Hamburg . Naturschützer werfen Rot-Grün vor, das Gerichtsurteil von 2014 nicht umzusetzen. Stadt betont, die Belastung sei bei jeder zweiten Messstation rückläufig
Wegen der nach wie vor deutlich zu hohen Belastung der Luft mit giftigen Stickoxiden hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) dem Senat einen weiteren Gang vor Gericht angedroht. Sollte die Stadt bis Ende Februar nicht klar erkennbare Anstrengungen zur Vorlage eines Luftreinhalteplans bis Juli 2016 unternehmen, werde man beim Verwaltungsgericht die Erlassung eines Zwangsgeldes gegen die Stadt beantragen, sagte BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. Dieses könne bis zu 10.000 Euro betragen.
Hintergrund: Am 5. November 2014 hatte das Gericht die Stadt nach einer Klage des BUND und eines Bürgers dazu verurteilt, „den gültigen Luftreinhalteplan (...) so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des (…) Immissionswertes (...) enthält.“ Die Einsicht in die Akten der Behörden habe jedoch jetzt gezeigt, dass die Stadt bis heute nicht genügend Anstrengungen unternehme, um die Vorgaben der Richter umzusetzen, so Braasch.
„Der Senat missachtet das Urteil des Verwaltungsgerichts“, sagte der Geschäftsführer. „Trotz rechtskräftiger Verurteilung und eines Vertragsverletzungsverfahrens seitens der EU-Kommission dümpelt die Bearbeitung vor sich hin. Wir erwarten bis Juli 2016 einen neuen Luftreinhalteplan, sonst sehen wir uns zu weiteren juristischen Schritten gezwungen.“
Der BUND habe nun die Kanzlei Mohr Rechtsanwälte beauftragt, einen Zwangsgeldantrag vorzubereiten. Parallel habe der BUND einen Brief an Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) geschrieben, in dem um ein Gespräch und weitere Informationen gebeten werde. Der derzeitige Fahrplan des Senats sehe vor, dass erst ab September 2017 die Fortschreibung des Luftreinhalteplans der Öffentlichkeit vorgestellt wird, so Braasch. Diese Zeitschiene sei aber „völlig inakzeptabel“.
Hauptquellen der giftigen Stickoxide, die zu chronischem Husten, Bronchitis, Asthma, Entzündungen oder Lungenkrebs führen können, sind der Kfz-Verkehr und Schiffsabgase. In Hamburg liegt die Belastung an allen vier großen Messstationen (Habichtsstraße, Max-Brauer-Allee, Kieler Straße und Stresemannstraße) weiterhin teilweise deutlich über dem bereits seit 2010 geltenden EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die Belastung habe sich in Teilen der Stadt noch weiter erhöht, so Braasch. „An den Messstationen Habichtstraße und Kieler Straße steigt sie kontinuierlich seit 2013, und an der Max-Brauer-Allee verharrt sie mit über 60 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auf dem hohen Niveau der Vorjahre.“ Lediglich in der Stresemannstraße zeichne sich eine leichte Entspannung ab.
Braasch betonte, dass die Belastung an den Straßen zu rund 80 Prozent aus dem dort fließenden Autoverkehr stamme. Schiffsabgase hätten in den Wohngebieten einen geringeren Einfluss. Braasch fordert „Fahrverbote, Geschwindigkeitsbegrenzungen und die Einführung einer auf Stickoxide erweiterten Umweltzone“. Zuletzt hätte die Deutsche Umwelthilfe in Wiesbaden und Darmstadt erfolgreich Zwangsgelder durchgesetzt. Es zeige sich, dass die Gerichte allmählich die Geduld mit der Politik verlieren.
Die Umweltbehörde betonte dagegen, dass die Luftbelastung 2015 an acht von 16 Messstationen zurückgegangen sei. Der Senat sei dabei, das erst seit einem Jahr rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts umzusetzen und einen neuen Luftreinhalteplan zu erarbeiten. „Zu unseren Maßnahmen zählen das Ziel einer Verdoppelung des Radverkehrsanteils und das Paket zur Ökologisierung des Hafens: ein Bonus-Malus-System beim Hafengeld je nach Umweltklasse eines Schiffes, mehr Umfuhren auf dem Wasserweg statt per Lkw, Landstrom-Angebote auch für Containerschiffe.“ Dafür sei ein Immissionsgutachten vergeben worden.