Hamburg. Hauptbahnhof, Reeperbahn, Fanfest: Orte, die als sehr gefährdet gelten, werden in der Hansestadt besonders geschützt.
Plötzlich war die Terror-Gefahr da, näher als je zuvor, fast physisch greifbar: Ein Airbus 320 der Fluggesellschaft Air Berlin, 170 Passagiere an Bord, war am 19. Juni auf dem Weg nach Hamburg, als bei der Bundespolizei in München per Email eine Bombendrohung einging, unterzeichnet vom „Islamischen Kalifat Europa“. Noch bevor der Jet gegen 18.30 sicher in Hamburg landete, herrschte auf dem Rollfeld hektische Betriebsamkeit. Zur Sicherheit wurde die Maschine fernab der Gates und der anderen Flugzeuge geparkt. Ein Großaufgebot der Bundespolizei rückte an, Sprengstoffhunde durchsuchten Handgepäck und Koffer, der Flugverkehr wurde unterbrochen. Schließlich konnten die Beamten Entwarnung geben – es befand sich keine Bombe an Bord.
Auch wenn am Ende nichts passiert ist: Der Großeinsatz hat gezeigt, wie ernst die Sicherheitsbehörden die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus nehmen, wie schnell und massiv sie reagieren. Seit Jahren bindet der Kampf gegen die Extremisten auch in Hamburg erhebliche personelle Ressourcen. Erst kürzlich wurde das Personal beim Hamburger Verfassungsschutz mit 18 Stellen aufgestockt. „Die Beobachtung und Bekämpfung des extremistischen Salafismus wird für die kommenden Jahre ein Schwerpunkt der Sicherheitsbehörden bleiben“, sagt Amtschef Torsten Voß. Terrorismusexperten wie Professor Arndt Sinn (Osnabrück) warnen schon länger vor terroristischen Angriffen in deutschen Großstädten. Anschläge auf „weiche Ziele“ – Cafés, Bahnhöfe, Flughäfen – entfalteten maximale Wirkung. „Hamburg ist ein interessantes Ziel für Terroristen, die Stadt steht für das, was Islamisten hassen: Weltoffenheit, Amüsement, Freiheit“. Sinn fordert, dass Passagiere vor Betreten der Bahnhöfe oder der Terminals überprüft werden. Neben Verkehrsknotenpunkten und beliebten Ausgehvierteln stünden aber auch Orte mit Symbolkraft im Visier von Terroristen. Nur wie genau werden Hamburgs „neuralgische Punkte“ geschützt? Ein Überblick:
Flughafen Hamburg
Seit dem Terror-Anschlag auf das Bataclan in Paris hat die Bundespolizei ihre Präsenz am Flughafen sichtbar erhöht. Die Beamten laufen verstärkt Streife mit Maschinenpistole und Schutzweste. Polizisten, uniformiert oder in zivil, achten unter anderem auf herrenloses Gepäck und auf Menschen, die sich auffällig verhalten, also beispielsweise besonders nervös wirken. „Die Sicherheitsmaßnahmen befinden sich weiterhin auf einem sehr hohen Niveau“, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei am Flughafen. Zu konkreten Maßnahmen könne man sich aus „einsatztaktischen Gründen“ jedoch nicht äußern. „Die Bundespolizei verfolgt auch nach den Anschlägen in Istanbul die Situation in der Türkei gemeinsam mit den benachbarten Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder sehr aufmerksam.“
Zur Sicherheit tragen auch die Körperscanner bei, die neben der obligatorischen Röntgen- und Personenkontrolle im Einsatz sind. Durch die verschiedenen Detektionstechniken werden pro Jahr mehr als 30.000 verbotene und zum Teil hochgefährliche Gegenstände im Handgepäck der Passagiere entdeckt und beanstandet. Dazu gehören Schusswaffen, Messer, Elektroschocker oder Reizgasdosen. Rund 300 Bundespolizisten sind am Flughafen eingesetzt, außerdem 600 Luftsicherheitsassistenten, die unter anderem an der Personen- und Gepäckkontrolle tätig sind.
Hauptbahnhof
Der Hauptbahnhof als Anschlagsziel tauchte 2009 erstmals in einem Drohvideo der Taliban auf. Kein Wunder, denn an kaum einem anderen Ort in Hamburg sind mehr Menschen unterwegs. Pro Tag halten sich dort rund 500.000 Menschen auf. Das Sicherheitskonzept ähnelt dem der Bundespolizei am Flughafen. Auch am Hauptbahnhof patrouillieren Bundespolizisten mit geschulterter Maschinenpistole und Schutzbekleidung. Wachsamkeit ist hier das oberste Gebot. Immer wieder stoßen Fußstreifen an den Bahnsteigen auf herrenloses Gepäck, nicht selten wird deshalb der komplette Bahnhof vorübergehend abgeriegelt. Spreng- oder Gefahrenstoffe sind in den verwaisten Gepäckstücken bisher nicht entdeckt worden. Auch hier gilt: Die Sicherheitsmaßnahmen befinden sich auf einem „hohen Niveau“, sagt Rüdiger Carstens, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Hamburg. Zudem gebe es verdeckte Maßnahmen, die aus taktischen Gründen nicht öffentlich werden dürften, so Carstens. Alle Maßnahmen würden in Absprache mit den Sicherheitsbehörden fortlaufend der Lage angepasst.
Fanfest
Bei den Spielen der Deutschen Nationalmannschaft strömen Tausende Hamburger zum Fanfest auf das Heiligengeistfeld, um gemeinsam zu feiern und mitzufiebern. Solche Großveranstaltungen müssen speziell geschützt werden. Wie Veranstalter Uwe Bergmann mitteilte, wurden die Sicherheitsmaßnahmen in diesem Jahr erhöht und „liegen jetzt auf Fußballstadion-Niveau“, so Bergmann weiter. Zum Sicherheitskonzept gehört, dass alle Besucher am Eingang kontrolliert werden. 110 Ordner sind auf dem Gelände im Einsatz. Weiter ist die Reiterstaffel der Polizei vor Ort, um bei Bedarf schnell reagieren zu können. Das komplette Gelände ist zudem videoüberwacht.
Reeperbahn
Spätestens seit den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht sind St. Pauli und speziell das Vergnügungsviertel rund um die Reeperbahn wieder in den Fokus gerückt. Aber auch sonst ist St. Pauli bekannt dafür, besonders häufig Schauplatz von Delikten aller Art zu sein. Klar ist: Nirgendwo sonst in Deutschland ist die Polizeidichte größer als auf dem Kiez. An den Wochenenden werden die Beamten der Davidwache von den Kollegen der Bereitschaftspolizei unterstützt, weiter sind Zivilfahnder auf dem Kiez im Einsatz, Bundespolizisten kontrollieren im Bereich der S-Bahnstation Reeperbahn. Bereits seit Jahren ist das Areal als Gefahrengebiet ausgewiesen – seit dem Frühjahr „gefährlicher Ort“ genannt. Die Ausweisung befugt Beamte, Kontrollen und Durchsuchungen durchzuführen, wenn dafür ausreichend Anlass besteht.
Im vergangenen Sommer hat die Polizei auf dem Kiez zudem ein Pilotprojekt mit Bodycams gestartet. Seitdem sind ausgewählte Beamte mit Videokameras ausgestattet. Die Geräte sollen vor allem der Beweissicherung dienen und Gewaltdelikte durch die abschreckende Wirkung verhindern. Weiters wurde im Frühjahr die Videoüberwachung auf der Reeperbahn wieder in Betrieb genommen. Eine Kamera mit Blickrichtung Große Freiheit ist nun regelmäßig eingeschaltet. Die Überwachung kommt allerdings nur bei Schwerpunkteinsätzen und nur Freitag- und Sonnabendnacht zum Zuge. Eine weitere Kiez-Regelung: An den Wochenenden herrscht hier bereits seit Jahren Glasflaschen-Verbot.
US-Generalkonsulat
Nirgends in Hamburg sind die Sicherheitsmaßnahmen schärfer als am amerikanischen Generalkonsulat an der Alster. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2011 wurde das „Kleine Weiße Haus an der Alster“, das 1951 als Vertretung der USA seinen Betrieb aufnahm, zu einer Festung ausgebaut. Die Straße, die direkt vor dem Generalkonsulat verläuft, ist für den Verkehr gesperrt. Zudem bewachen Beamte der Hamburger Polizei und speziell ausgebildetes Sicherheitspersonal den äußeren Ring. Dafür wurde extra eine eigene Dienststelle eingerichtet. Dazu gibt es weitere Sicherungseinrichtungen wie widerstandsfähige, versenkbare Straßenpoller, die Fahrzeuge aufhalten können. Die Polizeimitarbeiter sind mit Maschinenpistolen ausgerüstet.
Das Konsulatsgelände selbst wird von Amerikanern und Angestellten des Konsulats bewacht. Vor dem Betreten des inneren Bereichs müssen Besucher eine Sicherheitsschleuse in einem Container passieren. Diese Zugangskontrolle ist vergleichbar mit den Kontrollen am Flughafen. Spezialscheiben schützen das Konsulat vor Schüssen. Darüber hinaus gibt es weitere Sicherheitsmaßnahmen, die jedoch nicht kommuniziert werden dürfen.
Elbtunnel
Als ein besonders schwer zu sicherndes Objekt gilt der rund 3,3 Kilometer lange Elbtunnel mit seinen vier Röhren, durch die täglich um die 115.000 Fahrzeuge fahren. Er ist das Nadelöhr bei der Verkehrsführung von Deutschland nach Skandinavien. Für die lückenlose Überwachung des Verkehrs sorgen zahlreiche Videokameras, deren Bilder in die Elbtunnelzentrale gesendet werden und jeden Zentimeter des Tunnels abdecken können. An den beiden Tunnelenden gibt es jeweils eine Wache für die Elbtunnelfeuerwehr, in denen auch speziell auf die Bedürfnisse von Einsätzen in Tunneln zugeschnittene Fahrzeuge untergebracht sind. Sie verfügen unter anderem über Überdruckkabinen, damit kein Rauch eindringen kann und über Infrarotkameras, mit denen die Einsatzkräfte auch bei völliger Verqualmung Brände entdecken können. Diese kamen bei Tunnelbränden in der Vergangenheit schon mehrfach zum Einsatz.
Auch die Polizei hat einen festen Sitz in der Elbtunnelzentrale. Die Beamten sind jedoch in erster Linie für die Verkehrsüberwachung zuständig. Im Zuge des „Deckels“ für die Autobahn 7 ist auch eine zusätzliche Wache am Nordende des Tunnels in Othmarschen vorgesehen. Dort sollen sowohl die Polizei, die dann personell aufgestockt wird, und die Feuerwehr ihren Sitz haben.