rufen Teile der Partei im Internet zum Boykott von „Bild“ auf, weil die immer wieder kritisch über die AfD berichtet. Der David-Komplex hat allerdings auch eine andere Seite: In den sozialen Netzwerken ist die AfD längst zu einem Goliath geworden. Keine andere Partei hat sich so erfolgreich eigene, von klassischen Medien völlig unabhängige Kommunikationskanäle geschaffen wie die AfD.
Bei Facebook hat sie jetzt auch in Hamburg mit mehr als 11.000 Fans mehr Unterstützer als alle anderen Parteien. „Wir sind bei Facebook auch deshalb so stark, weil das Vertrauen in die klassischen Medien seit Jahren sinkt“, sagt Parteichef Baumann. „Da suchen sich die Menschen andere Informationsangebote.“ Zu denen gehören auch Internetseiten wie pi-news.de, eine Abkürzung für „Politically Incorrect“, also: politisch unkorrekt. Zugleich versucht die AfD auch dadurch eine Art Parallelöffentlichkeit herzustellen, dass sie etwa ihre Veranstaltungen und Pressekonferenzen fast immer selbst professionell aufzeichnet und die Videos ins Internet stellt. Jeder solle sich selbst ein Bild machen können, so die Idee – ungefiltert durch journalistische Einordnung.
„Unser Hauptverbreitungsweg sind die Social Media“, sagt der Hamburger Chef der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“, Krzysztof Walczak. „Ich wage mal die These: Ohne Facebook gäbe es die AfD gar nicht.“ Dabei herrsche im Netz „natürlich ein deutlich raueres Klima“. Das haben auch Politikerinnen wie Stefanie von Berg zu spüren bekommen. Nachdem die AfD-Fraktion das Video einer Bürgerschaftsrede der Grünen-Abgeordneten über eine aus ihrer Sicht kommende multi-ethnische Gesellschaft mit Kommentar auf ihre Facebook-Seite gestellt hatte, bekam Stefanie von Berg bösartige Postings und Drohmails aus aller Welt. Gerade wurde ein Rentner zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, der ihr per Mail eine Vergewaltigung durch Muslime gewünscht hatte. Justizsenator Till Steffen (Grüne) wirft der AfD vor, bewusst Hasskommentare zu provozieren, „um Andersdenkende einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen“.
Der Politikwissenschaftler Kai-Uwe Schnapp sieht das ähnlich. „Die AfD verfolgt in den Social Media eine bisweilen miese Strategie, indem sie die Debatte stark personalisiert und damit echte Feindbilder schafft“, so Schnapp. „Das zieht viele Menschen an, die einfach nur mal pöbeln oder trollen wollen.“
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