Hamburg. Energieversorgung von Kreuzfahrtschiffen läuft weiterhin nur im Test. Die Motoren an Bord bleiben angeschaltet.

Zur Feier gab es Sekt und hohen Besuch. Anfang Juni weihte Bürgermeister Olaf Scholz zusammen mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (beide SPD) und dem Chef des EU-Infrastrukturfonds Andreas Boschen öffentlich die neue Landstromanlage zur Energieversorgung von Kreuzfahrtschiffen in Altona ein. Doch nach und nach stellt sich jetzt heraus: Die Feier war voreilig. Obwohl die Anlage ein Jahr später fertig wurde als geplant und trotz zahlreichen Tests, läuft das zehn Millionen Euro teure Projekt immer noch nicht reibungslos.

Zwar passt der Stecker in das Schiff, doch ihren eigentlichen Zweck hat die Landstromanlage bisher nicht erfüllt. Sie soll das Kreuzfahrtschiff während der Liegezeit im Hafen mit Energie aus erneuerbaren Quellen versorgen, damit das Schiff seine Motoren und Generatoren abschalten kann und keine Schadstoffe mehr aus dem Schornstein bläst.

Doch dazu kommt es bisher nicht. Während die Festredner bei der Einweihungsfeier von sauberer Luft im Hamburger Hafen redeten, liefen die Schiffsmotoren weiter. Ebenso bei der Generalprobe drei Tage zuvor. Der Grund: Das Projekt hat die Testphase noch gar nicht überwunden, wie die Hamburg Port Authority (HPA) jetzt einräumen musste. So habe am 30. Mai eine erste Stromübergabe stattgefunden, bei der zur Sicherheit die Schiffsmaschinen mitliefen, da die Tests noch andauern, so die HPA. „Bei der feierlichen Einweihung am 3. Juni wurden planmäßig vor allem Tests für die Schutzabschaltungen im Störfall durchgeführt, sodass nur Leistung für diese Zwecke übertragen wurde“, sagt eine HPA-Sprecherin. Und auch die Kreuzfahrtreederei Aida Cruises, die mit der „Aidasol“ das einzige Schiff betreibt, das in Altona mit Landstrom versorgt werden kann, räumt ein, dass das Projekt den Regelbetrieb noch gar nicht erreicht hat. „Wir arbeiten mit allen beteiligten Partnern daran, das Projekt von der Testphase in den Regelbetrieb zu überführen“, sagte eine Aida-Sprecherin auf Anfrage.

Bereits vor einem Jahr hätte die Landstromanlage, die vom Bund und von der EU mit insgesamt 7,2 Millionen Euro mitfinanziert und von Siemens gebaut wurde, ihren Betrieb aufnehmen sollen. Doch damals gab es Pro­bleme mit der Elektrik. Dem Vernehmen nach sollen die unterschiedlichen Spannungen an Land und an Bord immer wieder zu Störungen und Ausfällen geführt haben.

Das ist auch der FDP-Fraktion in der Bürgerschaft zu Ohren gekommen. Deren hafenpolitischer Sprecher Michael Kruse will jetzt in einer schriftlichen Kleinen Anfrage vom Senat wissen, warum die Landstromanlage bei ihrer Einweihung nur wenige Minuten lief, und warum es immer noch Probleme bei der Stromversorgung der „Aidasol“ gibt.

Kruse fragt sich, ob es gar zu Beschädigungen am Schiff gekommen ist. Das wird sowohl von Aida als auch von der HPA vehement bestritten. „Es ist zu keinen Beschädigungen an der Elektrik des Schiffes gekommen“, sagte die HPA-Sprecherin. Dennoch würden die jüngsten Ungereimtheiten um die Landstromanlage viele Fragen aufwerfen, meint der FDP-Politiker Kruse. „Trotz massiver Zeitverzögerungen ist der feierliche Start offenbar gründlich schiefgelaufen. Der Senat ist jetzt in der Pflicht, über die Probleme bei der Landstromversorgung Auskunft zu erteilen“, sagt er.

Neue Nahrung erhalten die Spekulationen aber durch den Umstand, dass die „Aidasol“ bei ihrem nächsten Hamburgbesuch zehn Tage nach der Einweihung, nicht in Altona, sondern am Kreuzfahrtterminal in der HafenCity festmachte. Dort wird das Schiff in der Regel mit Strom von einem kleinen schwimmenden Kraftwerk namens LNG Hybrid Barge „Hummel“ versorgt, das mit Flüssigerdgas betrieben wird. Doch auch in der HafenCity bliesen die Schiffsmotoren während der gesamten Liegezeit Abgase in die Luft. Die „Hummel“ war abbestellt worden. Beim Betreiberunternehmen Becker Marine Systems hieß es: „Uns wurde gesagt, nach dem Landstromversuch müsse erst einmal die Elektrik an Bord überprüft werden.“

Auch das wird von Aida Cruises bestritten. Aber schon jetzt ist klar: Eines der zentralen Konzepte des rot-grünen Senats zur Verbesserung der Luftqualität droht ein Flop zu werden, für den der Steuerzahler aufkommen muss. Die Kosten für den Betrieb der Landstromanlage sollen eigentlich aus den Nutzungseinnahmen gedeckt werden. Wenn der Betrieb aber nicht rundläuft, ist damit zu rechnen, dass die Anlage ein Betriebskostendefizit anhäuft. Dafür müsste die HPA nicht aufkommen. Das müsste aus dem Haushalt der Hansestadt bezahlt werden.