Hamburg . Mehr als 1200 Bewerber kamen in die Handwerkskammer. Jedes fünfte Unternehmen schließt Arbeitsverträge.

Hermann Maracke ist auf der Suche. Eigentlich immer. „Wir brauchen gute Mitarbeiter“, sagt der Geschäftsführer des Hamburger Malerbetriebs Germann. An seinem kleinen Stand in der Handwerkskammer liegen bunte Broschüren, vorgedruckte Bewerbungsformulare in Deutsch und Englisch. Davor hat sich eine Schlange gebildet, junge Männer und auch einige Frauen warten geduldig. Das geht den ganzen Vormittag so. Dann ist Mohammad Abo Atta an der Reihe. Der 21-Jährige ist vor zehn Monaten aus Syrien geflüchtet. Jetzt braucht er einen Praktikumsplatz. „Das können wir anbieten“, sagt Maracke und lächelt.

Der Malermeister weiß, wovon er spricht. Er ist nicht zum ersten Mal bei der Messe „Marktplatz der Begegnungen“ dabei, die Hamburger Arbeitgeber und Flüchtlinge zusammenbringen will. Im November hat er so Morteza Shahrabi Farahani kennengelernt. Zum 1. Februar hat der 42 Jahre alte Iraker einen Ausbildungsvertrag als Maler und Lackierer bei ihm unterschrieben. „Es läuft sehr gut“, sagt Maracke und lobt Arbeitswillen und Leistungsbereitschaft. „Das Handwerk hat in den Heimatländern vieler Flüchtlinge noch einen ganz anderen Stellenwert“, sagt er angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland. Von August an will er drei weitere junge Männer aus Syrien und Afghanistan ausbilden.

Auch bei der dritten Auflage ist die Nachfrage an der Jobbörse wieder gestiegen. Etwa 1200 Bewerber, teilweise mit ehrenamtlichen Helfern, drängen sich an den Ständen von 40 Firmen, die insgesamt 450 Stellenangebote mitgebracht hatten. „Die vielen Erfolgsbeispiele zeigen uns, dass das Konzept aufgeht“, sagt Josef Katzer, Präsident der Handwerkskammer Hamburg. Im November 2015 hatten Handwerkskammer, Handelskammer, Arbeitsagentur und Sozialbehörde die Messe erstmals organisiert und waren damit bundesweit Vorreiter. Nach einer ersten Auswertung hat ein Fünftel der 120 befragten Aussteller im Anschluss Verträge für Praktikums- und Arbeitsplätze geschlossen.

Handwerkskammer fordert mehr Planungssicherheit

Elham Mussawi ist ziemlich aufgeregt, als sie sich durch das Gedränge im großen Saal der Handwerkskammer schiebt. In der Hand hat sie eine Kurzbewerbung, in der die wichtigsten Daten aus dem Leben der jungen Frau aus Afghanistan stehen. Sie ist 18 Jahre alt, hat schon als Näherin und als Friseurin gearbeitet. Schüchtern nähert sie sich dem Stand der Friseurkette Hair Group, die insgesamt 40 Beschäftigungsangebote für Flüchtlinge anbietet. Mussawi möchte gern Friseurin werden und sucht einen Praktikumsplatz. „Für uns ist die Messe eine gute Kontaktmöglichkeit“, sagt Thomas Breitenmoser, während er der jungen Frau die Adresse eines Salons nahe ihrem Wohnort aufschreibt. „Ich kann gut mit den Händen arbeiten“, hat sie in ihrer Kurzbewerbung geschrieben.

Viele namhafte Unternehmen sind an diesem Tag in der Handwerkskammer vertreten, darunter die Block-Gruppe, Auto Wichert, Budnikowsky, Le CroBag oder die Hamburger Hochbahn. Besonders groß ist der Andrang bei Fielmann, aber auch bei der Stadtreinigung. „Wir suchen Beschäftigte für Müllabfuhr und Straßenreinigung“, sagt Barbara März aus der Projektkoordination Flüchtlingsintegration. Zehn Stellen für Flüchtlinge hat das städtische Unternehmen jedes Jahr. 25 neue Bewerbungen wird März mitnehmen.

„Das Ziel der Messe, das Kennenlernen und die Anbahnung von Kontakten funktioniert, auch wenn es nicht immer gleich zu einem Vertrag kommt“, sagt Gesine Keßler-Mohr, die bei der Handwerkskammer für Fachkräftesicherung und besondere Zielgruppen zuständig ist. Zahlen, wie viele Flüchtlinge schon vermittelt wurden, liegen allerdings nicht vor. Zudem laufen zahlreiche Verfahren für die Anerkennung ausländischer Berufs­abschlüsse. Die Rückmeldungen aus den Firmen seien sehr positiv. „Die Flüchtlinge sind supermotiviert, zuverlässig und in­tegrationswillig“, sagt Gesine Keßler-Mohr. Nicht selten hieße es, „so gute Auszubildende hatten wir lange nicht.“

Ein großes Problem ist allerdings in vielen Fällen die Unsicherheit des Aufenthaltsstatus. „Es sind immer mehrere Stellen vom Bundesamt für Migration, über Ausländerbehörde, Arbeitsverwaltung bis zu den Betreibern einer Wohnunterkunft zuständig“, klagt Keßler-Mohr. „Das ist wirtschaftsfern.“

Planungssicherheit sei dringend erforderlich, sagt auch Handwerkskammerpräsident Katzer. „Wir bekräftigen daher die Forderung nach der 3+2-Formel.“ Die sogenannte 3+2-Formel sichert das Aufenthaltsrecht für Asylbewerber während einer dreijährigen Ausbildung und einer zweijährigen Anschlussbeschäftigung. Diese Regelung wurde in das Integrationsgesetz aufgenommen, das nächste Woche im Bundestag verabschiedet werden soll.

Darauf wartet auch Malermeister Maracke dringend. Einen Monat vor Ausbildungsbeginn seiner neuen Azubis haben alle drei noch keinen endgültigen Bescheid der Behörden. „Das ist eine große Belastung und könnte dazu führen, dass sie erst im Februar starten können“, sagt Maracke. Alle drei hat er über die Flüchtlingsjobbörse kennengelernt, nach einem Praktikum war die Sache klar. Und auch dieses Mal ist er zufrieden. „Innerhalb von nur zwei Stunden 40 Bewerbungen auf einen Ausbildungsplatz – mal ehrlich, wer von uns hat das denn schon mal erlebt?“ Beim nächsten Marktplatz will er noch mehr Kollegen mitbringen.